Detailbildung. Da der Architekt in der Gesammtanlage den Formen rémischer Bauweise gefolgt war, so halte man erwarlen sollen, dass er auch im Ornament dem einmal gewahlten Form- prinzip treu bleiben wiirde. Ja, wir hitlen ihm verziehen, wenn er nur Copicen alter Vorbilder gebracht hatte, weil wir uns gesagt haben wiirden, dass das Selbsterfinden nun einmal nicht Jedermanns Sache sei. Statt dessen sind wir zugleich tber~ rascht und betriibt, in der ganzen Ornamentation des Gebaudes, von den Kandelabern des Vorplatzes, den Karyatiden des Con- certsaales und den Kronleuchtern des Inneren bis zu den Ba- lustraden, Gesimsen und dhnlichen Gliedern Nichts als den aus- schweifendsten Rococo-Ungeschmack anzutreffen. Was wiirde unser wackrer Johann Georg Miiller zu solchen Erscheinungen sagen, wenn schon die Miinchener Feldherrnhalle ihm die tief empfundene Klage auspresste, dass die ,,firstlichsten Gelegen- heiten, des Vaterlandes Kunst emporzurichten, ungenutzt an uns vortibergleiten!* Wofiir hat denn unsre Zeit seit Winckel- mann so viel hingebenden, Jiebevollen Fleiss darauf verwandt, _in der Kunst wieder das Wahre und Acchte vom Falschen, Er~ logenen unterscheiden zu lernen; wofir hat die Forschung sich in die ganze Kulturgeschichte der Vergangenheit vertieft, wenn es noch jetzt mdglich ist, dass ein Kunstwerk yon so hervor- ragender Stellung zu seiner Ausschmtickung die Formen einer Zeit entlehnt, die vor dem gelauterten Bewusstsein der Gegen- wart als unnatirliche, verschnérkelte Ausschweifungen einer libidinésen Phantasie erscheinen! Schlimm genug, dass solche Missformen in dem Mobiliar unserer Wohnungen, den Tischler- arbeiten, Porzellanfabrikaten und andern dahin gehérigen Zwei- gen der Kunstgewerbe sich wieder eingeschlichen haben: aus Monumenten gréssercr Bedeutung sollte man sie doch fern halten. Denn unsre Wohn- oder vielmehr Micthshauser sind fir ephe- mere Zwecke gebaut und werden mit ihren Erbauern wieder verschwinden: aber ein Bauwerk wie das in Rede stehende ist fir, Jahrhunderte berechnet und wird spiten Geschlechtern noch als Denkmal der Siltengeschichte unsrer Tage erscheinen. Und wenn wir nun auch wissen, dass es nicht der konigl. Ober- Hofhaurath Lawes, der Haupt~ Baumeister des Theaters und Erfinder des Planes, ist, dem man diese stérenden Ornamente zuschreiben muss, sondern dass dieselben dem Hofbaumeister Molthan ihre Enstehung verdanken: so wird doch die Kunst- geschichte dereinst, des letzteren Namens vergessend, die mo- ralische Urheberschaft des gesammten Baues an den Namen Lawes knupfen. Bruno. Landschaits-Studien von Max Schmidt. Der Dampf, der jetzt Welttheile verbindet, Stunden zu Mi- nulen zusammenzwingt und die Verhaltnisse neugestaltete, be- rihrte auch die Kunst. Die Gewohnheit der Kunstler, Italien als das Endziel ihrer Studienreisen zu belrachten, hat in den letzten Jahren, vor- nehmlich bei den Landschaftsmalern, bedeutend abgenommen. Abgesehn von den Weltumseglern und Grénlandsfahrern, die in neuester Zeit erstanden sind, hat sich unter ihnen der Trieb, auch noch nach anderer als nur italischer Sonne immer mehr verbreitet. Sowohl der hohe Norden mil seiner diisteren gigantischen Natur — die Gebirge Schwedens und Norwegens — wie der tiefere Stiden mit seinen Wiisten und Steppen — der Orient im weilesten Sinne — wurde in letzterer Zeit von deutschen Kiinst- lern mannigfach ausgebeutet. Zu den hiesigen Landschafismalern, die den Orient be- reisten, gehért Max Schmidt. Ein langdauernder Aufenthalt in Unteragypten, Syrien, Palastina u. s. w. fillte seine Mappen mit zahlreichen Studien, denen wir bereits manches schatzbare Bild verdanken. Einmal naher vertraut geworden mit den viel- fachen Schénheiten und Eigenthiimlichkeiten dieser siidlichen Natur, zog es ihn auch in diesem Jahre dorthin. Zum Ziel dieser Reise bestimmte er die Jonischen Inseln: auf Cephalonia, Ithaka und Corfu suchte der Kiinstler nach neuem Stoff fiir seine heimathliche Thatigkeit. Dass er denselben in hinreichendem Maasse gefunden, be- kundet die Fille der Studien, die er von dort mit zurtick- brachte. Unter diesen, ausschliesslich der landschaftlichen Natur ab- gewonnenen Skizzen, behaupten die auf den beiden letzigenann- ten Inseln geferligten, sowohl der Anzahl wie dem Inhalle nach, den Vorrang. Ithaka, das Reich des Odysseus, fesselle den Kiinstler zu- nachst. Nicht die zweifelhaflen Triimmer aus jener grauen Vor- zeit, in die uns das unsterbliche Werk des griechischen Epikers so michtig hineinzieht, beschafligten ihn. — Die Natur war es auch hier allein, die ihn zur Thatigkeit begeisterte, denn sie ist und bleibt das einzige ewig bestehende, sich stets neu er- zeugende Denkmal, waihrend tiber sie hinweg die Zeit, im ge- waltigen Fluge davoneilend, die Werke der Menschen scho- nungslos vernichtet, — und so erblicken wir denn hier als dic slummen Zeugen jenes Heldenalters noch dieselben Felsen, das- selbe Meer — jene Natur — die einst der Dichter besang und mit seinen Gestalten belebte. Wissen wir es dem Kunstler Dank, dass er grade diesen Theil von Griechenland zu neuen Studien erwahlte, indem der- selbe nicht nur an und fiir sich malerisch ist, als er auch zu- gleich mit dem gefeiertsten Werke der griechischen Poesie im innigen Zusammenhange erscheint. Dass diese doppelte Absicht den Skizzen mit zum Grunde liegt, geht aus ihnen selbst deut- lich hervor, indem unter ihnen besonders die landschaftlichen Punkte, an die das homerische Epos erinnert, mit besonderer Vorliebe behandelt sind. Unter denen auf Ithaka gefertigten Studien heben wir vor- zugsweise die Darstellungen hervor, auf denen der Beschauer das Meer und die vom Dichter niher bezeichneten Berge deut- lich erblickt: der Fels, welcher einst die Akropole von Ithaka trug und ferner der Rabenfelsen oder Korakon Petra, in dessen Nahe ,,am heiligen Quell Arethusa“ die Heerden des Odysseus weideten. Von nicht geringem Interesse sind die verschiedenen Aussichten auf den, von Homer ) so anschauiich geschilderten Hafen: , Kine Bacht ist Forkys geweiht, dem Gretse des Meeres, Gegen der Ithaker Stadt; und zwo vorragende Spitzen Laufen mit zackigem Fels, zur Mindung der Bucht sich senkend: Diese hemmen die Fluth, die der Sturm lautbrausend heranwalzt, Draussen zuriick; . . 2. 1. 1 ew ee . Aber am Haupte der Bucht grit weitumschattend ein Oelbaum. Eine Grotte zunachst voll lieblich dammernder Anmuth Ist den Nimfen geweiht, die man Najaden benennet .. u.s. f.« Auch das Gebirge ,,Neriton, finster von Waldung“, so wie der Hafen Rheitron und viele andere Darstellungen von allge- meinerem Interesse erfreuen Sinn und Herz bei Betrachtung dieser Skizzen. Zu gleicher Thiligkeit bestimmte den Kunstler die Insel Corfu. Sie, wohin die Phantasie so gern das glickliche Reich des weise gebietenden Alkinoos verlegt, bot hiernach ahnliche Ankniipfpunkte fiir die Wahl der Gegenstinde wie Ithaka. Scheria, das gesegnete Land der » Meerdurchfurchenden “ 1) Одузз. ХШ. 96. 50 *