vom Seitenschiff, der andre vom Kreuzarm aus und werden durch einen dritten bedeutend langeren verbunden, Somit ent- steht ein Rechteck von zwei sehr schmalen und zwei sehr breiten Seiten, wahrend gewohnlich die Kreuzgainge der quadratischen Anlage naher stehen. Diese hier sind spaler als die Kirche erbaut, in trefflicher Ausfihrung, noch in ganzer Herbigkeit des frihgothischen Styles. Die Rippen der Kreuzgewélbe ruhen auf Konsolen, das Stabwerk der Fenster ist noch rund profilirt, ohne Auskehlungen. — Die siidlich gelegene Sakristei ist quadratisch angelegt, aus bester gothischer Zeit, mit einem mitt- leren Rundpfeiler, an den sich, durch Hohlkehlen getrennt, acht runde Dienste fiir die Gewélbrippen Iegen. Auch das Fenster- stabwerk ist durchgebildeter, als an den Kreuzgangen. Die Kirche mag demnach in den Jahren von c. 1225—1275 erbaut sein; die Kreuzginge von 1275—1300, die Sakristei um 1300. Dass diese ungefahren Zeitbestimmungen nicht will- kiirlich gegriffen sind, wird die Betrachtung der beiden noch iibrigen Osnabriicker Kirchen ergeben, bei denen es an be- stimmten Daten nicht fehlt. Jenen beiden Kapitelkirchen stehen nimlich zwei stadtische Kirchen ebensowohl durch diese ihre Bedeulung, als auch durch den an ihnen consequent durchge- fihrten gothischen Styl gegeniiber. Es sind die Marien- und die Katharinenkirche. Von beiden die bedeutendere ist die Marienkirche. ren Aussenseilen wie im Dom durch Reihen kleiner Saulchen geziert werden, die Glockenkapitéle haben und durch Spitzbégen verbunden sind, — Die Anlage des Langhauses weicht dagegen von dem Plan der romanischen Basiliken wesentlich dadurch ab, dass es drei gleich hohe Schifle hat. Diese Anordnung, die in den nérdlichen Gegenden Deutschlands in gothischer Zeit die fast alleinherrschende geworden ist, erscheint in Westfalen schon im Verlaufe des XII. Jahrhunderts bei durchaus romani- schen Kirchen haufig. Sie macht den Charakter der Gebiude einfacher, klarer, aber auch monotoner. Die Pfeilerabstainde werden dadurch, dass nun die blos fiir die Arkaden bestimmten Zwischenpfeiler fortfallen, weiter und lichter. In der Johan- niskirche bilden sie Quadrate, und da die Seitenschiffe sehr schmal sind, so erhalten die Kreuzgewélbe derselben cine sehr langoestreckte Form. Auch wurde durch denselben Umstand eine Stelzung der Gurtbogen nothig, die durch ein zweites Kampfergesimse markirt wird. Die Pfeiler haben noch durch- aus romanische Anlage. Sie sind quadratisch, jedoch an den vier Ecken rechtwinklig ausgetieft und mit schlanken Ecksiul- chen versehen. Die Pfeilerflachen setzen sich an den schwe- ren, breiten Quergurten fort; aus den Sdulchen gehen die schwach abgeplatteten Kreuzrippen hervor, die noch das Merk- mal der Uebergangszeit, kleine runde Schilder, tragen. Die Saulchen haben noch die attische Basis mit dem Eckblatt. Im Wesentlichen sind also die Elemente romanischer Bauweise noch vorherrschend, wahrend die schlankeren, lichteren Verhaltnisse, so wie die wenngleich noch gedriickten Spitzbégen bereits einen neuen Geist athmen. Auch die Fenster beweisen, dass man schon ausgebildete gothische Fensteranlagen anderswo gesehen und hier in schlichtester Weise nachgeahmt haben mag. Sie haben némlich ein Stabwerk von primitivster Formation ohne Nasen und Kehlen, nur mit abgeplatteten und abgeschrigten Pfosten. Auch die Portale zeigen eine cigenthimlich schwan- kende Bildung: wenngleich spitzbogig tberwélbt, haben sie ro- manisch gebildete Einfassungssiulchen, die zwar an den Ka~ pitilen gothisches Laubwerk haben, deren Basen jedoch noch das romanische Eckblatt zeigen. Der Gesammieindruck des Innern ist nicht ohne eine ge- wisse Grossartigkeit; man fihlt ein energisches Ringen und Emporstreben, aber es liegt noch viel Schwerfilligkeit in den Bewegungen, und die alten, breiten Formen hemmen ein freie- res Aufwirtsdringen. Aehnlich wirkt das Aeussere, dessen Ausfithrung jedoch durch eine merkwiirdige Einfachheit, ja selbst Rohheit auffallt. Das Mauerwerk besteht aus Bruchsteinen, ob- wohl zumeist die westfilischen Kirchen der Uebergangszeit sich durch: zierliche, saubere Ausfihrung in sorgsam behauenen Werksteinen auszeichnen. Vom gothischen Styl hat man be- reits die Strebepfeiler, freilich in plumpster Bildung ohne Was- serschrigen, mit schwerfalligen Gesimsen, aufgenommen; auch sucht man die grossen Massen des den drei Schiffen gemein- samen Daches durch Seitengiebel zu verdecken, In scharfem Gegensatz hierzu steht nun wieder die Anlage des westlichen Thurmbaues, der durchaus romanischem Formprinzip folgt, und den man mit seinem horizontal geschlossenen, die beiden vier- eckigen Thiirme verbindenden Zwischenbau, seinen breiten Li- senen fir einen Rest von einem 4lteren Bau ansehen wirde, wenn nicht die spitzbogigen Blenden, so wie die ahnlich ge-_ wolbten kleinen Schalléffnungen deutlich auf die Zeit des XIII. Jahrhunderts hinwiesen. Der nérdliche Thurm hat noch den alten, stumpfen Helm, wahrend der siidliche einen Rococoauf- satz erhalten hat. Auch bei dieser Kirche ist ein Kreuzgang erhalten, der an der Nordseite in ahnlicher Weise angelegt ist wie beim Dom an der Siidseite. Zwei kurze Fliigel gehen nimlich, der eine Ueber sie existirt eine kleine Schrift von Dr. Wilhelm Abeken ), deren Angaben man in den wesentlichen Punkten durchaus beipflichten darf. Besonders wichtig erscheinen die Ausfiihrungen, welche die Baugeschichte der Kirche betreffen. Demnach muss die erste Griindung derselben zwischen die Jahre 1147 und 1218 fallen: denn im ersteren Jahre findet sie sich in einer Urkunde Bischof Philipps noch nicht neben den beiden Kapitelkirchen erwahnt, und im letzteren weist Bischof Adolf sie mit dem dazu gehérigen Banne iiber alle Eingepfarrten der Stadt dem Dompropste zu. Reste jenes alteren Baues sind der viereckige Westthurm und die beiden Eckpfeiler des Chores, die noch die romanischen Ecksaulchen zeigen. Die spatere Kirche hat den Thurm derartig in das Langhaus hineingezogen, dass die Seitenschiffe sich neben demselben noch forltsetzen, so dass man die an den Thurmseiten liegenden Schalléffnungen jelat im Innern der Kirche erblickt. Da sich an denselben Rundbégen, Spitzbogen und Kleblatiformen finden, die Umfas- sungssdulchen auch mit Ringen umgeben sind, ‘so scheint die Annahme begrtindet, dass dic altere Kirche um das Jahr 1200 erbaut worden ist. Die Betrachtung der Eckpfeiler des Chors hat, unterstiitzt durch die Auffindang der alten Fundamente, herausgestellt, dass jene alte Kirche eine einschiffige Kreuzanlage war, wie sie die Osnabritck benachbarte ehemalige Klostcr- kirche zu Oesede noch jetzt zeigt. Der Umbau und die damit verbundene Vergrésserung der S. Marienkirche fallt mit dem Aufschwunge des slAdtischen Ge- meindewesens zusammen; es scheint, dass die Biirgerschaft ihre Ehre darin gesucht habe, dem benachbarten Dome, mit dessen Kapitel sie in fortwéhrenden Conflicten Jebte, auch ihrerseits eine herrliche Kirche gegeniberzustellen, die als eigentlich stad- lische ecclesia forensis die Birgerschaft reprasenlirte. Ein ahn- liches Verhaltniss scheint, um nur ein Beispiel anzufiihren, in Minster die grossartige Anlage der S, Lambertikirche hervorge- rufen zu haben. Diese Bedeutung des Gebiudes stellt sich selbst in der Richtung heraus, welche der Neubau nahm: er begann namlich mit dem westlichen Ende, schloss mit dem dést- 1) Die 8S. Marien~ Kirche zu Osnabriick. Von Dr. Wilhelm Abeken, Sekretar des Archdologischen Instituts za Rom. Osnabriick 1843.