Die Inschrift des Joh. Vischer vom Jahre 1630 sleht nun
freilich am Rande der unteren Platte, die jedenfalls, und min-
destens doch um zwanzig Jahre, alter ist. Wir werden eben
annehmen miissen, dass er es fiir bescheidner hielt, sich am
Fuss des Werkes, als an einem der oberen Theile zu nennen,
und dass durch die Hinzufiigung des grossen oberen Denkma-
les die selbstandige Bedeutung des unteren aufgehoben schien.
Wir werden aber, wie ich glaube, hieraus auch schliessen
dirfen, dass das untere Denkmal nicht eine vollkommen eigen-
hindige Arbeit P. Vischer’s war; denn wire dies der Fall ge-
wesen, so wiirde der Sohn sich diese Stelle fir seinen Na-
men doch wohl gewiss nicht ausgesucht haben, ohne auch in
diesem Fall eine Hindeutung auf die friihere Betheiligung des
Vaters hinzuzufiigen. Dass das untere Denkmal aber doch aus
P. Vischer’s Hiitle hervorgegangen war, scheint mir, abgesehen
yon den Eigenthimlichkeiten seiner Behandlung, aus dem Briefe
P. Vischer’s zu erhellen, indem derselbe eine alte Bekanntschaft
mit dem Werke verrath. Dass P. Vischer einen néheren Einfluss
auf die Beschaffung des Modells, als auf die des Modells zu dem
oberen Denkmal, ausgettbt, geht dann aus der ungleich grésseren
kiinstlerischen Gediegenheit des unteren hervor; und hieraus
scheint auch zu folgen, dass Joh. Vischer nicht etwa schon das
untere Denkmal gefertigt hatte, eine Voraussetzung, die allerdings
durch die Inschrift begtinstigt scheinen kénnte, — man miisste denn
annehmen wollen, dass er im Laufe jener zwanzig Jahre, nach
ausgezeichneten jugendlichen Anfangen, erheblich zurickge-
schritien sei. К. Kugler.
	hic. L
	Gaumnstliteratur.
	Schwierigkeiten. Worin hatte die Beendigung des Werkes be-
standen? im Guss des ferlig modellirten Werkes? oder in Theilen
des Modelles selbst? und in welchen Theilen? Die Fragen
médchten kaum zu beantworten sein. Noch bedenklicher aber
scheint es mir, die Inschrift ohne Weiteres anzufechten. Peter
Vischer soll der eigentliche Meister sein und Johann also nur
ein sehr sekundires Verdienst um das Werk haben; und doch
nennt der letztere sich ohne Weiteres als den, der das Werk
gemacht hat, nennt sich so an einem Werke, welches der
Hauptsache nach von seinem hochgefeierten Vater herrihren
soll, nennt sich so unmittelbar nach des Jetzteren Tode, nennt
sich so dem firstlichen Hofe gegeniber, der das Werk bei
dem Vater bestellt hatte. Wir miissten erst sehr unverdachtige
Zeugnisse itiber Johann Vischer’s moralische Unwiirdigkeit und
liber die Beschranktheit seines Verstandes haben, wenn uns das
einleuchtend werden sollte. Endlich, was das noch ungleich
Wesentlichere anbetrifft: die Hauptsache an dem oberen Denk-
mal, die Gestalt des Kurfirsten, ist von so untergeordnetem
Kunstwerth im Verhéaltniss zu Peter Vischer’s unzweifelhafien
Arbeiten, dass sie auch ohne die Inschrift, die uns den Sohn
als Urheber nennt, nicht als sein Werk gelten kénnte. — Uns
bleibt nach alledem, in Betreff des grossen (oberen) Denkmals
nur die Annahme: dass Peter Vischer den Antrag zur Ausfiih-
rung desselben allerdings erhalten und angenommen hatte, dies
letztere aber vielleicht von vornherein nicht als erfindender
Kiinstler, sondern als Leiter seiner Giesshiitte (eine Annahme,
die durch die Schlusswendung des Briefes vom Jahre 1524 doch
nicht unbedingt ausgeschlossen wird,), dass er die eigentliche
Arbeit, zu der er immerhin einen flichtigen Entwurf geliefert
haben mochte, von vornherein seinem Sohne Johann tberliess,
dass dieser sie durchfiihrte und daher schliesslich auch sei-
nen Namen, ohne Krankung der Ehre seines Vaters und ohne
anmaassliche Verwegenheit gegen den brandenburgischen Fir-
stenhof, darauf setzen durfle.

Dabei hatte die Arbeit von vornherein ihre eigenthiimliche
Schwierigkeit, indem ein schon vorhandenes einfacheres Denk-
mal mit dem neu auszufiihrenden grésseren combinirt werden
sollte. Jenes war ohne Zweifel bald nach dem Tode Joh. Ci-
cero’s, wahrend Joachim I. noch minderjéhrig war, gefertigt
worden und vielleicht erst zwanzig Jahre spater scheint das
Begehren nach reicherer Ausstatlung desselben entstanden zu
sem, Hr. Rabe halt nur die (isolirte) Figur des Kurfirsten auf
dem unteren Denkmal fir den Rest dessen, was von dem vor-
handenen beibehalten wurde, eine Ansicht, mit der ich wieder
nicht tibereinstinmen kann, indem, meiner obigen Darstellung
zufolge, das ganze untere Denkmal in sich zu ttbereinstimmend
und von dem Style des oberen zu verschieden ist; auch kommt
hinzu, dass die Basen der Pfeiler, welche das obere Denkmal
tragen, mit den Linien der unteren Platte nicht genau corre-
spondiren, auch jene gothischen Roselten keine ganz angemes-
senen Plinthen fiir die Lowen abgeben. Ich muss also das ganze
untere Denkmal als das altere und schon vorhanden gewesene
betrachten und finde dies auch in dem Briefe P. Vischer’s
vollkommen bestatigt, indem hierin dem ,Grab“ oder ,Be-
grabniss“ (dem anzufertigenden oberen Denkmal) die , Tafel“
(das untere) entgegengesetzt wird, von deren , Form“, , Stel-
lung“ und ,Geschicklichkeit* P. V. dies oder das vergessen
habe und darum die Riicksendung einer der Zeichnungen, die
er dariiber entworfen, erbittel. Sich so einem gegebenen Werke
mit dem neuen zu accomodiren mochte aber schon den Kinst-
ler wenig reizen und mit ein Grund sein, wesshalb er der eig-
nen Ausfihrung sich nicht hingab ).
	1) Ist die Annahme, dass die Zahlung der 200 Gulden eine Abschlags-
	Fhorwaldsen s Museum, beschrieben. vom
	Muller, Inspector des Museums,
	Thorwaldsen hatte in seinem Testament bestimmt, dass ein
genaues Verzeichniss aller zum Museum gehdrigen Kunstsachen
verfasst und gedruckt werden sollte. Die Aufgabe des Verf.
bestand aber nicht blos darin, ein Inventarium tiber die vor-
gefundenen Gegenstinde, welches zur Controle dienen kénnte,
zu verfassen, sondern die Sammlung vornehmlich dem Kunst-
freunde und Gelehrten sowohl im In- als Auslande zuginglich
zu machen. Er musste deshalb die Gegenstinde so genau be-
schreiben, dass man sich selbst in der Ferne, wo man nur
Abbildungen, ja selbst nur ahnliche Gegenstande zu seiner Ver-
fiigung hatte, eine Vorstellung von dem Beschriebenen bilden
kénnte; aber vor Allem mnsste er Die, welche die Sammlungen
benutzen, mit allen den historischen Erlauterungen versehen,
welche fiir nothwendig erachtet werden michten. Wir glauben,
dass der Verf. seine Aufgabe in befriedigender Weise gelost
habe, und wollen in Kiirze die verschiedenen Abtheilungen
durchgehen.

Die erste Abtheilung enthalt ein genaues Verzeichniss von
Thorwaldsen’s eigenen Staluen, Basten und Reliefs im Museum,
mit Hinzufigung der Zwecke der Kunslwerke, Angabe der Zeit,
wann sie modellirt sind, der Bestimmungsérter derselben und
dariiber, wo sich die vom Kistler selbst oder unter seiner
Aufsicht ausgefihrten Exemplare vorfinden. Die hislorischen
Erlauterungen sind vorziiglich aus Thiele’s, des bekannten Thor-
waldsen’schen Biographon, Arbeiten genommen. Hierzu geho-
ren auch Grundrisse von den zwei Etagen des Museums.
	zahlung auf das, uoch gar nicht begonnene grosse Denkmal gewesen sei,
richtig (wie sie es in der That 2u sein scheint), so kann man auch darauf
die nicht ganz unwabrscheinliche Vermuthung gréinden, dass der Kurfirst
mehr auf die Ausfiihrung des Werkes drangte, als P. Vischer selbst Trieb

und Lust dazu fthlte.