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	nicht direkt vom Staate ausgehen kann, so mussten nach Hrn.
B. die Gemeinden, falls sie tiberhaupt ein Theater haben wollen,
diesclbe iibernehmen. Sie haben den allgemeinen Vortheil da~
von, und zugleich den besondern, dass ein Kapital in Umlaut
gebracht wird, welches lediglich dem kleinen Gewerbe zu Gute
komme. Dafir sollen aber auch dic Gemeinden 2луее Те! Шип:

1. die Theater von den driickenden Lasten und Armenab-

gaben befreien und

2. ein unentgellliches Theaterlokal beschaffen.
Viele Stidte in Deutschland, sagt Hr. B., haben das schon ge-
than; warum nicht alle? Den Zwang aber, den der Staat auf
eine Stadt ausiiben kann, cin Haus zu haben, legt Hr. B. in
die Bedingungen, woran sich die Concessionen kniipfen, die er
in Handen hat. Und so will er versuchen, das Theaterwesen
lediglich durch die Erthcilung oder Entzichung der gesetzlichen
Erlaubniss zu organisiren. Dabei wiirde das Gesetz gelten,
dass der Staat keine Genchmigung ertheilt, wenn bei der Bih-
nenunternehmung nicht die Méglichkeit nachgewiesen ist, dass sie
Jahr aus, Jahr ein bestehe. Darum miissten Stadte, welche fir
sich allein keine Bihne halten kénnen, zu Theatervereinen ver-
	bunden werden.
Wir lassen hier gleich den Organisationsentwurf des Hn.
	B. folgen.
Er theilt simmtliche Theater in drei Klassen, in Stadt-,

Provinzial- und Reisende Bthnen.

Zu den Stadttheatern rechnet er die, welche in einer
Stadt bleiben, im Sommer drei Monate Ferien machen, oder
wihrend dieser Zeit in einer anderen Stadt spielen. Provin-
zialtheater waren solehe, die in drei bis vier Sltadten das
Jahr rund Vorstellungen geben. Reise nde endlich, die in sie-
ben bis acht Sladten, also in jeder Stadt alle zwei Jahre spielen.

Ein aus den Birgern gewahller, von dem Gemeinderath
unabhingiger Theaterausschuss soll die Verhandlungen mit den
Bihnen unternehmen, ftihren, und das Publikum gegen das
Theater und das Theater gegen das Publikum vertreten.

Jede Stadt, die nun nachweis’t, dass sie das ganze Jahr
eine Biihne erhalten kann, soll ein Stadttheater errichten diirfen.
Sie muss dazu ein eingerichtetes Haus mit Dekorationen zur
Verfiigung stellen. Allenfalls soll der Unternehmer cine Miethe
zahlen fir Feuerversicherung und Reparaturen, Auch ein Stadt-
orchester hat die Stadt einzurichten.

Fiir Provinzialbiihnen treten mehrere Stadte in einen frei-
willigen Verband zusammen. Jede Stadt stellt ein Haus mit
Dekorationen zur Verfigung. Dasselbe gilt fir die reisenden
Bithnen, fiir welche acht bis zehn Stadte zusammentreten, die
aber dann keine Dekorationen und Zubehér zu liefern haben.

Alle Theaterausschiisse der Stidte treten zur Organisation
zu einem Gesammlausschusse zusammen, der seinen Blick auch
auf die Nachbarstaaten zu richten hatte.

Die Oberaufsicht soll in der Hand des Ministers liegen und
ein Beauftragter des Ministers soll die Stadtevereine vermitteln.

Endlich dringt Hr. B. auf die Einfachheit des Lokals. In
den kleinern Staidten kénnte es nach seiner Ansicht wohl auch
zugleich fir andere Zwecke vermielhet werden, zu Versamm-
lungen, Ballen, Ausstellungen u. s. w.

Aehnlicher Meinung ist Hr. Gemmel, welcher den Wunsch
ausspricht, dass die Theater so gebaut werden méchten, dass
sie unmittelbar zu den Casinolokalen gehdérten, wevon er sich
einen wohlihatigen Einfluss fiir den geselligen Verkehy ver-
spricht. Casino- und Schauspieldirektor kénnten unter billigen
Bedingungen sich mit einander vereinigen.

Gleiche Strenge bei der Ertheilung von Concessionen wie
Hr. Benedix, fordert auch Hr. Spielberger, indem er wiinscht,
dass dieselben auf solche Stadte und Arrondissements beschrankt
	kosten ersparen, wire der Umfang und die Schwere der Bil-
der geringer; diese selbst wirden in den oft beschrankten Aus-
stellungsraumen ein ungleich besseres Unterkommen finden,
wahrend jelzl die einzelnen Stticke in den breiten Zierrahmen,
die gewohnlich noch mit Schulzkasten versehen sind, cinander
beengen und das Licht nehmen; dic Kiinstler selbst witirden
sich ein Erkleckliches ersparen und das Publikum, statt sich
an dem Goldglanz zu berauschen, wiirde vielleicht Veranlassung
finden, den Werth der Bilder minder nach Aeusserlichkeiten
zu bestimmen. Amsterdam. ty.
	Denkschrift tiber eine Gesammt-Organisation der Kunst:
Angelegenheiten.
	и АпИтасе 4ез Ггепз5. Kultusministeriums zusammengestellt
von Fr, Eggers.
	(iortsetzung. )
VI.
	Die werkthatige Kunst.
	6. Schaubdhne. (Fortsetzung,)
	Nachdem wir so Alles zusammengestellt haben, was tiber
die kinstlerische Leitung der Theater und den Einfluss des
Staates auf dieselben in dieser Beziehung vorgebracht worden
ist, wenden wir uns zu den Vorschlagen, welche die Bedin-
gungen der Existenz der tbrigen Bihnen, ausser den Hof-
bihnen behandeln.

Hr. Devrient deutet hier hauptsichlich auf die Nothwen-
digkeit hin, dass die Stadte den verkehrten Grundsatz aufzu-
geben haben, vom Theater Nutzen ziehen zu wollen, dass die
Staditheater von einer Menge von Lasten und Abgaben, und
dadurch von steten Sorgen befreit wiirden. Zundchst miisste
dies mit dem Miethzins der Fall scin, und eben so wenig als
eine Stadt fir die Benutzung der Kirchen, Schulhauser, Mu-
seen etc. einen Miethzins einzieht, eben so wenig sollte er fiir
das Theater gefordert werden. Dieses Abgabenverhaltniss wird
von allen Seiten fiir einen grosen Uebelstand erklart.

Nahere Notizen hieriiber verdanken wir den Herren Spiel-
berger und Benedix. Numerische Vergleichungen fihren
Leizteren auf das merkwirdige Resultat, dass wiahrend das
Theater in Berlin 150,000 Thlr. Zuschuss bekomme, das in
Кот 4000 Thir. Steuer zahlen mtisse. Denn tiberall am Rhein
	steigen die Abgaben bis auf 5 —10 pCt. von der Bruttoeinnahme,
welches fiir KéIn die erwadhnte Summe ausbringe. Ausserdem
	habe die Buhne dieser Stadt 4200 Thlr. jahrlich Miethe zu
zahlen. Es kénne demnach erst nach einer Einnahme von
8000 Thirn. an die Sache selbst gedacht werden. So verhallte
es sich nach den giiltigen gesetzlichen Bestimmungen, welche
das Theater als Vergnigungs-, nicht als Kunstanstalt betrachten.
Geschihe das Letztere, so wiirde allerdings die Steuer weg-
fallen. Abgesehen von dem ungiinstigen Schluss, der unter
solchen Umstanden auf die kiinstlerische Reinheit des Strebens
solcher Institute erlaubt sein diirfte, sind auch die Angaben
itber den materiellen Bestand derselben unerfreulich. Ш Кот,
heisst es, ist seit 15 Jahren der sicbente Unternehmer aufge-
treten. In Elberfeld sei, so lange das Theater steht, jeden
Winter ein Unternehmer zu Grunde gegangen. Auch Coblenz
und Trier liefern alljahrlich ihre Opfer.

Wenn also ein Thealer der Unterstitzung bedarf, und solche
	fiir die verdienstlichsten Ktinstler Standhenorare zu ertibrigen, wie sie fri-
her in Berlin ertheilt wurden.