Dartber sehen wir ebenfalls irefflich gemalt das alttesta- mentliche Vorbild des Heilandes, die eherne Schlange im La- ger der Israeliten ). — In dem darauf folgenden Stuhle bezeichnen mehrere klei~ nere, sehr zierlich gemalte Bilder den Hintritt der Stinde in die Welt und die darauf folgende Vertreibung aus dem Para- diese; 4 kleinere, in der Ausfiihrung schwache, welche sich an der Aussenseite befinden, weisen bedeutsam auf die von Christo in seiner Kirche gewirkte und immerfort zu Recht be- stehende Stinden-Vergebung hin. 1. Nathan und David mit der Unterschrift. Nathan spricht zu David: ,Der Herr hat deine Siinde weggenommen“, 2. Christus spricht zu Maria Magdalena: ,Dir seint deine Stinden vergeben*. 3. Christus spricht zu seinen Jiingern: ,,Welchen Ihr die Siinden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen Ihr die Stinden behaltet, denen sind sie behalten “ A, Petrus spricht zu dem Hauptmann Cornelius: ,,Von Christo zeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Siinden empfahen sollen.“ Im folgenden Stuhle ein grésseres Bild: wie Christus die Kinder herzt und segnet; eine liebliche Darstellung, schén an- geordnet, voll schéner Motive, ausdruckvoller Képfe und brillant gemalit. Hier ist der Hintergrund besonders schén und bekun~ det den Mart. d. Vos, welcher auf den Bildern des Tintoretto so schéne landschaltliche und architektonische Hintergriinde an- brachte. Dazu folgende Bibelstellen: yLasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes, “ »Wer nicht das Reich Gottes empfahet als ein Kindlein, der wird nicht hineinkommen. “ »Sehet zu, dass ihr niemand von den Kleinen verachtet, denn ich sage Euch, ihre Engel sehen alle Zeit das Angesicht meines Va- ters im Himmel. “ Oben dartber im Halbrund ein allerliebstes Bild, welches den Herzog Wilhelm junior von seinen Kindern umgeben dar- stellt, denen er ernst aus der Bibel vorredet. Die Kinder, 10 an der Zahl, von jeder Grisse, in verschiedenen andachtigen Stellungen, das jingste noch im Kinderstuhl, sind gar hibsch anzusehen und héren dem ernsten Vater andachltig za; — welch ein schénes Bild aus schéner Zeit! — Wohl werth mit beson- derer Sorgfalt in Kupfer oder Steindruck vervielfaltigt und weit und breit bekannt zu werden — —- besonders bei uns Hanno- veranern, denen es einen rihrenden Zug aus der Geschichte unseres Fiirstenhauses aufbewahrt hat! —- Dazu gehdrt noch dic Inschrift: die ich Dir heute gebiete, sollt Du zu Herzen nehmen und solit sie deinen Kindern scharpfen. Diese Darstellung gleicht in der Malerei ganz den tibrigen Bildern und macht deshalb wahrscheinlich, dass Martin de Vos selbst nach Celle gekommen und dort diese Werke ge~ malt habe. — Es ist zu vermuthen, dass Herzog Wilhelm, viel- Ieicht vom Tintoretto berathen, den Vos in Italien, in Venedig kennen gelernt und ihn dort fiir seine Kirche engagirt habe. — Es miissen ausserdem Baumeister und Maler, auch auslandische, wahrscheinlich italienische Bildhauer damals in Celle gearbeitet haben, wie die vielen Sculpluren dieser Capelle, aber noch 1) Als Unterschrift die Bibelstelle Johannes 3, 14—15.: »Und wie Moses in der Wiiste eine Schlange erhéhet hat, also muss des Menschen Sohn er- hohet werden, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“, und 4 Corinther 10.: ,,Lasst uns aber auch Christum nicht versuchen, wie elliche yon jenen ihn versuchten, und wurden von den Schlangen umgebracht. “ Gemalde, die Kreuzigung, in allen Fallen fir den Altar einer christlichen Kirche der passendste Gegenstand. — Ich erwahne hier auch die unter dem Bilde angebrachte Stelle der Schrift: »Christus hat unsere Stinde selbs geopfert an seinem Leibe uf dem Holtze, uf dass wir der Siinden abgestorben sein und der Gerechtigkeit leben.“ und oben darter: »Christus hat uns erléset von dem Fluche des Gesetzes da er ward ein Fluch fiir uns.“ Die schéne lebensvolle Composition erinnert in der Hauptan- ordnung an altere Vorbilder, wahrend in der Ausfiihruug das rein malerische Element tiberwiegt, wie es sich auch von einem Antwerpener Maler, der mit an den Bildern des Tintoretto ge- holfen hatte, kaum anders erwarten Jasst. Christus am Kreuz, in der Mitte des Bildes, ist einfach und ergreifend gedacht und die beiden Schacher rechts und links sind scharf und gross charakterisirt; im Vordergrunde die ohn- machtige Maria, von ihren Freundinnen und dem Johannes um- geben; am Stamme des Kreuzes Magdalena, niedergeknieet, noch eitel und reich gekleidet; sie scheint zum ersten Male von Reue und Schmerz ergriffen. —- Sehr gelungen ist die Gruppe der Kriegsknechte, welche sich um den Mantel des Heilandes zanken, und interessant das in der Ferne heimkehrende Yolk, unter dem die geistlichen und welllichen Obern zu Ross be- merkbar; — sehr schén schliesst im Hintergrunde die Stadt Jerusalem das Bild, und in der Luft Jinks ist die hereinbre- chende Finsterniss glicklich und malerisch angedeutet. Alles ist mit bewundernswerther Leichtigkeit behandelt, und zeigt den gewandten Techniker, von dem seine Zeitgenos— sen rihmen, dass er in gleicher Zeit so viel wie 14 andere Meister beschafft habe. Die Farbe ist klar, hell und frisch, auf Kreidegrund wie aus dem Pinsel geflossen, doch im Eindruck des Ganzen oft ohne Harmonie, was ich einer neueren Restau- ration und dabei angewandten zu bunten Lasuren zuschreiben muss. — Die Zeichnung ist entschieden manirirl, die Verhaltnisse der menschlichen Figur fast immer zu lang und die Extremi- taten zu klein. Die Gewandung ist fltichtig und nicht immer verstandig durchgefiihrt. — Der Ausdruck der Képfe und Bewe~ gungen der Hinde lebendig, doch nicht immer innig empfunden. Die Aussenseiten der Altarfliigel sind wohl ohne Zweifel ebenfalls Werke des Vos. —- Auf dem linken sehen wir den Engel der Maria die himmlische Botschaft bringen; die Dar- stel]ung ist einfach gehalten und erinnert an die oft wiederholte van Eyksche Composition dieses Gegenstandes. Der rechte Fligel zeigt uns die Geburt Christi. Hier ist die Maria beson- ders schén, innig und wirdig gedacht und ebenso trefflich voll- endet; — Engel und Hirten beten das Kind an, und zeichnen sich durch schéne im Halbdunkel gemalle Képfe aus. Im Hin- tergrunde sind prachtige Ruinen angebracht, welche an das Colosseum und die rémischen Triumpfbégen erinnern. Wenden wir uns nun vom Altare zn den ihm zunichst be- findlichen Bildern, welche — wohl zu beachten — auf die vor dem Altar zu begehenden kirchlichen Functionen, auf die bei- den Sacramente und thre Einsetzung hinweisen, so finden wir im Stuble zur Rechien, die Taufe’) Christi im Jordan, an dem zur Linken das Abendmahl abgebildet. Letzleres Gemalde gehért zu den besten der Kirche, ist vortrefflich erhalten, frei- lich nur klein, aber dusserst geislreich gemacht, lebendig und charakteristisch componirt und in Farbe von sellener Kraft und Schénheit, vor der sich Paul Veronese selbst nicht geschamt haben wiirde. 1) Bei der Taufe sind Jesaia 61, 1. und Johannes 1, 33. angefihrt