plindung hinter ihr zurtickbleiben. Sie kann andererseits eine objectivere Darstellung geben, und diese wird dann ohne Zweifel bestimmter, den wirklichen und historischen Verhaltnissen ent~ sprechender ausfallen, als in der Architektur. Aber zu der Reinheit und einfachen Objectivitat wie diese kann sie nicht gelan- gen. Nicht die Idee der Kirche, sondern der Mensch, der sich thr hingiebt, fiir sie opfert, der in seinem tragischen Conflicte mit ihr erliegt und so unwillkirlich ihre Macht offenbart, wird in den Vorgrund treten; nur mittelbar, nur -durch eine Abstraction von dem zunichst Dargestellten kénnen wir zu einer Anschauung der Idee gelangen. In gewissem Grade gilt dies auch von der Plastik und Malerei. Auch diese Kiinste kénnen jene bestimmte Idee nicht so unmiltelbar, sondern nur durch die Vermittelung menschlicher Gestalten verkérpern. Allein sie thun es doch in anderer mehr objectiver Weise. Die Plastik, indem sie uns die wiirdige Gestalt eines Apostels, Kirchenvaters, Kirchenfir- sten vorfihrt, giebt ihn uns wenigstens ruhig, mehr in seinem Dasein an sich, als in seinem Thun und Leiden, sie verdunkelt die an ihm erscheinende allgemeine Idee nicht durch diese Af- fecte. Der Malerei sind noch andere Wege gedffnet. Sie kann zwar durch menschliche Geslalten, aber in symbolischer Ver- bindung derselben, gewissermaassen in einer der Architektur ihnlichen Weise, die Idee der Kirche selbst verherrlichen, wie dies in Raphaels Disputa so untiberirefflich geschehen ist. Sie kann sich aber auch der poetischen Auffassung annahern, in bestimmter historischer Scene und vermittelst eines sittlichen Conflicts die Herrlichkeit der Kirche ins Licht zu setzen ver- suchen. Bei jener ersten Behandlungsweise ist der Maler un- bedenklich im Vortheile; der Dichter, der hierin mit ihm wett- eifern wollte, wiirde kalt und steif erscheinen, weil seine Ge- —slalten, da sie durch keinen Iebensvollen Hergang verbunden sind, isolirt dastehen witirden, wahrend der Maler, wenn er in den einzelnen Gestallen selbst dem Gedanken treu bleibt, durch ihre raumlich geordnete Verbindung die wirdigste und schénste Erscheinung und Verkérperung des Gedankens geben kann. Bei jener zweiten Weise ist dagegen der Vortheil ganz auf der Seite des Dichters. Die Mittel des Malers, um die in- dividuellen Motive, den innern Widerstreit der Pflichten, den Kampf der Empfindungen mit dem Verstande auszudriicken, sind offenbar schwacher als die des Dichters. Er wird daher, wenn er mit diesem wetteifern will, unwillktirlich die poetischen Mo- tive abschwachen, auf das Maass seiner Kunst reduciren, oder sich vergeblich in der Danaidenarbeit widersprechender Auf- gaben abmiihen. Er hat zwei fast unvereinbare Riicksichten zu beobachten. Der Geist seiner Kunst verlangt bei einem so ernsten und hohen Gegenstande strenge Formen und Verhilt- nisse, eine einfache, klare, architektonische Anordnung. Die poetische Bedeutung des Gegenstandes, da sic auf der Starke und Gewaltsamkeit des Conflicts beruht, kann nur durch die heftigsten Bewegungen und Verwickelungen anschaulich gemacht werden. Es bestehen also Granzen, die wohl tberschritten, aber nicht ungestraft tiberschritten werden kénnen. Dies gilt nicht bloss von den Griinzen zwischen der Malerei und der Poesie, sondern auch bei allen andern Kiinsten. Der Bildner, wenn er in das bewegtere Leben eingehen will, dessen die Malerei fahig ist, verscherzt die Wiirde und Reinheit, welche der Vorzug seiner Kunst ist; der Maler wird kalt und steif, wenn er plastische Schénheit und Ruhe auch fiir seine Gestalten als Erforderniss ansieht. Wenn die Musik zu malen versucht, unmittelbare Naturlaute in ihr Tongemalde aufnimmt; wenn die Baukunst sich in den feineren, nur dem organischen Leben an- gehérigen Curven bewegt; wenn die dramatische Poesie sich mit dem Flilterglanze dusseren Pompes umgiebt, fihlen wir es als eine Verirrung. Der Tanz, dic Verbindung der Musik mit Dieser materiellen Scheidung der Kinste entspricht dann auch nolthwendig eine Scheidung des geistigen Inhalts. Geist und Erscheinung sollen ja im Kunstwerke im Einklange stehen,; jedes Kunstgebiet ist daher auf ein adaquates Gebiet im.Reiche der Ideen angewiesen. Der Raum ist das Element, in wel- chem die Dinge in ruhiger Aeusserlichkeit und bestimmter Be- granzung neben einander liegen, die bildenden Kinste eignen sich daher far objective Auffassung, klare Gesetzlichkeit; sie verlangen fest begrainzte Begriffe, symmetrische Gegensitze. Die Zeit ist das Element der Bewegung und Verdnderung, der Ton die vernehmbare Aeusserung des Innern der Dinge, ihrer unsichtbaren Entfaltung; die Musik giebt daher den Ausdruck des Werdens und Vergehens, des subjectiven Lebens, der Ge- fihlswelt. Beide Kunstgebiete sind deshalb auch in der Auf~ fassung des geistigen Lebens auf etwas Abstracteres angewiesen, dort auf abstracte Aeusserlichkeit und Objectivitat, hier auf ab- stracte Innerlichkeit. Die Poesie schépft auch hier aus dem Vollen, sie beherrscht die Héhen und die Tiefen, scheut das Herbeste nicht und giebt die héchste und befriedigendste Lésung. Wie der Mensch und das menschliche Wesen schon ihr Natur- gebiet sind, so sind auch die Rathsel und Widerspriiche dieses Wesens, die Conflicte des sitilichen Lebens, die Kampfe der scheinbaren Berechtigung des Subjects mit den héheren Ge- selzen der Welt ihre geistige Aufgabe. Wie aber dort auf die volle Realitat der Kérperlichkeit und des Klanges, muss sie hier auch auf die reine Idealitat des Objectiven und Subjectiven verzichten, und sich naher an der Grainze der Wirklichkeit be- wegen. Allerdings zeigt sich diese technische und geistige Ver- schiedenheit der Kunstgebiete nur an den strengsten Gattungen und Stufen derselben in ihrer ganzen Scharfe; auf den ent~ wickelteren nehmen auch jene abstracteren Kiinste mehr aus der Wirklichkeit auf, nahern sich daher einander und der Poesie. Die bildende Kunst nimmt schon in der Plastik moralische und somit poetische Motive auf und giebt in der Malerei eine man- nigfach belebte Welt, Individuen in geistiger Verbindung und siltlichen Conflicten. Die Musik erlangt im Liede und noch mehr in der Oper mit Hilfe der Poesie gréssere Bestimmtheit des Gedankens und der Individualitat und giebt in der Sym- phonie in ihrer Weise und mit ihren Milteln ein breites Ton- gemilde. Bei diesen eniwickelteren Gattungen ist es méglich, die geistigen Granzen der Gebiete zu verkennen, auf jenen strengeren Stufen liegt sie unverkennbar zu Tage. Indessen besteht dennoch ein innerer Zusammenhang; die geistige Rich- tung jener primitiven Stufen behalt bis an die dussersle Granze desselben Gebiets ihre Geltung. Die Baukunst strebt bei ihren verschiedenartigen Aufgaben, das Wesen der Lebenssphiére, der sie im einzelnen Falle dient, der Kirche, des Staates in seinen verschiedenen Beziehungen, des Familienlebens u. s. f., in allen ihren Leistungen aber selbst unwillkiirlich das Wesen des Volkslebens, das Nationale, zu veranschaulichen. Ein jeder weiss, in wie hohem Grade ihr dies gelingen kann, wie namenilich die Idee der Kirche in keiner Kunst eine so hohe Verherrlichung erlangt hat, als in der Architektur, Betrachten wir an diesem Gegenstande, wie sich die andern Kiinste dazu verhalten. Die Musik vermag diese Idee an sich, in ihrem selbstindigen Bestehen nicht auszu~ dricken, aber sie giebt die kirchliche Stimmung, das Gefihl der hohen unanfechtbaren Wiirde der Kirche, also das Subjec- live dieser Idee, wiederum mit unibertrefflicher Tiefe. Die Poesie kann verschiedene Wege cinschlagen; sie kann das fromme Gefihl in Gebeten und Hymnen ‘aussprechen, sie wird hier die Musik an Tiefe des Gedankens, an Individualisation des Persénlichen ibertreffen, aber in der Innigkeit der Em-