ésulichere, nach seiner Entfernung gebaute Theil des Chors zcigt
im Ganzen die Nachahmung des franzésischen Vorbildes; Wil-
helm’s Zeichnungen und die von ihm herangebildeten Arbeiter
sind gebraucht worden. Allein daneben schleichen sich doch
wieder Einzelheiten des allenglischen Styls ein, die unter Wil-
helm’s eigner Leitung nicht vorgekommen waren; Gurten und
Archivolten sind mit dem Zickzack und dhnlichen Ornamenten
geschmiickt, die Basen ohne Eckblatt und auf runde Plinthen
gestellt, die slarken Sdulenstémme in der Krypta von Spiralli-
nien umgeben Wir sehen, wie sofort noch an demselben Bau,
in der ersten Generation der Schiiler des fremden Meisters der
einheimische Geschmack sich geltend macht. (Schluss folgt.)
	Па чи ФЗ Ее.
	La Vierge aux Langes.
	Sendschreiben an Herrn Kupferstecher Fr. Wagner
zu Nirnberg.
	Sie haben, verehrter Herr, in dem an mich gerichteten
Sendschreiben, das in No. 18 des deutschen Kunstblattes v. J.
1850 enthalien war, die schilzenswerthesten Bemerkungen tiber
jenes neu entdeckte Gemalde raphaelischer Composition,
welches sich im Besitz des Hrn. Wuyts zu Antwerpen be~
findet, und бег das Verhdltniss dieses Gemildes zu einigen
andern derjenigen Bilder, die dieselbe Composition behandeln,
gegeben. Empfangen Sie meinen Dank fiir die darin enthalte-
nen Belehrungen und zugleich fiir das Exemplar Ihres nunmehr
vollendeten Kupferstiches nach diesem Gemiilde, welches Sie
mir so eben freundlichst tibersandt haben und tiber welches Sie
eine 6ffentliche Aecusserung meinerseils verlangen. Eine Aeus-
serung der Art ist leicht oder schwer, jenachdem man es nimmt;
doppelt schwer, wenn man, wie ich, das Original nicht kennt.
Indess tragt das neuste Werk Ihres Grabstichels das Geprage
ciner solchen Gediegenheit, spricht aus demselben, von jenem
Originale unbedenklich und in voller Bestimmtheit auf Ihr Werk
iibergetragen, ein so charakteristisch eigenthiimlicher, in der
ganzen Arbeit sich gleich bleidender kiinstlerischer Geist, dass
es mich dennoch reizt, mich gegen Sie auszusprechen, wenn
auch zunachst weniger tiber Ihre Arbeit, als tiber das darin
so lebendig vorgefiihrte, mir fremde Original.

Denn in mehrfacher Beziehung gewahrt schon an sich diese
raphaelische Composition das lebhafteste Interesse. Es ist eine
der liebenswiirdigsten Variationen jenes einfachen, doch auf dem
Grunde des reinsten Gemiitthes und der achtesten Siltlichkeit
beruhenden Gegenstandes, darin Raphael nimmer ermidet und
dessen seelenvolle Einfalt dem hastigen Suchen und Nimmer-
finden der heutigen Kunstwelt gegeniber so unendlich beruhi-
gend wirkt. Die jungfrauliche Mutler in der sabbathstillen
Landschaft, niederknieend zur Seite des schlafenden Christus-
kindes, von dem sie mit der Rechten den zarten Schleier ab-
hebt, wahrend ihre Linke an dem Riicken des Johannesknaben
ruht, der, an sie geschmiegt und auf den Gespielen deutend,
zum Beschauer des Bildes hinausblickt, als fordre er diesen
mit auf zur Freade und zur Verehrung, — welch ein klarer
Wohllaul ist in diesen Formen und Linien, welch cin edles
Maass tiberall in dem Verhialtniss derselben, welch eine Zart-
heit der Motive, welche reine Stimmung in allen Elementen
des geisligen Ausdrucks! Nichts giebt vielleicht einen deulli-
cheren Aufschluss tiber dic durchherrschend feine Empfindung,
als wenn wir diese Composition mit einer nachstverwandten ver-
gleichen. Das kleine raphaelische Bild der Vierge au diadéme
	im Pariser Museum enihalt fast vollstandig @аезефеп Сотро$!-  
	иоп5 - Метшеще; арег wahrend jenes Werk tberall von der
zartesten Jungfrdulichkeit durchhaucht ist, tritt uns hier in je-
dem Zuge eine markige, fast méchte ich sagen: heroische Ener-
gie entgegen. Der schlafende Christusknabe hat sich mehr seit-
warts geworfen; die tiber der Stirn ruhende Hand scheint es
anzudeuten, dass es drinnen sich schon wie Traume kinftiger
Gedanken bewegt. Die jungfrauliche Mutter ist cine kéniglich
erhabene Gestalt geworden, der das Diadem auf ihrem Haupte
wohl ziemt; sie sitzt knieend, einer Kénigin des Orientes gleich,
in entschieden ausgesprochener Stellung vor dem Kinde, hebt
den Schleier mit starker, gerader Bewegung empor und halt
den Johannesknaben ebenso bestimint umfasst. Auch dieser hat
	alles Spieles in seiner Stellung und aller Wechselbeztige уег-
	gessen; auch er liegt bestimmt aul die Kniee geworlen da, nur
zur Anbetung des Genossen hingewandt. Aeusserlich ist fast
Убе derselbe Inhalt in beiden Compositionen; innerlich sind
die wesentlichsten Unterschiede wahrzunehmen: — in dem einen
Bilde Alles noch erst wie von ahnungsvollen Gefihlen umspielt,
in dem andern Allies mit dem Stempel bewusster Ueberzeugung
versehen.

Dann hat die von Ihnen gestochene Composition ein andres
Interesse dadurch, dass sie zu dem Kreise derjenigen Erfin-
dungen Raphaels gehért, die vielfach, zur Zeit des Meisters
oder bald nach ihm, von verschiedenen KitinsUlerhanden wieder-
holt worden sind. Dies Interesse verkniipft mit dem Kunstge-
schichtlichen das Culturgeschichtliche; man fthlt es deuilich,
wie die Werke, bei denen dies geschah, die Gemiither der Zeit-
genossen angeregt hatten, wie schon von vornherein der Trieb
da war, das vorziiglichst Anregende nach Méglichkeit zu einem
Gemeingut zu machen. Doppelt interessant wird es in solchem
Fall —- und auch der in Rede stehende gehért dahin, — wenn
eine charakterislisch eigenthtimliche, vielleicht nicht blos einer
fremden Schule, vielleicht selbst einem fremden Lande angehd-
rige Individualitat mit in den Reigen dieser vervielfalligenden
Krafte tritt, wenn man in solcher Weise die Wirkung des ori-
ginalen Meisters in weitere und weitere Kreise augenschein-
lich hinausgetragen, seine befruchtende Schépferkraft im fernen
Boden neue Bliithen hervorbringen, seinen Geist in der cha-
raktertstischen Umbildung seines Werkes neu verkdrpert sieht.
Ich glaube, dass solche Verpflanzungen und Uebertragungen
kiinsllerischer Ideen nich! minder interessant und nicht minder
folgenreich sind, als ahnliche Verhallnisse in den Dingen der
Naturhistorie.

Sie hatten in Ihrem Sendschreiben bereits verschiedener
andrer Exemplare der Composition, welche Sie nach dem Ant-
werpener Bilde gestochen, gedacht; Sie werden inzwischen viel-
leicht bemerkt haben, dass Passavant, in seinem Werke tiber
Raphael (II, $.82) derer, ausser dem Original-Carton, eine
doppelt grosse Anzahl auffaihrt. Den acht von Passavant ge-
nannten Gemalden reiht sich das von Ihnen bekannt gemachle
Antwerpener Bild als ein neuntes an. Es miissle im héchsten
Grade belehrend und unterhalltend sein, wenn es méglich ware,
dicse Reihenfolge gleicharliger Gemalde in cinem und demselben
Raume zusammenzustellen und sie ciner ausfiihrlichen verglei-
chenden Kritik zu unterwerfen. Das geht freilich nicht, und
wir miissen uns daher, wollen wir zu einem derartigen Ver-
gleiche gelangen, einstweilen an den Kupferstichen nach diesen
Bildern, so viel wir davon auftreiben kénnen, gentigen lassen.
Ich habe zu diesem letzteren Behufe das Thunliche versucht,
aber Ihrem Stiche doch nur den von Longhi und Toschi nach
dem bei Brocca in Mailand befindlichen Bilde und den von Frey
nach dem Bilde in der Galerie Esterhazy zu Wien zur Seite
stellen kénnen. Der Stich von Gio. Folo nach dem Bilde,
welches aus der Sammlung Lucian Bonaparte’s in das Haager