377 terischen Wiirde zu widerstreben, die bei einem, fiir die Dauer von Geschlechtern und Jahrhunderten bestimmten Denkmale doch nicht minder eingehalten werden soll. Man thut, solcher Schwic- rigkeit zu begegnen, dem gegebenen Kostiim hinzu, was die gréssere Wiirde besser zu vermilteln scheint: man hillt die Gestalt oder einen Theil derselben in den freieren Faltenfluss - irgend eines Mantelstiickes; aber man beeintrachtigt damit nur allzuoft dasjenige, worin die sprechendste Wirkung des gege- benen Kostiims zu beruhen pflegt, — seine frische gesunde Naivetat; man schafft nur allzuoft, wenigstens da, wo die An- wendung des faltigen Gewandstiickes nicht. durch ein ganz un- bedingt natiirliches und verstindliches Motiv gegeben war, ein unerquickliches Zwitterwesen. Indess weiss die wahrhafte Mci- sterschaft um dergleichen Nothbehelfe hinwegzukommen; Riet- schel’s Lessing ist ein Beispiel, wie monumentale Wiirde auch bei ydlliger Hingabe an die Erfordernisse des Zeitkostiims zu au erreichen ist. — Ungleich gréssere Beriicksichtigung erfor- dert cin andrer Umstand. Die Statue, welche den gefeierten Mann in ganzer Figur darstellt, giebt uns das Bild seiner kérperlichen Erscheinung. Diese seine kérperliche Erscheinung war die Hiille seines Gei- sles und das Weben seines Geistes ihr allerdings ebenso auf- gepragt, wie z. B. der Modeschnitt seines Kleides durch sein kérperliches Gebahren das eigenthtimliche Geprige empfangen halle. Aber die kérperliche Hiille spiegelt doch keinesweges nur allein dies sein geisliges Thun wider; sie igh vielmehr zu- nachst und im Allgemeinen das Symbol seines kérperlichen Thuns, wahrend sein geistiges Wirken vorzugsweise nur in Kopf und Antlitz seinen Ausdruck findet. Bei dem Mann der in das aussere Leben hinausgreifenden That, bei dem Helden insbesondere, wird es wesentlich auf das Bild seiner kérper- lichen Gesammterscheinung ankommen; hiebei wird nichts yon dem zu vernachlassigen sein, was — cben im Kosttim und allem dazu Gehérigen — die dusseren Zeitelemente und die dussere Stellung des Mannes in seiner Zoit bezcichnet, was tiberhaupt, durch sein kérperliches Gebahren bedingt, die Weise seines Eingreifens in das Leben zu charakterisiren gecignet ist. Ап- ders bei dem Manne der geistigen That. Bei diesem kommt es, wie eben angedeutet, zundchst und vorzugsweise auf den Kopf, auf die Weise an, wie sich in dessen Formen und Linea~ ‘menten dic Einwirkungen seiner geisligen Thatigkeit ergeben hatten. Fir den Mann der geistigen That wird schon die Biiste eine vorziiglich charakteristische monumentale Bedeutung ha- ben. Soll aber nicht diese gegeben werden, erfordern gréssere monumentale Zwecke eine Darstellung in ganzer Gestalt, so wiirde bei solcher nalurgemass zunachst jenes kérperliche Ge- wicht iberwiegen und das geistige Element Gefahr laufen, gegen das des dusseren Thuns wesentlich zuriickzutreten, welches letztere doch bei dem Manne der geistigen That in doppelt un- tergeordnetem Verhillniss zu stehen pflegt. Das Zeitkostiim und dic Auspraégung desselhen nach der besondern Persénlich- keit wtirden hier in aller Breite das Spiegelbild eben dieses Untergeordneten geben, wahrend das Eingehen hierauf doch ganz ausserhalb der eigentlichen Zwecke eines derartigen Denk- males liegt. Es handelt sich hier um Denkmaler idealen Wirkens: — es wird daher eine ideale Behandlung, wie cine solche in der Machtvollkommenheit aller Kunst beruht, hier durchaus am Orte sein. Als angemessenste ideale Darstellung ciner charakteristi- schen Persénlichkcit, im Gegensalz gegen dic zufilligen Be- sonderheiten dieses oder jenes Zeitkestiims, kénnte zundchst diejenige erscheinen, welche der hohen Schénheit des kérper- lichen Organismus ihr volles Recht giebt, — freie, slolze Nackt- heit. Sehen wir von den Banden der Sitte unsres Zeilalters ab, welche uns dergleichen bei einem Bildnisswerke freilich tberhaupt nicht verstaiten wiirde, so kénnen wir uns doch sehr wohl vorstellen, dass ein derarliges Werk zur hohen kiinstle- rischen Wirkung durchzubilden ware, wenn auch unler der Voraussetzung, dass der gegebene Portraitkopf nicht minder demjenigen Grade einer freieren Behandlung unterlige, der seinen kérperlichen Ausdruck mit dem kérperlichen Selbsige- fiihl der nackten Gesammterscheinung in Einklang zu setzen erforderlich ware. Aber, wie weit auch cine solche Darstel- lung unter Umstinden zulassig sein mag, fir die Gedachlniss- statue des Mannes der geistigen That wiirde sie wiederum sehr wenig geeignet sein. Die untergeordneten Beziehungen, die das Zeitkostiim hier festgehalten hilte, waren bei nackter Darstellung zwar beseitigt, aber das entscheidende Hervorheben des geisligen Elementes doch noch nicht gewonnen; das Kér- perhafte, — Alles dasjenige, was zu den Functionen des kér- perlichen Daseins gehért, wtirde dabei noch immer in tiber- wiegendem Maasse vorherrschen oder sich als ein solches dem Auge des Beschauers aufdrangen. Es kommt allerdings darauf an, die freie, durch keine Zu- falligkeiten beengte Schénhcit des kérperlichen Organismus fest- zohalten, aber nur als Grundlage, als Reminiscenz, und in einer Weise umkleidet, die seine vorwiegende Wirkung zu neulrali- siren, die an die Stelle der individuellsten Formenbewegung Linien und Massen von mehr allgemeiner, fast michte ich sa- gen: mehr archilektonischer Bedeutung zu setzen vermag, die somit die kérperliche Gesammlerscheinung zu demjenigen um- wandelt, was sie fiir den in Rede stehenden Zweck in der That sein soll: — zum Unterbau und Trager des Kopfes, wel- cher die geistigen Organe zur Anschauung bringt. Es kommt darauf an, den Kérper, diesem Princip gemass, in ein ideales Gewand zu kleiden. Dies aber ist das anlike und insbesondre (da das rémische Kostiim im Einzelnen doch in modische Ver- haltnisse tibergeht) das griechische Gewand. Das letztere war freilich cin solches, welches fiir ein bestimmtes Volk und fiir eine bestimmle Zeit seine Gemeingiltigkeit hatte und insofern ein Zeilkostiim war; aber es theill keinesweges die Exclusivilat aller tibrigen Zeitkostiime. Es war ein unmilttelbares und enl- schieden bewusstes Product des kinstlerischen Geistes der Grie- chen, die mehr und mehr die conventionellen Elemente alter- thiimlich barbarisirender Kleidung von sich thaten und_ nicht rasteten, bis sie auch hierin das einfachst Naive gewonnen hatten. Das griechische Gewand ist, ungleich mehr, als bei irgend einem der Vélker primitiver Culturstufe, die vollig na- turgemasse, all und jeder Kiinstlichkeit entfremdete, aber darum zugleich vdéllig kiinsilerische Umkleidung des Kérpers: ein ein- faches Gewandstiick, der Chiton, zur engeren, — ein ebenso einfaches, das Himation, zur freieren Bedeckung. Das grie- chische Gewand, natiirlich wie kein andres, folgt daher auch durchaus der natirlichen Form und Bewegung des Kérpers; es spricht sich darin, der stofflichen Bedingung gemass, eben nur der allgemeiner gehallene Nachklang dieses Kérperlichen aus. Seiner Natiirlichkeit gemass modificirt es sich daher nicht min- der nach den Eigenthiimlichkeiten eines jeden Individuums, der Art jedoch, dass diese Higenthimlichkeiten sich wiederum in das ihnen entsprechend Generelle auflésen. Das griechische Gewand hat daher keinesweges nur seine Bedeutung fiir Volk und Zeit der Griechen; es hat eine absolute kiinstlerische Gel- tung. Und wenn wir dasselbe fiir ideale Darstellungen auch unsrer Zeit wicderum in Ansprauch nehmen, so geschieht dies in der That aus wesentlich verschiedenen, viel mehr innerlichen Griinden, als die waren, welche in der Rococo -Zeit zu einer eben nur conventionellen Nachahmung anltiker Kostiim-Elemente fihrten.