einer solchen, wenn ich so sagen soll, dichterischen Wahl her- vorgegangen sind, keinesweges werthlos und verwerflich, son- dern recht bedeutend sind. Aber man wird doch meistens fin- den, dass diese Ausnahmen sich der Regel nahern, dass ihre Stoffe einfacherer Art, mehr oder weniger traditionell sind. Es waren Stoffe, die, wie die religiésen, wie die allgemein geschichtlichen, sich der dichterischen Behandlung entzogen und der kinstlerischen Gestaltung mehr Raum boten. Und wenn man auch noch weitergehende Ausnahmen aufzeigen kann, Kunst- werke, welche ungeachtet ihres mehr dichterischen Inhalts nicht bloss beritihmt geworden, sondern auch des Rulms wiirdig sind, so beweist das nichts als die Macht des Genies, auch wo es auf falschen Bahnen wandelt. Man hat es oft gesagt, dass die Kunst nur durch die Kistler falle, und an den Nachfolgern auch dieser bedeutenden Talente zeigt sich das Verderbliche ihrer Richtung. Ich weiss sehr wohl, dass diese falsche Richtung nicht von den Kitinsilern oder von den Kritikern allein ausgeht, dass sie in der Stimmung unserer Zeit begriindct ist. Machtig nur in der Beherrschung der materiellen Natur, individuell bis zur Auflésung aller allgemeinen Bande, in allen héheren Bezie- hungen unsicher, schwankend, oft theilnamelos verlangt sie die bildenden Kinste, ohne sich auf den Ideenkreis, in wel- chem diese ihre Starke haben, aufrichtig cinzulassen. Sie will auch hier so viel wie méglich Wirklichkeit, ohne zu wissen, dass diese der Tod der Kunst ist, dass nur eine heilsame, ge- selzmassige Beschrinkung zum héhern Leben fiihrt. Nicht die bildende Kunst allein, auch die Poesie Jeidet durch diese Rich- tung; auch sie ist im Epischen und Dramatischen, in den Schil- derungen des allgemeinen und héhern Lebens schwacher als im Lyrischen, Auch sie neigt sich dahin, die Seelenzustinde allzu gebrochen und complicirt, die Verhaltnisse allzu realistisch und detaillirt aufzufassen. Der biirgerliche Roman, die Schil- derung des alltaéglichen Lebens mit seinem Elend ist der Liebling der Leser. Wir wollen ferner zugeben, dass jene zunachst verderblichen Anspriiche auch ihre Berechtigung haben, glau- ben und hoffen, dass das Ringen mannigfalliger und bedeuten- der Krafte nicht vergeblich sein wird, dass es gelingen wird, zu neuer, versohnender Gestaltung zu gelangen; wir wollen denen widersprechen, welche das Zeitalter der Casarn verktin- digen und uns die Parallele jenes verfallenden Rémerreichs vor- halten. Aber ein Kampf, oder besser ein ruhiger, mannlicher Widerstand gegen jene materialistische und auflésende Tendenz ist doch auch auf unserm Felde néthig. Und dazu ist aller- dings die Kritik vorzugsweise berufen; denn auf naive Weise schreiten wir freilich nicht mehr leicht fort, das Gefihl leitet unsre Welt nicht mehr, es bedarf der Theorie, um die Erfah- rung fruchtbar zu machen. Aber ebendeshalb ist es auch drin- gend néthig, dass die Kritik sich nicht von der herrschenden Tendenz fortreissen lasse, und vielmehr ihre Pflicht erkenne, stets auf die Grundbedingungen kiinstlerischer Wirksamkeit zu- riickzugehn und an ihnen festzuhalten. Und somit, lieber Doctor, glaube ich meine Aufgabe, so viel hier méglich, erfiillt zu haben. Ob Ihr Ausstellungsbericht gegen diese Anforderung an die Kritik gefehlt hat, lassen wir fiiglich dahingestellt. Sind wir in den obigen Satzen nicht ет- verstanden, so besteht eine Meinungsverschiedenheit, die vor der Hand auf sich beruhen bleiben muss. Sind wir gleicher Ansicht, so habe ich Ihren Bericht irrig aufgefasst und bitte deshalb um Vergebung. Vielleicht sollte ich mich zum Beschluss auch noch auf Ihre Acusserungen tiber die religiése Kunst einlassen. Der Raum ist indessen erschépft und ich begniige mich mit einer vereinzelten Bemerkung tiber den ,Nazarenismus“, dessen Sie erwahnen. Wenn ich den kinstlerischen Sprachgebrauch kenne, so versteht man darunter eine stissliche, unkraftige Behand- lung religidser Gegenstinde, welche der Kirche dadurch zu dienen glaubt, dass sie der Natur und Wahrheit nicht ihre Rechte einraéumt, welche entweder dic Einfachheit und Naivetat alterer, namentlich altitalienischer Kunstepochen affectirt, oder doch aus einer persénlichen Ueberzeugung hervorgeht, welche manch- mal liebenswtirdig und selbst mit grosser kiinstlerischer Bega- bung verbunden sein kann, aber doch immer auf einer reli- gidsen Beschranktheit beruht. Schon die Nachahmung altdeut- scher, etwa Diirer’scher Formen wiirde man nicht mit diesem Namen belegen, wenn auch aus andern Grinden nicht billigen. Gegen diese Richtung zu kampfen, lohnt kaum der Miihe; sie gehért in der That schon der Vergangenheit an. Jedenfalls bin ich hier nicht Ihr Gegner. Das aber ist nicht Nazarenismus, wenn man der religidsen Kunst ein Beharren auf dem traditio- nellen Boden anréth, wenn man historische Gelehrsamkeit und einen genreartigen Naturalismus von ihr zuriickweist. Aller- dings soll dic Kunst auch bei religidsen Werken eine freie bleiben und keinen andern als ihren Gesetzen folgen. Allein diese Gesetze verlangen eben, dass sie jeden Gegenstand nach seiner Weise, also auch den idealen Gegenstand ideal, d. h. mit einer Unterordnung des Naturalistischen behandle. Wie weit diese Unterordnung gehe, das ist eine praktische Frage, welche allerdings nicht nach dem Maassstabe irgend einer fri- hern Kunstepoche, sondern nach den Bedingungen unsrer Zeit zu beantworten ist. Aber diese kénnen die innern Anforde- rungen des Gegenstandes und die Geselze der Kunst nur mo- dificiren, nicht ausschliessen, und nach diesen wird es heutzu- tage und ewig wahr bleiben, dass, wer den Gegenstand in sei- nem ganzen Ernst und seiner ganzen Kraft geben will, die Wirkung nicht durch fremdartige Zusitze schwachen muss. Da Sie auch dies unbedenklich zugestehn werden, so bleibt zu entscheiden, was hier fremdartig sei, und daritber werden wir auch dem religidsen Geftihl eine Stimme zugestehn miissen. Cc. Sehnaase. Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanten. Von J. Ю№. Passavant. (Fortsetzung.) ll. Bildhauerkunst. Wie in der Kirchenbaukunst die Spanier jenen Richtungen folgten, welche allgemein in der rémisch-katholischen Chri~ stenheit tiblich waren, so war dieses auch in ihren Werken der Sculplur der Fall, wenngleich mit einer Beimischung na- tionaler Eigenthiimlichkeit; diese bestand hauptsadchlich bis zum 16. Jahrhundert in einem wirdevollen Ernst in den Charakteren ihrer Figuren und einer grossartigen Einfachheit in der Ge- wandung, wahrend die Ausfiihrung oft etwas roh ausfiel. Hochst eigenthimlich ist ihre Sculptur in Holz des 17ten Jahrhunderts von den kleinsten bis oft tberlebensgrossen Fi- guren, die mit vieler Sorgfali vergoldet, bemalt und durch cin besonderes Verfahren geglattet worden, was die Spanier ,,esto~ fado“ nennen, und wodurch die Oberflache ein beinahe emaille- artiges Ansehn erhielt. Eine Kunst, die jetzt ganz verloren gegangen scheint. Aus Mangel an grésseren Bildhauerarbeiten des friihsten Mittelalters wenden wir uns zur Betrachtung ciniger Kleineren Arbeiten jener Zeit. — An den zu Oviedo ) und Salamanca 1) Da ich in dieser Stadt nicht gewesen, sich hier aber die altesten Reliquien befinden, so benutzte ich die in Murray’s Handbook gegebenen Notizen hiertiber.