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	Wesen der Construction jedoch diese Nachahmung von ihnen
gehandhabt wurde, davon finden wir ein Beispiel in einem sehr
massiven Thurm zu Granada, an dem die Steine des Thorbo-
gens unter einander verzahnt sind, als halten sie durch sich
selbst keinen festen Schluss. Von ihren Kirchen haben sich
nur preisende Nachrichten erhalten, die aber keinen bestimmten
Begriff ihres Baustyls geben. Einige Andeutungen lassen je-
doch annehmen, dass sie den damals im Abendlande erbauten
Basiliken ganz dhnlich waren.

Eben so wenig scheinen sich in Spanien Kirchen aus dem
8. und 9. Jahrhundert erhalten zu haben. Zu den Altesten noch
stehenden ist wohl San Pablo del Campo in Barcelona
zu rechnen, welche nach einer daran befindlichen Inschrift von
Wilfrid 11 im Jahre 913 erbaut worden ist. Sie ist sehr klein
und von romanischer, sogenannt byzantinischer, Bauart. Die
Vorderseite, durch einen wagerechten Simms mit kleinen Bo-
gen in zwei Halften getheilt, hat in der unteren einen iber-
wélbten Eingang; die obere Abtheilung mit einem Giebel, den
gleichfalls Gesimms und kleine Bogen begrenzen, hat ein run-
des Fenster in der Mitte und etwas tiefer zu den Seiten zwei
kleine gewélbte Fenster. Hines der Kapitile ist mit Baren,
Greifen und Blatterwerk verziert. Wir finden hier im Allge-
meinen denselben Baustyl wie an Kirchen des 11. Jahrhun-
deris in unseren Gegenden.

In Barcelona befindet sich noch eine andere, der obigen
sehr ahnliche Kirche, San Pere de las Puellas genannt,
welche im Jahre 980 Graf Sunario hat erbauen lassen. Auch
San Pablo hinter dem Dom zu Tarragona ist von dersel-
ben Art,

In dem 12. Jahrhundert wurden in Spanien mehrere schone
Kirchen in der rein normdannischen Bauweise jener Zeit, die
wir den Uebergangsstyl nennen, und zum Theil selbst von Ar-
chitekten der Normandie errichtet ). Die Ursache davon war,
dass zu jener Zeit auf dem erzbischéflichen Stuhle zu Toledo
ein Franzose Namens Bernard sass, welcher seine Landgleute
begiinstigte und mehrere auf bischdfliche Sitze in Spanien er-
hob. Diese ftihrten den schénen normannischen Bauslyl aus
dem Anfange des 12. Jahrhunderts auch in Spanien ein, indem
sie Werkleute aus ihrem Vaterlande beriefen, oder selbst Ar-
chitekten dort holten, wie es bei dem Bau der Kathedrale zu
Tarragona der Fall war, wo Robert Burdet zu diesem
Behufe nach der Normandie reiste, als San Oldegar im Jahre
1131 den Plan fasste, jene Kirehe errichten zu lassen.

Schon im Jahre 1102 wurde die ,alte Kathedrale* zu
Salamanca im normannischen Styl zu bauen angefangen, als
Geronimo, der Beichtvater des Cid, ein Franzose von Gebutt,
daselbst Bischof war. Ihre vdllige Erhaltung verdanken wir
dem Bischof Francisco de Bobabilla,. der sie unberihrt stehen
liess, als 1513 die neue grosse Kathedrale angebaut wurde.
Der Grundriss zeigt, gleich einer alien Basilika, ein langliches
Viereck von drei Schiffen, von denen die zu den Seiten weit
schmaler und weniger hoch sind; sie enden nach Osten in eine
Tribune, oder halbkreisférmigen Chor und zwei nischenartige
Seitenkapellen. Zweimal finf Séulenbiindel oder vielmehr an
den Ecken eingekerbte Pilaster, mit drei Viertheil vorstehenden
Saulenschaflen an jeder Seite, trennen die Schiffe und tragen
die Kreuzgewélbe derselben; sie haben einen verkrépften, atti-
schen Fuss, der auf einer bankdhnlichen, kreisférmigen Basis
	1) Die Architektur der Normandie des 12. und 1s. Jahrhunderts gehért
nicht nur zu der ausgezeichnetsten jener Zeit, sondern ihr Einfluss auf einen
grossen Theil Europas, von England bis in das sidliche Italien, war héchst
bedeutend. Eine griindliche Erforschung derselben diirfte ein neues Licht
auf den Gang der Baukunst des Mittelalters werfen.
	Steht, wie dieses im nérdlichen Spanien tberhaupt dfter vor-
kommt, wohl um den miiden Andachtigen als Sitze dienen zu
kénnen. Die Kapitale sind mit Blatterwerk und Figuren von
feiner Arbeit reich verziert. Ueber der Vierung vor der Chor-
nische erhebt sich eine Kuppel, die vom Viereck in ein Sechs-
zehneck tibergeht; ihre Rippen, bis zum Schluss des Gewdlbes,
sind von drei Viertheil vorstehenden Cylindern mit Ringen ge-
bildet. Wie im Innern, ist sie auch aussen ganz in Quader-
steinen ausgefiihrt, hat vier vorstehende Giebel und eben so
viele kleine runde Thirme, die sich aus dem Viereck erheben.
Die zugespitzte Kuppel hat an den Rippen blatterartige Vor-
spriinge zum Aufsteigen und endet in einen Knauf. Die Fa-
gade ist durch einen spateren Vorbau nicht mehr sichtbar, да-
gegen aber bietet die Rickseite dieser schénen Kirche, die
schon im 13. Jahrhundert siidlich einen Anbau erhielt, einen
iiberaus reichen, malerischen Anblick.

  Dieser Kathedrale ahnlich ist die einfachere Kathedrale
zu Zamora, welche ebenfalls Geronimo, der Beichtvater des
Cid, theilweise umbauen liess. Ihre Facade ziert ein -grosses
rundes Fenster von besonderer Schénheit. — Kleine Kirchen
derselben Bauart in Salamanca sind noch Santo Tome de los
Cabaleros von 1136 und San Cristobal von 1150, beide
von etwas roher Ausfithrung; sodann San Adrian von 1156
und Santa Olalia, von sehr schéner und feiner Steinmetzen-
arbeit, gleichwie an der alten Kathedrale. Hochst merkwirdig
sind an denselben in den Profilirungen der Portalbogen jene als
Verzierung angebrachten und nebeneinander gereihten kleinen
Thierképfe, gleich Fuchsképfen, wie wir sie ganz ahnlich in
England antreffen ). Noch erwahne ich zu Salamanca die Kirche
S. Tomas a Beckel vom Jahre 1179, da sie ausnahmsweise
mit einem einfachen Glockenthurm an der Vorderseite verse-
hen ist.

Die im Jahre 1107 erbaute Kathedrale zu Avila in All-
Castilien zeichnet sich durch einen weiten, halbkreisférmigen
Chor aus, der, mit doppellem Umgang und Zinnen gekrént und
an der Grenze der Stadt gelegen, zur Vertheidigung derselben
dienen konnte. Die kleinen Rundbogenfenster, mit einer Ku-
gelverzierung ringsum, stehen oben in pilasterartigen Verstar-
kungen der Mauer in Quader. Sie haben Aehnlichkeit mit de-
nen an der Allerheiligen-Kapelle zu Regensburg?) aus der Mitte
des 12. Jahrhunderts. Zinnen hat auch der Thurm an der Fa-
gade, die ihrer zwei erhalten sollte, so dass das Aeussere der
Kirche fast das Ansehn eines festen Schlosses erhalt. Von den
drei Schiffen, im Spitzbogen tiberwdlbt, ist das miltlere sehr
breit und weit héher als die beiden zu den Seiten. Das Ge~
biude, sowohl im Innern, als von aussen, bietet aber wegen
spiterer Anbauten und Erneuerungen kein harmonisches Ganze
mehr dar.

Zu den Kirchen aus dem Ende des 12. Jahrhunderts darf
wohl San Pedro in Avila gerechnet werden. Auch hier ist
von den drei im Spitzbogen tiberwélbten Schiffen das mittlere
bedeutend hdher und breiter. Die fiinf Pfeiler zu jeder Seite
sind genau so gebildet, wie die der alten Kathedrale zu Sala-
manca, nur sind sie schlanker und die Kapitale schmiicken stark
iiberhangende Blatter, wie es auch noch im 13. Jahrhundert
iblich war. Ueber der Vierung erhebt sich eine Kuppel, in
der Art, als die zu Gelnhausen, aber niedriger, Der Chor
	1) In Oxford an St. Peter in the east, in Northhamptonshire an der
Earls Barton Church und 2u Iffley an S, Mary’s Church, die um 1160 er-
baut worden ist; hier befindet sich am Portal eine doppelte Reihe solcher
Thierképfe, die bis zum Sockel herabgehen, S. Britton, chronological hi-
story of christian Architecture in England. London 1826. 5.202.

2) Siehe eine Abbildung hiervon im, deulschen Kunstblatt 1852 8. -183.
Fig. 14 in der Mittheilung von F. v. Quast tiber Regenburgs Bauwerke.

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