stellen; aber sie fufirt zugleich und gerade in ihren erhaben- sten Werken Naturwesen — Menschen — vor, denen nicht bloss der Ausdruck allgemeiner Naturkrafte einwohnt, deren Geist ein individuell freier ist, in deren ganzem Sein die mo- ralischen M&chte zur Erscheinung kommen. Dies bedingt in der kinstlerischen Vorfiihrung ein dichterisches Element, und wo die Malerei Individuen in moralischen Conflicten vor- fihrt, — wo sie zur Historienmalerei wird, — da geht sie, mehr oder weniger, tber das specifisch Malerische hinaus, da hat sie ihre poetische Seite, die ebenfalls erkannt sein will und der ebenfalls geniigt werden muss. Dies ldugnet der Verfasser freilich, oder wo er das Vor- handensein dieser Beziehungen nicht zu laugnen vermag, Ъе- kampft er es als eine Entartung des kiinstlerischen Princips. Es wird geniigen und dem Leser den Sachverhalt sofort klar machen, wenn ich nur zwei Beispiele, ein leichles und ein ge- wichliges, aus seinem Buche anfiihre. Man hat bekanntlich (und dies ist besonders Schnaase’s Verdienst) dice hiibschen novel- listischen Ziige in Terburg’s Genrebildern nachgewiesen: — der Verfasser sagt, es sei nichts der Art vorhanden, und frei- lich Iisst sich dartiber schwer streiten, da Terburg schon zu Tange todt ist, um den Streit entscheiden zu kénnen. Das Ele- ment geisliger Combination in den Bildern aus Raphael’s grosser, vollentwickelter Zeit war aber in keiner Weise in Frage za stellen; der Verfasser laugnet dessen Vorhandensein nicht, findet darin jedoch — er spricht namentlich von Raphael’s Transfiguration! — nur ,eigne Ueberschatzung* des _,, spitzfin- delnden Verstandes*, nur Dienst ,im Solde einer ausschliess- lichen Menge“, nur Entartung im Verhallniss zu der reineren Schénheit Perugino’s und der, welche Raphael selbst in der jugendlichen Nachfolge dieses Meisiers bewahrt hatte. Das Bei- spiel itberhebt mich weiterer Kritik. Dem Verfasser ist eine ganze grosse Seite der Kunst eben verschlossen oder er will sie nicht sehen. Es wird daher auch nicht weiter befremden, wenn er tberhaupt tiber Raphael, Michelangelo, Leonardo kurz und frostig wegeilt, wahrend er von Rubens und von Rembrandt fast nicht scheiden kann und das, was als Tadel bei diesen Meistern zu erinnern sein mochte, doch wieder nur in der Ge- stalt eines neuen und eigenthimlichen Lobes vorbringt. Vielfach auch wirft der Verfasser kritische Blicke auf die Leistungen der gegenwirligen Malerei, Er spricht sich aner~ kennend aus in den wenigen éinzelnen Fallen, wo er Anklangen an die Richtungen der alten Meister des malerischen Styles be- gegnet; er verwirft nach diesem Maassstabe ungleich haufiger, mehr oder weniger streng, das, was unsre Zeit hervorgebracht hat. Wieweit er Recht hat, wieweit vielleicht, Unrecht, ist schwer zu sagen. Wir leben, wie es scheint, in der Zeit einer bunten geisligen Gahrung, die ohne Zweifel auch in dem ktinst- lerischen Schaffen ihr Spiegelbild hat; da kann es an tausend- falligen, oft gewiss sehr unreifen Versuchen, nach diesem, nach jenem Ziele hin, auch wohl an giflig aufsteigenden Dinsten nicht fehlen. Es gehort viel dazu, aus der Gegenwart heraus unbe- fangen ihber die Gegenwart zu urtheilen. Der Geist des Be- schavers muss sich aus dem bunten Gewirre erheben, dass es sich in Gruppen unter ihm lagerc; er muss divinatorisch in die Zukunft blicken, das Ziel vorauszuahnen, zu welchem hin das junge Leben des heutigen Tages und sein junges Schaffen sich entwickeln wird, — falls ihm zu seiner Entwickelung tiberhaupt Luft und Thau und Sonne beschieden sind. Er muss die Recht- fertigung des heutigen Strebens in diesem Ziele suchen und darauf hin das Urtheil Uber die einzelne Leistung begrinden. Was das Erazeugniss einer vergangenen Zeit ist, beruht auf seinen Factoren; die heutigen Leistungen sind nicht einseitig nach den vergangenen abzumessen. Wohl aber haben die Leistungen vergangener grosser Kunst- epochen fiir das Studium von Seiten der heutigen Kiinstler den- noch die héchste Bedeutung. Das Ziel liegt in ihnen klar da, und es lasst sich erforschen und erkennen, welche Mitte! an- gewandt, welche Krafte in Anspannung gesetzt wurden, dasselbe zu erreichen. Hierin liegen fir das nachgeborne Geschlecht wesentliche Schatze vor, und es ist unser Vortheil nicht nur, es ist unsre Pflicht, dies Erbe anzutreten. Es ist mit ein Stiick des Bodens, aus dem heraus unsre eigenthtimliche Le- bensaufgabe erwachsen soll. Wir sollen die alten Meister der Malerkunst nicht nachahmen, nicht einmal in ihrem Sinne ma- len; aber wir sollen sie studiren, griindlichst studiren, um an ihnen zum eigenen Thun zu erstarken. Dahin aber gehdrt, wie manches Andre und mehr wie Manches, das ganze Gebiet des malerischen Styles, das in seiner Wesenheit neuerlich noch erst wenig erkannt und dessen Verstiéndniss durch das in Rede ste- hende Buch in so schatzbarer Weise erschlossen ist. Und дагат wird und muss das letztere, trotz seiner Vortragweise und sei- ner einseitigen Tendenz, in dem, was seinen eigentlichen In- halt ausmacht, belehrend und fruchtbringend auf die werkthai- lige Kunst, wie auf die kunstgeschichtliche Auffassung einwir- ken. Denn eine Wahrheit, ob auch eingehiillt in ein beschwer- liches Gewand und itber das Ziel hinausgeftihrt, wo sie aufhért volle Wahrheit zu sein, ist doch nimmer umsonst ausgesprochen. F, Mugler. A.eituns. Зет. Die totale Sonnenfinsterniss dieses Jahres hat ih- ren Maler gefunden. Es ist der geniale Russe Aiwasowski, den hiesigen Kennern durch seine frappanten Ansichten Kon- stantinopels und eines Seestiicks vom schwarzen Meere noch in guter Erinnerung, der es unternommen hat, das sellene Pha- nomen kiinstlerisch zu fixiren. Jedenfalls wird Aiwasowski eines seiner wirksamsten Landschaftsstiicke liefern. Montgsberg 1. 05. Der Director unserer Kunst - Akademie, Rosenfelder, dem es bei seinen vielfachen kiinstlerischen und amtlichen Arheiten bisher noch nicht méglich geworden war, Italien zu besuchen, beabsichtigt nun eine gréssere Reise dorthin zu machen, die ihn tiber ein halbes Jahr von uns enl- fernt halten wird. Жиищен. In Betreff der Preisaufgabe der Minchner Aka- demie fiir Architekten ist es von Wichtigkeit, zu erfahren, dass die zur Preisbewerbung Eingeladenen einen erneuten Abdruck der ,Erlauterungen* zugeschickt erhallen haben, welcher zuerst das wiederholt, was Sie in Ihrem Aufsatze in No. 14 auf S. 14 als lithographirtes Dokument mitgetheilt haben, dann aber statt des letzten Absatzes, der die Aufgabe noch einmal zusammen- fasst, folgenden Passus enthalt, den wir gleichfalls nachtragen zu miissen glauben: ,Zugleich will darauf hingewiesen werden, dass vielleicht eine Verbindung des einfachen und ruhigen Charakters der ge- radlinigen griechischen Form mit dem in die Hohe strebenden Momente des gothischen Bauslyls der Beachtung werth erschiene. Der Baumeister kann entweder einen der bekannten Bau- style zur weiteren Entwickelung bringen, oder sich mit voller Freiheit aller vorhandenen Baustyle und ihrer Ornamentik be- dienen. Die Aufgabe ist es, ein originelles, schdnes, organi- sches Ganze zu gestalten und zwar so, dass die zu wahlende Bauart keinem der schon bestehenden Baustyle speciell, wenig- stens nicht in seiner gegenwarltigen Entwickelung, angehdrt.“