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solcher Vorwiirfe in grossem Maassstabe auch Gelegenheit ge-
geben wurde, sich in verwickelten Compositionen und der Zeich-
nung von Charakter-Képfen hervorzuthun, so war doch immer
durch den Stoff selbst das Triviale hervorragend und eben durch
die meist einseitive Auffassung des Trivialen der Malerei ein
neuer Abweg erdffnet worden.

Wie es zu hoffen stand wurde dieser Weg, obschon an-
fangs von Vielen eingeschlagen, nach und nach nur noch ven
wenigen Kiinstlern betreten. Sie erkannien bald, dass hier
das héchste Ziel der Kunst unméglich erreicht werden kdénne,
wandten sich mit neuer Kraft und Begeisterung der Ausfiihrung
erhabenerer Gegenstinde zu, und jeizt ist es fast allein noch
Frankreich, der ewige Herd politischer Gahrungen, welches
uns Tendenz-Bilder zuschickt, die durch ihre Grésse und Art
der Ausfihrung in das Fach der Historien-Malerei eingereiht
zu werden sich anmassen méchten.

Aber nicht in den Kinstlern allein ist in jiingster Zeit ein
regerer Eifer zu Tage getreten, sondern auch die Menge, tber-
driissig der Wirren vergangener Tage, fiihlte sich von Neuem
zu den Gebilden der schénen Kunst hingezogen und nahrte fir
dieselbe ein frisches, fast schon verloren gegangenes Interesse.
In diesem letzteren hauptsdchlich ist der Grund der zahlreichen
Ausstellungen, welche vornehmlich in diesem Jahre allenthalben
veranstaltet werden, zu erkennen. Wohl wird dadurch, dass
dieselben in den verschiedensten Stadten des In- und Auslandes
statlfinden, den Kiinstlern Gelegenheit gegeben, ihre Werke
weiter zu verbreilen, lcicht aber entsteht dadurch, besonders
bei Gleichzeitigkeit, eine Zersplitterung und je nach Umstinden
massige Beschickung der einzelnen Ausstellungen.

Wenn daher gerade in Mainchen, von jeher geriihmt als
eine Mutter der bildenden Kiinste, die Anzahl der gelieferten
Gemalde und Bildwerke gering erscheinen méchte, so erklare
sich dies aus dem oben Gesagten, besonders wenn wir hinzu-
figen, dass in diesem Jahre die grosse Brisseler Ausstellung
viele Werke hiesiger Meister in sich aufgenommen hat,

Werfen wir einen Blick in unseren Catalog, so finden wir
denselben nach den Namen der Kinsiler alphabetisch geordnet.
Dadurch treten nattirlich die verschiedensten Gattungen von
Kunstwerken in buntem Gemisch nebeneinander und es mochte
daher nicht unwillkommen sein, eine statistische Uebersicht der
gesammten Leistungen voranzuschicken, an die sich dann leich-
ter eine Hervorhebung des Einzelnen nach der gegebenen Rei-
henfolge anschliessen wird.

Der Catalog umfasst im Ganzen, sammt zwei Nachtrigen,
488 Nummern. Davon kommen auf die Malerei der Historie
und religiéser Vorgange 20. Die Genre-Bilder zahlen 38 Num-
mern, die Portraits 12, die Landschafien 34, die Seesticke 6,
die Thier-Malerei 4, Blumen- und Frucht-Stiicke 2, Stillleben 1
und Architektur-Bilder 11. Yon Cartons sind 49 Nummern
verzeichnet, von Zeichnungen 95, von Kupferstichen und Li-
thographien, worunter auch eine Anzahl Photographien, 52. Es
bleiben demnach fir die plastischen Darstellungen 180 Nummern
рю. Unter der ganzen Menge der vorhandenen Arbeiten haben
35 die Franzosen, 9 hingegen die Niederlander eingeliefert.

Wir erschen aus dieser Zusammenstellung, dass unter den
Werken der Malerei des Genre und die Landschaft am stark-
sten vertreten sind, denen die historischen und religiésen Ge-
genstinde folgen, worauf die Nummern-Anzahl abnimmt, bis
das Stillleben mit cinem einzigen Bilde den Schluss macht.
	Gehen wir jetzt zu der Betrachtung der einzelnen hervorragen-
	den Werke, wie sic in den verschiedenen Fachern sich vor-
finden, tber.
	Die Malerei historischer und religidser Vorgiange.
	Das erste Bild, welches uns schon seiner Grdsse und seines
Figuren-Reichthums wegen beim Eintritt in die Sale det Aus-
stellung in die Augen fallt, ist von Carl Rahl in Wien ausge-
fihrt und hat zum Gegenstand den ,Einzug Konig Manfred’s in
Luceria*. Obschon dieses Bild schon friher, bei Gelegenheit
der diesjahrigen Dresdener Ausstellung, in diesen Blattern Er-
wahnung gefunden, kénnen wir doch nicht unterlassen, dasselbe
noch einmal der Betrachtung zu unterwerfen und zum naheren
Verstindniss den in ihm zur Veranschaulichung gebrachten hi-
storischen Moment zu wiederholen.

Manfred, First von Tarent, lebend um die Mille des 13.
Jahrhunderts, unehelicher Sohn Friedrichs Il, verweigerte bei
Uebernahme der Reichsverwesung fiir den unmtindigen Conradin
dem Papste Innocenz IY. die Eides-Leistung. Desshalb von
letzterem verfolgt, begehrte Manfred auf der Flucht vor den
Thoren Luceria’s Einlass. Nach kurzem Widerstande der Papst-
lichgesinnten wurde ihm derselbe gewahrt, die in der Stadt
befindlichen Sarazenen holten ihn im Triumphe ein, erhoben
ihn auf den Schild und riefen ihn zum Kénige aus.

Die Composition des Bildes zerfallt in drei Gruppen. Die
hervorragendste derselben bildet den Mittelpunkt, in dem uns
Manfred in der Ristung seiner Zeit, auf dem von krafligen Sa-
razenen getragenen Schilde sitzend, entgegenblickt. Da, dem
Charakter der Zeit angemessen, der Schild nur kleine Dimen-
sionen geslattete, erscheint der Held mehr auf den Handen der
Trager ruhend, die mit feurigen Blicken zu ihm emporschauen.
Solches thut nach unserem Gefiihle, entgegen der Ansicht des
Dresdener Berichterstatters, der Composition keineswegs Eintrag,
sondern bewirkt vielmehr bei den verschiedensten Stellungen
der unterstiitzenden Personen eine wohlthuende Mannichfalligkeit
und Abwechselung in der Gruppirung. Als zweiten Haupt-Theil
des Bildes bezeichnen wir die 4 Personen, welche zur rechten
Seite der Mittel-Gruppe im Vordergrunde hervortreten. Zu-
nichsl erblicken wir einen Greis, der, einen Knaben im Turban
mit der Linken umschlingend, mit erhobener Rechten nach dem
Helden hinaufweist, gleichsam des Knaben Aufmerksamkeit nach
diesem Punkte lenkend, um ihn auf die Bedeutsamkeit des Ge-
schehenen aufmerksam zu machen. An ihn reiht sich cine
Mutter, die mit angsilicher Sorge ihr Kind, ein holdes Madchen,
das mit unschuldigen Augen aus dem Gewihle der Menschen
herausschaut, zu beruhigen bemiiht ist. Die dritte Haupt~Ab-
theilung des Ganzen ist zur linken Seite des Mittelpunktes zu~
sammengestellt, Sie besteht aus vier Haupt-Personen. Halb
mit dem Riicken nach uns gewendet kniet ein Sarazene, der
dem neuen Kénige die Schltissel der Stadt emporreicht. Шт
mur Seite bringen zwei Manner desselben Stammes einen Ge-
fangenen der papsUlichen Partei gebunden herangeschieppt, von
denen der eine, das Schwerdt des Opfers mit kihner trotziger
Miene dem Sieger emporhaltend, zu fragen scheint, ob der Akt
blutiger Rache sogleich zu vollziehen sei. Die ubrigen Figuren
des Bildes hestehen theils aus Bestirzten, theils aus Neugierigen,
die sich in hunter Menge den Hauptgruppen anschliessen. Die
Anordnung des Ganzen ist in so fern cine héchst gelungene
zu nennen, als durch die hohe Stellung der Mittelfigur cine
Abstufung nach beiden Seiten hin bedingt ist und dadurch gleich
beim ersten Anblick eine fiir das Auge des Beschauers wohl-
thuende Symmetrie hervortrilt.

Die Farbung des Bildes ist harmonisch und von gutem Ein-
druck, ebenso gelungen die Vermittelung der einzelnen Tone
und die Vertheilung von Licht und Schatten. Ва zeichnei
sich dadurch vor vielen Historien- Malern der Neuzcit aus, dass
	er mehr auf ein gutes Zusammenwirken des Ganzen, als auf
ДБ *