Reihen zu ordnen, man suchte den Schmuck in der Menge
der Details oder brachte ihn beliebig in den Liicken an, welche
die Construction itbrig liess, ohne sich um seine organische
Verschmelzung mit demselben zu bemiihen.

Die massigen und verstindigen Verhaltnisse, die ` Вере!
missigkeit dieser Bauten, ihre fast gesuchte Schmucklosigkeit,
die slolze Form der Lancettbégen, die Naivetét und Anmuth der
Details machen einen nicht ungiinstigen Eindruck und geben
ein Bild der slrengen und ristigen Ritterlichkeit. Aber die
volle kraftige, zugleich kinstlerische und religidse Schdnheit,
die griindliche Durchbildung des Grundgedankens, die wunder-
bare Vereinigung mannigfaltiger selbstandiger Einzelheiten zu
einem belebenden Ganzen, mithin die wesentlichsten Eigen-
schaften des Styls, wie er sich in den franzésischen und deut-
schen Kirchen entwickelte, suchen wir hier vergebens.
	Ueber das eherne Denkmal des Kurfiirsten Johann Cicero
in der Domkirche zu Berlin und dessen Bezichung zu
Peter Vischer.
	Wie die Bronzen zu Rémhild, йЪег deren kunsigeschicht-
Неве Stellung ich kirzlich ) meine Ansicht in diesen Blattern
niedergelegt habe, so hat auch das in der Ueberschrift genannte
Werk ein sehr eigenthimliches Verhaltniss zu Peter Vischer’s
kiinstlerischer Thatigkeit. Auch tiber dies besitzen wir eine
verdienstliche Schrift, welche die dabei zur Sprache kommen-
den dusseren Beziehungen in erfreulicher Weise feststellt: —
»Forschungen im Gebiete der Vorzeil, HeftI: Das
Grabmal des Kurfiirsten Johannes Cicero von Bran-
denburg in der Domkirche zu Berlin, ein Kunstwerk
von Peter Vischer dem Aelteren in Niirnberg, been-
digt von seinem Sohne Johannes Vischer. Von M.
F. Rabe, Professor und Mitglied des Senats der ké-
nigl, Akademie der Kiinste und kénigl Schlossbau-
meister. Berlin, 1843.* (395. und 4 Kupfertafein in
Quart.) — Auch hier aber macht sich, bei naherer Betrach-
tung des Denkmales und in Beriicksichtigung der urkundlichen
Daten tiber dasselbe, die ktinstlerische Beschaffung und ihre
Geschichte als ein Problem geltend, welches diese Schrift mei~
ner Ansicht nach nicht gentigend lést. Ich gebe im Folgenden
das Resultat meiner Beobachtungen und Schlisse.

Das Werk ist ein Doppeldenkmal, eines ther dem andern.
Dass beide combinirte Denkmaler aber nicht verschiedenen
fiirstlichen Personen (wie bisher zumeist angenommen wurde),
sondern beide dem Kurfirsten Johann Cicero, der im Jahre
1499 gestorben war, gewidmet sind, hat Hr. Rabe iiberzeugend
nachgewiesen. Ebenso, dass wir es hier (héchst wahrschein-
lich wenigstens) nur mit Produkten der Vischer’schen Giesshiitte
zu thun haben und dass der Antheil eines in Berlin ansassigen
burgundischen Stickgiessers Matthias Dieterich an seiner Aus-
	  fihrung und die зраеге Хеш dieser seiner Betheiligung an der
	Arbeit abgewiesen werden muss. Die Rabe’sche Schrift, in
der auch die dusseren Schicksale des Denkmales, das friher
im Kloster Lehnin stand, berichtet werden, enthalt die nahere
Darlegung aller hieher beztiglichen Verhiltnisse.

Beide Denkmiler, aus denen das Ganze zusammengesctzt,
ist, sind im ktinstlerischen Style wesenllich von einander ver-
schieden, der Art, dass die verschiedene Zeit ihrer Ausfihrung
sofort ersichtlich wird. Das untere Denkmal ist eine grosse,
aus fiinf Stticken zusammengesetzte Platte in sehr flachem Re-
lief. In der Mitte derselben, als isolirtes und auf das Uebrige
	1) Deutsches Kunstblatt. 1851. Nop. 41.
	cetform die Entstehung eines lebendigen Gesetzes. Man be-
gntigte sich daher in den friheren Bauten auch hier mit Grup-
pen lancetférmiger Fenster, die allenfalls durch eine vorge-
stellte Sdulenstellung verziert wurden, und ging erst spater zu
wirklichem, aber sehr unorganischem Maasswerk tiber.

Im Aeussern fallt zunichst die Beibehaltung der flachen
Dacher als cine Inconsequenz gegen die steile Gestalt der Spitz-
bégen ins Auge. Die Strebepfeiler sind zwar stark, aber mit
wenigen oder gar keinen Abstufungen versehen, sie erheben
sich nur wenig tber das Dachgesims der Seitenschiffe und bre-
chen hier ab, ohne die Bekrénung durch eine Fiale zu erhalten.
Ebenso sind die Strebebégen, wenn sie, was bei der massigen
Hohe der Oberschiffe nicht immer néthig war, tberhaupt vor-
kommen, schmucklos. Die constructive Bedeutsamkeit dieser
Theile aussert sich nur in ihrer nitizlichen Funktion und wird
nicht, wie auf dem Continent, zur charakteristischen Zierde.
Dazu kommt, dass die niedrigen Dicher noch oft von Zinnen
umstellt sind, welche sie noch verdecken. Die ganze Bekré-
nung des Gebaudes giebt demselben mehr das kriegerische An-
sehen einer stattlichen Burg, als dass sie den constlructiven
Gedanken des Aufstrebens in allen Beziehungen und in reicher
Fille entwickelte.

Die Kreuzschiffe erhalten meistens keine Portale und daher
auch nicht die Bedeutung einer Fagade. Die Westseile der
Kirche wird zwar gern reich geschmiickt; aber ihre Portale
sind niedrig, selten mit Bildwerk ausgestattel oder mit Spitz-
giebeln bekrént und die oberen Theile werden nur mit hori-
zontalen Reihen von Fenstern oder Arkaden bedeckt. Die Ver-
schiedenheit der einzelnen Facgaden ist zwar grésser als in
Frankreich; die Meisten haben sich also viel mit ihnen be-
schaftigt, aber die Bedeutung dieses Theils der Kirche scheint
ihnen nicht klar geworden zu sein, sie kommen tiber ein schwan-
kendes und unsichres Suchen nach Detailformen des Schmucks
nicht hinaus. Die Rosa, dieser charakterislische Ausdruck des
Einheitsgedankens auf der Schauseite der Kirche, fand hier keine
Aufnahme, eine Gruppe von Lanceltfenstern oder im spaleren
Style ein einzelnes, kolossales Spitzhogenfenster nahm ihre
Stelle ein.

Man begreift, dass dieser Styl sich rascher und gleich-
miissiger ausbilden konnte, als der franzésische; er erleichterte
sich die Aufgabe, entzog ihn aber ihre Tiefe. Die Schwierig-
keiten, mit welchen die Architekten dort kampften, wurden hier
kaum geahnt. Das Bestreben, die constructive Bedeutung der
Glieder festzuhalten und in organischer Weise zum Ornament
zu entwickeln, der Wunsch, jedem ecinzelnen Gliede seine volle
gediegene Kraft und Schénheit zu geben und doch alles Ein-
zelne zu einem Ganzen zu verschmelzen, wurde hier nicht em-
pfunden. Wie viele Versuche machten die Meister von Chartres,
Rheims, Amiens und ihre Zeitgenossen, um die richtigen Ver-
haltnisse zwischen Stamm und Kapitél an Kernpfeilern und an-
liegenden Sdulen zu finden, wie schwer wurde es ihnen, die
schéne Form des korinthischen Kelchs aufzugeben, wie ernst-
lich suchten sic das Bedtirfniss einer organischen Begriindung
der Gewélbstiitzen mit jenen Anspriichen an die Saulenform
auszugleichen: Hier war man sogleich dieses Kampfes iiberhoben,
мет man sich mit niedrigen, schmucklosen Ringkapiltalen be-
gniigte, ihnen liberal! gleiche Héhe anwics und die Gewdlb-
diensle auf Kragsteine stellte. Ebenso leicht machte man es
sich mit der Ausbildung des Maasswerks, sowie der Fialen und
Spitzgiebel, mit der consequenten Durchfiihrung des Grundplans,
mit dem Schmucke von Portalen und Fagaden. Man [ап4 етеп
poetischen Reiz in der Form des Spitzbogens, namenilich т
dem lancettformigen, dic so kriegerisch, stolz, unbeugsam ет-
	porstarrte, man liebte diesen Bogen nur zu verviellaltigen, in