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	zum Maassstab dienen lasst, finden in dieser Lieferung gleich-
massige Vertretung. Sie beginnt mit einem Schnitt von Nicold
Boldrini, einem Maler und Formschneider, der zu Anfang des
16. Jahrh. lebte und héchst wahrscheinlich ein Schiiler Tizians
war, Nach einer Handzeichnung dieses Meisters hat B. auch
die mitgetheilte ,Ruhe der heil. Familie auf der Flucht nach
Aegypten® gefertigt, cine Composition von grosser Lieblichkeit
und idyllischer Schénheit. Im Mittelgrunde, unter schattendem
Buschwerk, hat sich die Mutter gelagert, um dem Kinde die
Brust zu reichen. In der Ferne sieht man unter einem Haus
thor den Joseph beschaftigt, das Thier fiir die Weiterreise zu
risten. Die ruhig lachelnde Maria, die stille Landschaft um~
her, Alles trégt den Stempel glicklicher Geborgenheit, und
man muss bewundern, wie der Meister von Venedig mit so
einfachen Mitteln sein ganzes Wesen auszusprechen und eine
solche Fiille von Liebreiz zu entfalten verstand. Der Schnilt
ist ganz in der Art von Boldrini und wir dirfen daher vermu-
then, dass Kriiger sehr treu copirt hat.

Das zweite Blatt ist héchst interessant und dusserst selten. Es
ist das einzig bekannte Produkt der Maria von Medici, der Ge-
mahlin Heinrich IV. Papillon, Traité I, 260, erwahnt, dass die
Konigin in ihrer Jugend das Brustbild einer rémisch frisirten
Dame in Holz geschnitten habe, mil der Unterschrift: Maria Me-
dici f. MDLXXXVIT und fiigt hinzu, dass das Blatt von der Ké-
nigin selbst geschnitlen sei: ,,o7avé par la rayne Marie au
bouest“. Das Bildniss zeugt von einer bewunderungswirdig
sichern Handhabung des Werkzeugs und ist von kraftig stren-
ger Ausfthrung. Flegel hat es nachgebildet.

Es folgen nun drei Blatter aus deutscher Schule. Zuerst
Albrecht Altdorfer’s , heil. Hieronymus in der Héhle*, eine
eigenthiimlich romantische Composition. Das Felsgestein in sei~
ner phantastischen Formation mit dem heranterhangenden Moose,
die zierlichen, lieblich hellen Durchblicke in’s Freie, welche
die kleinen Oeffnungen gewahren, die Leiter, die da hinauffihrt,
der wohlgeordnete Bet-Apparat des Heiligen, mit Bibelbuch, Licht
und Kruzifix; dann dieser selbst, wie er da kniet mit so in~
stindiger Geberde und der Léwe in ehrerbietiger Entfernung,
mit scheu gesenkiem Haupt — es liegt in ali’ Diesem cin so
sinniges poetisches Wesen, dass Einem das Blatt sehr an-
zichend sein kann. Wir konnten die Copie von Kritger mit
dem Original vergleichen und miissen das Zeugniss ablegen,
dass sie in der Hauptsache: in den beiden Figuren und dem
Charakter des Ganzen sehr getreu ist.

Heinrich Aldegrever ist dann durch ein dusserst seltenes
Blatt vertreten. Es stellt Pyramus und Thisbe vor und rihrt
von der Ceronischen Kunstsammlung in Briinn her. Jetzt be-
findet es sich in der k. k. Hofbibliothek zu Wien. Die Copie  
— von Krtiger — ist nach ciner Federzeichnung gefertigt.

Den Beschluss macht Meister Lukas Cranach, tiber den
Schuchardt in Weimar jetzt eben ein Buch herausgegeben
hat, auf dessen Lektiire wir alle Ursache haben, sehr begierig
mu sein, da grindliche Untersuchungen geboten zu werden
scheinen. Мисе!Шей sind hier drei Blatter aus der ersten Aus-
gabe des Wiltenberger Heiligthumsbuches: Dye zaigung des
hochlobwirdigen hailigthums der Stifft kirchen aller hailigen zu
wittenberg. 1509. in 4. Das Hanptbild ist, wie die Beschrei-
bung sagt: ,¢in silberé Bild sant margarethe‘. Die Heilige
steht mil einem Palmazweige in der Hand neben einem Drachen,
den sie zu beherrschen scheint, Das Ganze ist die Abbildung
der Deckelhandhabe von einem Gefass, worin die Reliquien von
der Heiligen aufbewahrt wurden, namlich: ,xxvj partickel von
dem Gebein sant Margarethe, ein particke! von dem Ruckbeyn
und ein Zahn von sant Margaretha*, wie das Buch vermeldet.
Eine Vergleichung mit dem Original zeigte uns, dass Flegel

 
	treu und im Charakter des Meisters gearbeitet hat. Ftr die
beiden Engel, die ausserdem beigegeben sind, fehlte uns die
Gelegenhcit zum Vergleich, da diese — kleine Schildhalter, mit
den Kurfirstlich -Sachsischen Wappen — dusserst selten vor-
kommen und sich wohl nur in sehr wenigen Exemplaren des
ohnehin selienen Buches vorfinden. Desto dankenswerther ist die
Mittheilung hier, zumal, da es allerliebste naive Figiirchen sind.

Wir empfehlen das so gediegen fortschreitende Unternehmen

Weigels der wairmsten Theilnahme unserer Leser. м. =.
	Meitung.
	i Berlin. Landschaften von Balke. Der Reilte vou
norwegischen Kiinstlern, welche unser geehrter Mitarbeiter in
Norwegen vor Kurzem den Lesern vorfihrte, haben wir obigen
Namen hinzuzufiigen. Wir sahen eine sehr reiche Sammlung
skandinavischer Gegenden aus Hrn. Balke’s Mappe, skizzen-
haft frisch in Ocl auf Cartonpapier geworfen, voll Lebendigkeit
und Wirkung. Es ist jetzt in der Landschaftsmalerei die Zeit
der ungewohnlichen Gegenden und der wo méglich noch un-
gewohnlicheren Beleuchtungsmomente derselben. Hr. B., indem
er zwar sein Vaterland gab, ist in letzterer Bezichung der herr-
schenden Richtung, die der Virtuositat ein so grosses Feld er-
dffmet, gefolot. Aber es ist ohne gewaltsame Effecthascherei
	und mit einem klaren Auge fiir den Farbenvortrag der Natur
geschehen. Es ist, als ob er von der Oberfliche ihres bunten
Spiegels die Farbc heruntergeschépft und auf das Papier gelegt
habe, eine Anschauung, die durch den sehr pastosen Vortrag
unterstiitzt wird. Dieser ist dabei héchst einfach und beurkundet
eine grosse Sicherheit im Berechnen der Fernwirkung der Far-
ben und ihres Zusammenhaltens. Perspectivische Tiefe vermehrt
den poetischen Reiz dieser Gemalde. Das Nordkap in der mar-
chenhaften Beleuchtung der Nordlichtsfackeln oder der trau-
merischen Nachtsonne, Lappland mit seinen Rennthieren, die
Gletscher bei kiihlem Tagesschein, die Fjorde im Nebelspuk
des Mondes; von Staidten: Stockholm, Copenhagen, Christiania,
Hammerfest, Friedrichshall, Drontheim u. s. w., meist in der
ungewohnlichen Beleuchtung der scheidenden Sonne oder des
Mondes, das sind die Gegenstinde, die den Darstellungskreis
der Blatter bilden. Sie sind von sehr verschiedenen Dimen-
sionen, gehen bis zum kleinsten Albumformat herab und wer-
den von dem Kiinstler zu den Preisen von 14 Thir.— 20 Thir.
verkauft.

Enslen’s Rundgemalde. Die perspectivischen Rund-
gemilde von Enslen haben einen weitverbreiteten, wohlver-
dienlten Ruf und bewahren ihn auch in dem jetat hier aufge-
stellten Cyclus. Zundachst erfreut die Wahl des Dargebotenen,
die mit entschiedenem Sinn fiir historische, namentlich kunst-
historische Bedeutung gemacht ist. Man sieht vor Allem Rom,
vom Gipfel des Kapitols, und zwar in solcher Ausdehnung nach
den verschiedenen Himmelsgegenden hin, dass nur ein sehr
kleiner Theil fehlt, die volle Kreisumsicht zu vollenden. Die
Genauigkeit, womit hier die Denkmiler aller Zeiten aus der
langen Geschichte, die tiber die ewige Stadt hingerauscht ist,
eingelragen worden, ist wirklich héchst bewundernswerlth. Die-
selbe Treue der Auffassung zeigen die Piazza del Granducca
in Florenz, mit dem pallazzo vecchio, der Loggia, dem Pallast
degli Uffici u.s. w., das Forum von Pompeji, das eine sehr
deutliche Vorstellung von der aus dem Leichentuche hervor-
lauchenden rémischen Welt gewahrt, der grosse Canal von Ve-
nedig. Die Aufnahmen gleichen in dieser Hinsicht und in Be-
tracht der gliicklichen Linear-Perspective lebensgrossen farbigen