kirche zu Trier sei nach Hessen (in dem Bau der Маг-
burger Elisabethkirche) verselzt worden, denn ein sol-
ches Verpflanzungs— oder Colonial -Verhialtniss awischen diesen
beiden Bauten habe wirklich Stalt gefunden“. Hier ist mit
oberflachlichsten Worten bei Weitem mehr gesagt, als ein, fiir
die Entwickelung der architektonischen Formen und deren ge-
genseitiges Verhaltniss nur irgend empfangliches Auge wahr-
nehmen und ein gewissenhafier Forscher irgend vertreten kann.
Wer beide Kirchen vergleicht, wird allerdings in der von Trier
eine Vorgingerin der von Marburg erkennen und in sofern auch
ein naheres Verhiltniss zwischen beiden, als der Chorschluss
und dessen Fensteranordnung bei der Trierer Kirche auf die
Auordnung der anderen in der That eingewirkt hat; alles Uebrige,
von der Gesammtdisposition an bis zur Behandlung der Profile
der Gliederungen, zeigt dagegen in der Marburger Kirche lauter
neve und zum Theil sehr selbstandige Elemente. —- Noch be-
denklicher ist die Behauptung, dass die Kirche von Alten-~
berg ein Werk des ersten Kélner Dombaumeisters sei. Diese
Phrase, nebst ihren Nutzanwendungen, Jault zwar ziemlich durch
alle Reisehandbiicher; sie entbehrt aber nichtsdestoweniger aller
inneren Begriindung. Beides sind, ihrer Anlage nach, frith-
gothische Kirchen, im Chor von der reicheren Form des Ka-
pellenkranzes, beide aber in allem Uebrigen, in den Maassver-
haltnissen, in der inneren organischen Entwickelung, in den
Profilen der Glieder wesentlich von einander abweichend, kei-
nesweges blos in der bei der Allenberger Kirche, und hier
auch nur in bedingtem Maasse stattfindenden Vereinfachung der
Formen. — Noch willkirlicher (freilich hier nicht zur eigent-
lichen Sache gehdrig) ist die daneben stehende Behauptung,
dass der Styl der Bronzefigur des Conrad von Hochstaden, auf
seinem Grabdenkmal im Kélner Dome, mil den Statuen des
West- Chores am Naumburger Dome iibereinstimme ). Der Verf.
hatte besser gethan, sein spezielles Gebiet nicht zu verlassen.

Wenn der Verf. so wenig feinentwickelten Sinn fir das
Charakteristische architektonischer Formen und ihrer Verhalt-
nisse hat, wie sich schon aus diesen Beispielen ergiebt, so
wird es schliesslich auch nicht befremden, dass er in den spat-
gothischen. Bauwerken (um 1500) nur Verktimmertes, Ucber-
bildetes, Zwillerhaftes sieht und fir die ganz eigenthimliche
Schénheit der inneren Disposition jener Gebaude, die — wie
die Pfarrkirche zu Landshut in Baiern, wie die, von ihm im
Text ausdricklich genannte Marienkirche zu Halle, u.a.m.
— schlank aufschiessende achteckige Pfeiler, gelegentlich mit
clwas concaven Seitenflachen, und tiber diesen ein leicht hin-
	geschwungenes Gurtennelzgewolbe haben, gar kein Organ be-
sitzt. Auch dass er das Bremer Rathhaus, das bekanntlich
	м Апапое des 15. Jahrhunderts gebaut wurde una die mo-
derne Dekoration seiner Langseite im zweiten Decennium des
17. Jahrhunderts empfing, als ein Hauptbeispiel des deutschen
Renaissancestyles in der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts hin-
stellen kann, bezeichnet die mangelhafte Schirfe seines kriti-
tischen Blickes. U. s. w.

Dem, was sich hienach itber die Form und den Inhalt des
vorliegenden Abschniltes ergiebt, muss sodann noch Kiniges
iiber die Persinlichkeit des Verfassers angereiht werden.

Firs Ersle iiber den Styl, den er schreibt. Wenn das
franzésische Sprichwort: Le style cest fhomme, wahr ist, so
giebt dasselbe hier zu keinem giinsligen Vorurthcil Anlass. Es
herrscht zumeist, besonders wo der Verf. irgend Begriffliches
entwickeln will, eine Verworrenheit und Unklarheit in seinen
	1) Das Grabmal des C. von Hochstaden (gest. 1261), das der Verf. an
dieser Stelle auch in den Tabellen anfabrt, ist jedenfalls, aus positiven aus-
seren Griinden, nicht gleichzeitig und kann, wie ich mich tberzeugt habe,

an hundert Jahre jiinger sein.
	lass, und da der Verf. (wovon nachher) mit so eigenthtiimlichen
Anspriichen auftritt, so wird es verstallet sein, hier ein Paar
	Punkte naher hervorzuheben.
Die Architektur des 11. Jahrhunderts ist nach seiner Dar-
	slellung noch kein Denkmalsbau, noch sogenannter ,,Unter~
gangsbau“, die darin zur Anwendung gekommene Technik noch
die ,,des gewdhnlichsten und kunstlosesten Mauerwerks der
wohlfeilsten Art“. Doch fahrt er fort: ,,Die Dome zu Mainz,
zu Worms, zu Speier, welche im 11. Jahrhundert errichtet
wurden, kénnen bestenfalls nur Saulenbasiliken gewesen sein,
so wie der Dom zu Bremen eine solche Saulenbasilika war,
und welche alle im 12. und 13. Jahrhundert neu gebaut wurden“.
Saulen gehéren also nach seiner Auffassung mit zu dem ge-
wéhnlichsten und kunstlosesten Mauerwerk der wohlfeilsten Art.
Seine Quelle tiber die Bremische Sdulenbasilika ist mir unbe-
kannt; doch stecken in dem Bremer Dome (der zur Zeit des
Uebergangsstyles umgebaut wurde und den er in seinen Ta~
bellen nur unter den Bauten dieser spatern Zeit auffihrt) noch
die alten schweren, der urspringlichen Anlage angehdrigen
Pfeilerarkaden von allereinfachster Form ), ganz ahnlich denen
des Domes von Augsburg und des Domes von Mainz, die beide
nach seiner Angabe freilich erst in die Mitte des 12. Jahrhun-
derts fallen, ob sie auch zu dem massig Primitivsten gehéren,
was Deutschland an Architektur besitzt. Das sind alles Dinge,
ре! denen, eben so wie bei dem vorausgesetzten Mangel alles
monumentalen Sinnes bis zum Schluss des elflen Jahrhunderts,
mit einem apodiklischen Ab- oder Zusprechen eben noch Nichts
	gethan ist“).
Bei Gelegenheit des ersten Auftretens der gothischen Ar-
	ehitektur bemerkt der Verf.: ,,die Baukunst der Liebfrauen-
	1) Die von Fiorillo angefthrten Chronisten sprechen sich mehrfach uber
das solide Steinwerk des Neubaues des Bremer Domes, nach dem Brande
desselben im J. 1042, aus.

2) Mit der Kirche St, Maria auf dem Kapitol zu Kéin sieht sich
der Verf., seinem Systeme gemiss, zu einer ganz eignen Manipulation ver-
anlasst. Wir besitzen das gute Datum ihrer Weihung vom J. 1049, wie fiir
die Saulenbasilika St. Georg ха Кош das Datum der Vollendung, 1067.
Eine simple Saulenbasilika mochte hingehen; eine so imposante Anlage, wic
die Kapitolskirche, musste aber fir das i1. Jahrhundert und gar fiir dessen
erste Halfte das Vorhandensein einer wirklichen Denkmalsbaukunst bezeugen,
die das System denn doch allzu empfindlich verrickt hatte. Der Verf. hat
sich in der Art geholfen, dass er St. Georg an entsprechender Stelle in die
Tabelle einrickt, bei der Kapitolskirche im J. 1049 die Weihung eines nicht
mehr vorhandenen Chorbaues annimmt, das Schiff der letzteren in die spa-
tere Zeit des elften und die drei Absiden als einen neuen Chorbau in die
friihere Zeit des zwélften Jahrhunderts setzt. Vielleicht hat ihn dabei der
Umstand geleitet, dass der Oberbau der Absiden-Anlage von dem Uebrigen
abweicht; er gehdrt nemlich der sp 4tromanischen Zeit an, was in den Ta-
bellen nicht verzeichnet ist. Der Unterbau der Absiden aber entspricht im
Style yollstandigst dem Schiff, wie dieser Styl dem in der Kirche St. Georg
und zugleich auch dem in der Krypta der Kirche von Brauweilerbefolgten
durchaus nahe steht. (Die Einweihung eines alteren Kirchenbaues 2n Brau-
weiler war 1061 erfolgt; der Verf. riickt nichts destoweniger die vorhandenc
Krypta in die Zeit um 1120 hinab.) Dies Alles sind Proben eines Syste-
niatisirens, das eben durch keinen besonderen Scharfblick fir das kinst-
lerisch Stylistische unterstitzt wird.

Die Lang-Chére von St. Gereon zu Kéln und vom Bonner Min-
ster, mit Ausnabme ihrer spateren Absiden, hat der Verf. richtig in die
sechziger Jahre des 11. Jahrhunderts gesetzt. Unbekannt ist ihm geblieben,
dass die alte Chor-Anlage der Kirche zu Ziilpich mit jenen tibereinstimmt
und somit ohne Zweifel gleichfalls dieser Periode angehért. — Den Chor
der Pfarrkirche zu Andernach setzt er um 1120 (was, beilaufig bemerkt,
wieder ganz irrthimlich ist, da derselbe, zwar dem Schiffe der Zeit nach
voraugehend, doch schon entschieden, und nicht bloss in seinem Aeusseren,
spitromanischen Charakter tragt); tibersehen hat er dabei, dass der nord-
astliche Thurm dieser Kirche sehr bedeutend alter und vielleicht auch nur
der Rest einer Anlage des 11. Jahrhunderts ist.

So liesse sich noch allerlei anfihren, was der Wagschaale des 14. Jahr-
hunderts schliesslich doch ein nicht ganz unerhebliches Gewicht geben diirfte.