zeichnung. Die im friheren Miltelalter untergegangenen бе-
baude sind mit rother Farbe, die noch vorhandenen mit schwarzer
geschrieben; die Gebaiude romanischen Styles mit lateinischer,
die gothischen mit gothischer Schrift, wobei der Uebergangs~
styl und die verschiedenen Modificationen desselben durch ent-
sprechende Ueberginge zwischen lateinischer und gothischer
Schrift versinnbildlicht sind. Die Renaissancegebaude haben
lateinische Uncialschrift, ebenfalls mit einigen Uebergangsfor-
men aus dem Mittelalterlichen in das Moderne. Die verschie-
dene Grésse der Denkmialer ist durch verschiedene Grosse der
Schrift bezeichnet. Besondre Zeichen deuten auf Griindung oder
Einweihung der Gebaude, auf den Wechselbezug zwischen mehr-
fach wiederholter Anftthrung derselben, ju. drgl. m. — Einge-
streut ist endlich, vornehmlich im Anfange, eine Anzahl von
»» Mobilar - Denkmalern“*, worunter der Verf. bewegliche Denk-
maler bildender Kunst versteht. Dicse sind mit blauer Farbe
geschrieben.,

Wir kénnen dieser allgemeinen Anlage der Tabellen nur
unsern Beifall schenken. Doch war es keinesweges die Ab-
sicht des Verfassers, mit den also zusammengestellten Tafeln
nur Uebersichten zu geben; sie sollen die cigentliche Grund-
lage seiner Wissenschaft ausmachen und den Gegenstand in ih-
rer Art erschépfen. Es ist eine Menge feiner Beziehungen
darin, die schwer aufzufassen sind und tiber die es noch schwe-
rey ist, einen klar verstandlichen Bericht zu geben. Die Maasse
des chronographischen Netzes, in welches die Namen der Denk-
maler hineingeschrieben, sind tiberaus ktinstlich berechnet und
durch besondre Figuren und Ziffern auf dem Aeusseren jeder
Tafel vorgezeichnet; ich gelraue mir nicht, &ber diesen com-
binirten Calciil in der Ktirze cine Rechenschaft abzulegen. Die
Niancen der Schriftformen haben iiberall dic speziellste Bedeu-
tung. LEbenso ist auch die Grésse der Buchstaben durchweg
das Resullat genauster Berechnung: die Fliche der Buchsta-
ben entspricht nemlich, wie der Verfasser erliulernd be-
merkt, als Zahl genommen jedesmal ,,der Quadratwurzel aus
dem kubischen Inhalt“(?) des beztiglichen Gebiudes, Das tie-
fere Verstandniss dieser Tabellen wird also schon in dusserer
Bezichung ein umfassendes gelehrtes Studium néthig machen.
Ob der Verf. zu solchem Studium Schiller finden wird, lasse
ich dahingestellt; auch mag es einem Jeden figlich freistehen,
in den Schemalismus seines Werkes einzudringen, so weit er
dazu Muth und Vermégen hat. Dass aber der Verf. sich, mit
all der Fille seiner Studien, in einen so vorwiegenden Sche-
matismus hineinarbeiten konnte, scheint von vornherein die ihm
cigenthiimliche Richiung charakteristisch zu bezeichnen.

So viel tiber die Form und die formale Behandlung dieser
Tabellen. Werfen wir nun cinen Blick auf ihren Inhalt.

Es liegt in der Natur der Sache und licgt zugleich in der
Art und Weise, wie uns der Verf. sein Werk dargeboten hat,
dass hiebei auf die tausendfalligen Einzelheiten desselben nicht
niher eingegangen werden kann, dass cs vielmehr nur auf die
Frage ankommt, wie sich die allgemeine historische Disposition
des Werkes zu der bisher als zumeist gillig angenommenen
Auffassung der Baugeschichte des deutschen Millelalters ver-
halt. Wesentliche Theile des Werkes stehen im Einklange mit
der leizteren, andre ebenso wesentliche mit ihr in einigem
Widerspruch; das erstere betrifft besonders die Denkmialer des
gothischen Slyles (doch zum Theil mit Ausschluss der deutschen
Aussenlinder), das zweite die Denkmiler des romanischen
Styles. Der Verf. setzt unter den vorhandenen mittelalterlichen
Gebduden nur dusserst wenige in das elfte Jahrhundert und
lasst die Entwickelung des romanischen Baustyles schr allmih-
lig erst im Laufe des zwOlften Jahrhunderts beginnen. Er drangt
somit dic Geschichte dieses Styles mehr zusammen, fiihrt ihn
	zum Theil auch in das dreizehnte Jahrhundert etwas tiefer hinab,
als wir bis jetzt zumeist angenommen hatten. Wir kénnen zwar
nicht sagen, dass die etwas griindlicheren Forscher neuerdings
noch ein besondres Uebermaass vorhandencr Gebaude dem elften
Jahrhundert zugeschrieben hatten; auch sind wir, wo wir cine
Bestimmung dieser letztern Art getroffen, tberall mit thunlich-
ster Vorsicht zu Werke gegangen; gleichwohl verriickt der
Verf. bei seinem Verfahren eine immerhin bemerkbare Zahl un-
srer Daten. Ausserdem setzt er die in den deutschen Aussen-
landern, in den dsterreichischen und besonders in den ballti-
schen Lindern, befindlichen Baudenkmale zum Theil erheblich
spater, als wir seilher angenommen hatten; er fiihrt den roma-
nischen Baustyl hier bis an das vierzehnte Jahrhundert hinab
und ldsst dann in ktirzester Frist Uebergangsstyl und primitives
und entwickeltes Gothisch auf einander folgen.

Die zwei Bogen des erlauternden Textes zu dem Inhalt
der vier Tabellen geben eine iibersichtliche Schilderung dessen,
was auf den Tafeln selbst durch die eingeschriebenen Namen
vorgestellt war, mit einzelnen Zwischenbemerkungen. _ Die eigent~
lichen Griinde und Beweise fir das von dem Verfasser befolgte
System und dessen Durchfihrung im Einzelnen sind hierin be-
greiflicher Weise noch nicht enthalten. Auch haben wir diese,
nach den oben angefihrten cignen Worten des Verf., erst in
dem dritten grossen Werke, welches demjenigen folgen soll,
von dem uns gegenwirtig ein erster Abschnitt vorliegt, in der
»Chronologie der Baukunst des Mittelalters“, zu erwarten. Wir
sind also, zu unserm aufrichtigen Leidwesen, gendéthigt, der
eigentlichen Priifung seines Verfahrens bis dahin, dass dies
dritte grosse Werk erschienen sein wird, Anstand zu geben.
Es liegt hierin seinerseils tbrigens eine ganz besltimmte Ab-
sicht. Das Tabellenwerk soll, wie schon bemerkt, die Grund-
lage, das Fundament seiner Disciplin ausmachen; ,,wir miissen
(so sagt er in seinem einleitenden Texte) erst Landkarten ha-
ben, ehe wir Geographie lehren kénnen“. Dies letztere ist
freilich richtig: die Schlussfolgerung von der Geographie auf
die Baugeschichte ditirfte nicht ganz unbedenklich sein. Die
Richtigkeit der Landkarien hangt einfach von der Richtigkeit
der materiellen Aufnahme ab; die Richtigkeit der baugeschicht-
lichen Tabellen von der darauf verwandten wissenschaftlichen
Kritik, was ein ander Ding ist. Nach einer Stelle in der Mitte
von 5.5 der Einleitung scheint es aber, so sonderbar es klingt,
dass der Verfasser auf sein System durch einen Act einer ge-
wissen myslischen Offenbarung gekommen ist.

Wie dem indess sei, jedenfalls erkennen wir auch aus
dem Inhalt der Tabellen, dass eine vielseitige und umfassende
Beschifligung mit dem Gegenstande vorausgegangen war. Nur
Eins erlaube ich mir davon auszunehmen: — jene blau ge-
schriebenen ,,Mobilar-Denkmialer“. Sie verrathen eine zu ge-
ringe und oberflachliche Bekanntschaft mit dem betreffenden
Gegenstande; es sind in ihnen, auch wenn sie nur eine bei-
laufige Bedeutung fiir das Ganze haben sollten, die vorztiglichst
bezeichnenden Spitzen zu wenig wahrgenommen; und tiberhaupt
erscheint dies fragmentarische Einstreuen zufalliger Einzelhei-
ten, dem fir das Architektonische befolgten strengen System
gegentiber, cinigermaassen principlos. Ich habe nicht néthig,
dies im Einzelnen nachzuweisen; wer unsre neuere kunstge-
schichlliche Literatur nicht ganz vernachlissigt hat, wird dafir
mannigfache Belege beibringen kénnen.

Ich komme noch einmal auf den erlauternden Text der Ta-
bellen zurick. Er enthalt einige geistvolle cullurgeschichlliche
Apercii’s, an die Behandlungsweise des kunstgeschichtlichen
Stoffes erinnernd, in der vor Allen Schnaase — freilich in
ganz ungleich ausgedehnterem Maasse — so Ausgezeichnetes
geleislet hat. Andres aber giebt wiederum zu Bedenken An-