Heerd gelehnt, auf dem wenige glimmende Kohlen eben zu verlé- schen scheinen. Sein Haupt ist gesenkt, der weiss-blonde Bart fallt auf die Brust herab und in seinen alten gramdurchfurchten Zigen zeigt sich der Ausdruck gréssten Schmerzes und vollkom- mener Ergebung. Sein Weib, hinter dem Heerde stehend und mit der Rechten auf denselben gestiitat, blickt auf den Gatten herab, indem sie die bekannten Worte des Unmuths ausspricht und zu- gleich durch eine Bewegung der Linken die Geste des Zweifels und Vorwurfs anzudeuten scheint. Rechts und links von dieser Miltelgruppe sehen wir die drei trauernden Freunde. Der cine zur Rechien erscheint uns vollkommen im Profil, wéhrend die zwei ubrigen, ihm gegeniiber einen grésseren Theil der Ge- sichler uns zuwenden. Ueber die alten ehrwiirdigen Ziige dieser drei Personen ist die héchste Lethargie des Schmerzes und tiefen Mitleides ausgegossen. Das Bild zieht uns an durch die Einfachheit und Verstind- lichkeit der Composition, sowie durch den tiefen Ernst, welcher der ganzen Auffassung zu Grunde liegt. Die Farben der ein- fachen Gewander sind bestimmt gewahlt, und da der Effekt des Bildes durch die Wahl einer glinzenden Beleuchtung gesteigert ist, machen dieselben, zufolge ihrer harmonischen Zusammen- stellung, eine vortreffliche Wirkung auf das Auge des Be- schauers. In der technischen Behandlung tritt uns, indem bei pastosem Farbenaultrag das Bild fast nur Prima gemalt ist und Lasuren méglichst vermieden sind, der Ausdruck einer ur- spriinglichen Empfindung entgegen. Es ist dieses Gemilde, ausser der Darstellung eines Madchens im Bade von Lepaulle, auf das wir spater zuriickkommen werden, das einzige unserer Ausstellung, in dem eine solche Behandlung besonders der Car- nation in Anwendung gebracht ist. J. B. Miller in Minchen wahlte zum Vorwurf ,Jeremias auf den Triimmern von Jerusalem“. Jeremias ist dargestellt auf einem Steinhaufen sitzend und von den Triimmern der zerstérten Stadt umgeben. Den Blick gen Himmel gewandt, die Hinde im Schooss gefaltet und neben sich cine Papyrusrolle, erscheint uns in ihm mehr der ernste Dichter und Denker als der vom ungliick- lichen Schicksale seines Vaterlandes niedergedriickte Patriot. Der schwarze dichte Bart, der scharfe Schnitt seines Gesichts und eine dunkle, braéunliche Hautfarbe charakterisiren vollkommen den Ty- pus seines Stammes. Der Kérper ist in ein braunes Gewand gehiillt, welches von den Lenden abwiarts durch den dartibergebreiteten gelblichen Burnus verdeckt wird, und um die Stirne schlingt sich cin weisses, an den Randern roth eingefasstes Tuch, das seine finstere Ziige giinstig hervortreten 18554. Die technische Behandlung ist sorgfaltig, nur wire mehr Modifikation in der Ausfiihrung des Hintergrundes zu wiinschen gewesen und der durchgehend violette Ton desselben zum Vor- theile des Ganzen leicht vermieden werden kénnen. Einen Stoff aus unserer deutschen Geschichte behandelte Alexander Bruckmann, Professor in Stullgart, indem er uns »Thusnelda mit ihrem Séhnlein Tumelicus in rémischer Gefangen- schaft* vorfiihrt. Wir sehn Thusnelda in einer rémischen Land- schaft sitzend und die Arme durch Kelten verbunden, die ihr Sohn, ein nackter, mit dem Riicken nach uns gewendeter Knahe, in den Handen halt, um, wie es scheint, die Festigkcit derselben zu priifen. Die Figur des Weibes, in Lebensgrésse ausgefihrt, zeigt mehr die Darstellung eines schénen Modells, als die einer durch Enthehrung und Demiithigung niedergedrickten Gefange- nen. Ihr Kopf, als der einer Deutschen, durch hellblondes Haar charakterisirt, blickt fast heiter zu uns herab und lasst vergebens in den Mienen eine Andeulung der erduldeten Schicksale suchen. Gehen wir jetzt zur Besprechung derjenigen Gemalde, in denen religidse Vorgange zur Behandlung gebracht sind, uber. (Fortsetzung folgt.) Goethe und Schiller und thr gemeinsames Denk mal. Wenn wir der grossen Manner im Bereiche des geistigen Schaffens gedenken, die den deutschen Namen schin und licht gemacht haben, wenn wir vor Allen zu Goethe und zu Schil- ler mit liebevoller Verehrung aufblicken, so ist es insbesondre ein Punkt, eine giinsligste Fiigung des Geschickes, die immer und immer wieder unser freudiges Nachsinnen in Anspruch nimmt. Es ist die herzliche Freundschaft, das innige Zusam- menwirken jener beiden Gréssten, daraus die tiefgreifendsten Erfolge hervorgegangen sind. Naturen von fast entgegenge- selzter Beschaffenheit, zu Anfange fast feindlich einander ge- geniiberstehend, trafen sie sich, als jeder von ihnen fahig war, die grosse Aufgabe des andern zu begreifen, jeder bereit, dem andern zuzulragen, was das Leben des Geistes ihm bis dahin an eigenthiimlicher Erfahrung gegeben. Schnell schloss sich zwischen ihnen ein Band, wie es bis dahin nicht gekannt war. Gemeinsam gingen sie mit unverdrossener Sorge den Geselzen des Schaffens nach; gemeinsam, einer durchaus fiir den andern einstehend, traten sie in den siegreichen Kampf gegen die Uebermacht des Schnéden und Schlechten; gemeinsam trugen sie einander bei Hervorbringung des Schénsten und Edelsten, dessen unsre Nation sich jetzt mit Stolz rihmen darf, Der deutschen Poesie wirde der Gipfel fehlen, hatten Goethe und Schiller einander nicht gefunden. Es ist das Amt der Nachgebornen, den grossen Vorfahren Denkmaler zu widmen; unsre Zeit hat sich in solcher Sorge vielfach bethdligt. Aber noch ist das eine Denkmal, welches dem schénsten, dem gliicklichsten und begliickendsten Momente der geistigen Entwickelung unsres Volkes gewidmet werden muss, das cine Denkmal, welches die beiden Gréssten im Ver- haltniss ihres gemeinsamen Wirkens umfasste, nicht errichtet worden. Rauch hat zu einem solchen Denkmal eine Skizze gearbeitet. Die Bedeutung, cinerseils der Aufgabe, andrerseits der Meisterhand, von welcher die Skizze geliefert ist, wird ein ausfiihrlicheres Eingehen darauf in diesen Blattern angemessen erscheinen lassen. Die Skizze Гат uns die Gestallen beider Manner, zur Gruppe vereinigt, gegeniiber. Sie sind in antiker Gewandung dargestellt. Antikes Kostiim bei Gestalten des modernen Lebens ist ein Umstand, den allerdings noch vor funfzig Jahren ein Jeder als vollig in der Ordnung bezeichnet haben wiirde, der aber, wie es scheint, bei der heutigen Geschmacksrichtung vor- erst doch eine nahere Erérterung und Verstandigung nothig macht. Wir sehen in unsern Tagen die Monumental-Statuen gros- ser Manner vorzugsweise im Kostiim ihrer Zeit gearbeitet, in der ganzen Ausriistung derjenigen aussern Erscheinung, die den Gefeierten im Leben eigenthiimlich war; namentlich hat Rauch selbst durch die gltickliche Weise, wie er die hieran sich kniipfenden Bedingungen mit den kiinstlerischen Anforde- rungen zu vyereinigen wusste, einen wesentlichen Theil seines Ruhmes erworben. Gewiss hat diese Art der monumentalen Darstellung ihr volles Recht. Wie das, was der cinzelne, auch der grésste Mann gethan, durch die Verhillnisse seiner Zeit be- dingt war, so musste er selbst sich nothwendig in den Formen sci- ner Zeit bewegen, kann also seine dussere Eigenthiimlichkeil zur gentigend charaktervollen Erscheinung nur dann gebracht werden, wenn dies innerhalb der Formen seiner Zeit und, wenn még- lich, in der Auspragung, die er persénlich diesen Formen ge- geben hatte, geschicht. — Freilich hat diese Aufgabe schon einige dussere Schwierigkeiten. Die Formen des Zeitkostiims scheinen in ihrer Eigenwilligkeit oft derjenigen volleren kiinst-