den spdteren mit grosserer Sicherheit und schon mit reicherem Schmucke angewendet, Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man bei einzelnen die+ ser Bauten, ebenso wie bei dem von Canterbury, franzésische Architekten zuzog. Die normannischen Gebieter Englands wa- ren noch in allen geistigen Beziehungen Franzosen, Richard Poore, der Griinder der Kathedrale von Salisbury, war selbst aus der Normandie gebiirlig, auch findet sich wirklich von ihm bemerkt, dass er beriihmte Werkleute von jenseits der See herbeigerufen habe ). Diese Verbindung erkiart einigermaassen die schnelle Ausbreilung des neuen Styls. Allein dennoch un- terscheidet sich dieser frihgothische Styl der Englinder (von den einheimischen Sehriftstellern early-english, frithenglisch, genannt) sehr wesentlich yon den gleichzeitigen Bauten des Continents und namentlich von den franzésischen. Er behielt Vieles aus den bisherigen architektonischen Gebrauchen der In- sel bei und nahm auch in den Details eine ganz andere Rich- tung an. Schon der Grundplan ist sehr ecigenthiimlich. Die Rundung des Chors und daher auch Umgang und Kapellenkranz sind fortgefallen. Langhaus und Chor haben eine bedeutend gréssere Linge, die Kreuzarme eine viel geringere Ausladung. Diese sind dagegen verdoppelt und dem ganzen Chorschlusse ist gewOhnlich noch eine viereckige Kapelle angefiigt. Das rhytmische Verhaltniss der einzelnen Theile des Grundplans, das sich auf dem Continente entwickelte, fehit daher oder ist gelahmt. Auch das Verhaltniss der Hohe ist ein anderes, die Kirchen sind an sich niedriger®) als jene und erscheinen es wegen ihrer grésseren Linge rioch mehr. Dabei haben die Kreuzarme eine viel geringere Bedeutung, das ganze Gebiude ist weniger concentrirt, sondern erscheint lang und ausgereckt. Der grosse Thurm auf der Vierung des Kreuzes, welcher im gothischen Style des Continents verschwand, ist hicr meistens beibehalten, wahrend Doppelthiirme auf der Fagade selten vor- kommen. Zum Theil hingen diese baulichen Abweichungen mit den geistlichen Einrichtungen der Insel zusammen; da hier die meisten Bischofssitze zugleich Kloster waren und mithin einen zahlreicheren, theils aus Minchen, theils aus Weltgeistlichen bestehenden Chor halten, gentigte die auf dem Continente her- gebrachte Form des Chors nicht; man brauchte Absonderungen und mehrfache Eingainge, und kam dadurch auf die Anlage des langeren Chors und zweier Kreuzschifle. Indessen war diese Form, wenn auch mit Ricksicht auf die kirchlichen Verhaltnisse entstanden, doch jedenfalls auch ein Produkt des britischen Ge- schmacks und fand daher auch bei anderen nicht bischéflichen Kirchen durchweg Anwendung. Der im Jahre 1245 ~begonnene bedeutende Bau der dstlichen Theile der Westminster - Abtei in London macht zwar eine Ausnahme; er ist aber auch in der Choranlage und in den Verhaltnissen der Arkaden vdllig fran- zosisch und mag daher unter Zuziehung franzdsischer Meister enistanden sein, Abgeschen von der Verschiedenheit des Grund- planes bildet sich der englische Styl aber auch sonst, in den Dingen, die rein dem Geschmack und der Form angchéren, ab- weichend aus; die Neigung zu scharfen Contrasten, zu lincaren Verzierungen, cine gewisse einténige Consequenz, welche Ueber- ginge und Abwechselungen vermeidet, machten sich auch in 4) Winkler Cathedrals I. p. 2, Die Nachricht ist aus einem Schriltsteller des 16. Jahrhanderts (Godwyn) entnommen. 2) Die Kathedrale von Salisbury hat bei einer Breite (der drei Schiffe in Lichten des Gebaudes) yon 78 Fuss eine Hobe von 81 Fuss. Die Kathe- drale von York erhebt sich zu ciner Hohe von 92 Fuss. Westminsterabtei zu einer solchen yon 101 Fuss. Die beiden letzten Kirchen gehéren aber in ihren oberen Theilen der folgenden Epoche an. Dagegen erreicht keine der anderen Kathedralen die Hohe von Salisbury und viele bleiben bedeu- tend darunter. * den gothischen Bauten, wie friher im romanischen Styl, gel- tend. Der Spitzbogen wurde in seiner strengsten Form, steil, lancetformig, angewendet, wiihrend die Héhe des ganzen Baues verhaltnissmassig nicdrig blieb, und auch die Details keineswegs ein gleiches Aufstreben zeigten. Die Durehfilrung hoher Dienste, welche vorzugsweise geeignet ist, diesen vertikalen Charakter auszusprechen, war zwar auch in Frankreich in der Frihzeit des gothischen Styles aufgegcben; allein die Dienste des oberen Gewélbes ruheten hier doch auf dem Kapital des Pfeilers, bildeten mit dem Stamme der vorderen Saule ein ide- elles Ganze. Hier dagegen stittzte man sie auf Kragsteine, die weit oberhalb der Kapitéle, gewdhnlich erst in den Zwickeln der Triforienbigen angebracht wurden, so dass der Zusammen-— hang der Gewélbe mit den Pfeilern und somit der Grundge- danke des Vertikalsystems véllig verdunkelt wurde. Die Pfeiler selbst bestanden zwar auch hier, wie in Frankreich, aus einem slarkeren Kern mit mehreren ihn umgebenden schlanken Saulen. Allein diese kleinen Siulen wurden hier oft monolith, aus ein- heimischem Marmor gebildet und dann, um diesen edeln Stoff deutlicher zu zeigen, ziemlich weit entfernt, frei und mit kecker, liberraschender Schlankheit um den Kern herumgestellt. Auch da aber, wo man den Pfeiler zusammenhangend bildete, wur- den doch die Héhlungen schon in diesem friitheren Style sehr bedeutend vertieft, so dass die voriretenden Dienste sich mehr vereinzelt, als in den continentalen Bauten, darstellten. Bei den Kapitalen verzichtete man zunachst auf den Blitterschmuck und auf die schéne Form des korinthischen Kelchs; es scheint, dass die alte Scheu der englischen Werkleute vor freier Pla- slik die Neigung fiir das Lincare entgegenstand. Man gab viel- mehr den Kapitélen die niichterne Gestalt eines niedrigen, we- nig ausladenden Kelches, der nur mit mehreren Ringen verziert wurde. Ganz ahnlich wurde die Basis behandelt; ein Ring ver- trat auch hier die Stelle des kraftigen Pfihls. Die Bogen sind zwar ziemlich reich, aber minder kraftig profilirt, dagegen hiufig in den Hoéhlungen mit Zickzack oder Sternornamenten ausgestattet, cine nicht ungefillige Verzierung, die aber mit dem Gedanken der verticalen Gliederung nicht wohl im Ein- klange steht. Triforien wurden beliebt, die alte Neigung, die Wandflachen zu fillen, sprach zu ihren Gunsten. Dagegen war bei ihnen, wie bei den Fenstern, dic Entwickelung des Maass- werks durch die steile Form des Lancelbogens sehr erschwert. Wollte man zwei oder mehrere kleinere Lancetbégen durch einen gleichartigen grésseren Bogen umfassen, so wiirde die ganze Fi- сиг еше fiir die Bedeutung des Theiles unverhaltnissmassige Hohe erhalten haben. Bei den Oberlichtern verzichtete man daher auf solche Ueberwélbung, und stellte zwei oder drei lancetformige Fenster neben einander als eine schwach verbundene Gruppe, deren vereinzelte Spitzen gegen den Schildbogen der Gewdlbe anstreben. Auch die Triforien besteheu in den friheren Bauten dieses Styles aus einer Reihe unbedeckter Lancetbégen, spater verband man diese paarweise, musste sich nun aber entschlies- sen, den tiberdeckenden Bogen minder steil zu halten und bil- dete ihn in Ermangelung eines anderen Gesetzes als eine Ver- langerung der ausseren Bogen der zu umschliessenden Arka- den, Dadurch ging denn aber die Selbstindigkeit dieser inneren und kleineren Arkaden und somit das gesetzliche Verhaltniss derselben zu den grésseren Bégen, aus welchem sich das Maasswerk erzeugen sollte, verloren; man begniigte sich da- her, einen einfachen Kreis oder eine Raute in dem ohnehin ziemlich beschrankten Bogenfelde oberhialb der kleineren Ar- kaden anzubringen. Die Querwande auf der Westseite am Chor- schluss und in den Kreuzarmen bedurften zwar grésserer Fen- ster, bei denen eine dem Maasswerk abnliche Verbindung der Pfosten nothwendig war. Allein auch hier hinderte die Lan- AG *