im Kirchenschatz aulbewahrten Reliquien des 9. bis 11. Jahr- hunderts zeigt sich eine ganz Ahnliche Behandlung des Metalls und Elfenbeins, wie an den Werken jener Zeit in Deutschland. Das angeblich von Engeln gefertigte Kreuz zu Oviedo, von gleich langen Armen, ist mit Steinen ohne Facettenschliff besetzt und mit Filigran reich verziert. Die auf das Kreuz beziiglichen Inschriften schliessen mit der Angabe: Hoc opus perfectum est in era DCCCXEVI. A. D. SOS. — Dem 10. Jahrhundert scheint der sich ebendaselbst befindliche sogenannie Reise- Altar der Apostel anzugeh6ren; es ist ein Dyptichon von Elfenbein, in einem silbernen Verschlag, gleich einem Buch, Sicher aus die-’ ser Zeit ist das Kreuz des Paiayus, fa cruz de la victoria ge- nannt, welches angeblich vor der Schlacht bei Cangas vom Him- mel gefallen ist. Nach einer gleichzeiligen Inschrift ist es ein Geschenk von ,,Adefonsus et Schemena (Ximena) era 946. A. D. 908.“ — Von grésserem Interesse als Werk der Sculptur des 11. Jahrhundert erscheint das elwa einen Fuss hohe Kruzifix in Elfenbein, welches Nicodemus gefertigt haben soll und dem Styl nach dem kleineren in Bronze sehr ahnlich ist, das sich zu Salamanca befindet. Da es der Cid stets in den Gefechten vor sich hertragen liess, heisst es: ef crucifijo de las Batallas. Die Krone ist schwarz, die Schiirze vergoldet, mit weissem, damenbreltarlig mit Gold verziertem Girtel. Die Beine slehen neben cinander, das Gewand um die Hiiften reicht bis nahe an die Knie, ganz ahnlich wie bei dem grésseren Kruzifix in El- fenbein von besserer Arbeit, welches Kaiser Heinrich II, der Heilige, in den Dom zu Bamberg gestiftet hat und sich daselbst noch befindet. Ueber einige Sculpturen in Stein vom 11. bis 13, Jahrhun- dert an Kirchen zu Barcelona, Salamanca und Burgos war schon gelegentlich im Abschnitt iber die Baukunst in Spanien die Rede und wurde dabei angegeben, dass sie mit denen in Frankreich und Deutschland aus jenen Zeiten im Wesentlichen tiberein- slimmen. Dieses ist auch der Fall mit mehreren liegenden Fi- guren auf Grabmalern des 13. Jahrhunderts, namentlich in der Kathedrale zu Salamanca. Yon besonderem antiquarischem In- teresse sind die Sculpturen an der nérdlichen Puerta de los Apostolos der Kathedrale zu Burgos, welche der Mitte des 13. Jahrhunderts anzugehéren scheinen. In Spitzbogen des Por- tals thront der Heiland, zu den Seiten verehren ihn Maria und der jugendliche Johannes; dabei Engel mit den Leidensinstru- menten. Unter dieser Abtheilung befindet sich in Relief eine Kirche oder Kapelle, an der links drei Monche stehen, welche mit zwei Frauen sprechen und sie zu ermahnen scheinen. Rechts sieht man zwei Ménche von Teufeln gepeinigt, wahrend ein Engel im Goltteshause steht. In der profilirten Laibung des Spiizbogens stehen in drei Reihen Cherubim, Engel und Auf- erstandene. Erstere sind als Jtinglinge, in ganzer Figur, mit sechs Fliigeln, dargestellt. Unten zu den Seiten stehen zwi- schen Saulen die tiberlebensgrossen zw6lf Apostel unter Bal- dachinen. Die grossartige, wenn auch derbe Behandlung die- ser Sculpiuren ist von ergreifender Wirkung. Noch erwihne ich hier aus dem 13. Jahrhundert ein Reli- quienbehdltniss, welches Kénig Alonso el Savio der Kathedrale zu Sevilla geschenkt und daselbst unter dem Namen Tabula Alfonsines in der Sakristei des Chores aufbewahrt wird. Es hat die Form eines grossen quadraten Buches, welches, in 15 Felder eingetheilt, die verschiedenen Reliquien enthalt. Das mittlere ist mit Steinen umgeben, wobei einige kunstgeschicht- lich sehr interessante Gemmen in Onyx. Eine derselben zeigt Maria mit dem Christkinde auf dem Thron und zu den Seiten zwei Figuren mit Gefassen. Eine andere stellt drei musizirende Figuren dar, von denen eine auf einem Baum sitzt; zwei Un- geheuer héren zu. Diese Gemmen mittelalterlichen Styls sind von guter Arbeit fir jene Zeit. Eine dritte Gemme mit drei Figuren ist dagegen im antiken Styl gehalten. In den Leisten befinden sich Medaillons von Glas, die auf der inneren Seite in Gold bemalt sind, dabei cin S. Petrus. Wie das Innere des Reliquariums, ist auch dessen Aussenscite mit gepresstem Gold- blech tberdeckt, auf der sich die Darstellungen der Verkiin- digung und der Anbetung der Kénige in Medaillons wiederholen und mit den Wappen von Leon und Castilien abwechseln. Die sonstigen Ornamente, Blatterranken und Vogel sind von sehr fei~ ner Arbeit. Wir ersehen hieraus, dass schon damals Ausge- zeichnetes dieser Art in Spanien geleistet worden ist. Von vorziiglicher Arbeit und im edelsten Styl gehalten sind die Sculpturen an der Umgebung des in der Mitte der Kirche stehenden Chors (Respaldo del coro) in der Kathedrale zu To- ledo, welchen im 14. Jahrhundert der Erzbischof Tenorio er- richten liess. Ihn umstehen in Tabernakeln die Figuren der Apostel, von etwa halber Lebensgrésse; dariber erhebt sich ein durchbrochenes steinernes Gelander im reichen gothischen Styl, gekrént mit kleinen Figuren von Heiligen und Engeln. Sehr schén sind auch an der Siidseite die 21 gothischen Ein- theilungen mit Giebeln, tiber welchen sich eben so viele Haut- reliefs befinden; wahrend der Theil nach Westen mit 14 Dar- stellungen aus der Schépfungsgeschichte weniger ausgezeichnet ist. Gott Vater erscheint hier als ehrwiirdiger Greis in weitem Gewande. Die nackten Figuren des Adam und der Eva sind zwar gut in den Proportionen und die Zeichnung ist nicht eckig, aber ohne Studium, daher leer im Modellirten. Die Ornamente, vom schénsten deutschen Styl, haben geschmackvolle Vergol- dungen; in den Sdulenknaufen befinden sich dagegen hassliche Unthiere. Weiter am siidlichen Theil beginnen die Darstellungen aus dem Leben des Moses bis zur Gesetzgebung von geringerer Arbeit, und ferner die aus dem Neucn Testament, die aber schon dem 15. Jahrhundert angehéren und, nach der Behandlungsweise jener Zeit, eckig gebrochenen Faltenwurf haben. Diese Folge von stark vorstehenden Reliefs schliesst sich dem éstlichen Theil des Respaldo an, wo noch mehrere Statuelten von Heiligen unter Baldachinen von ausserordentlicher Schénheit und reizender Pracht der Ausstattung im Styl des 14, Jahrhunderts. Zwei schéne Kanzeln befinden sich zu den Seiten am Eingange zum dstlichen Chor und zwei prachtvoll gearbeitete und vergoldete Gitter aus dem 16. Jahrhundert schliessen nach beiden Seiten hin ab. Indem ich hier diesen Respaldo del coro ausfihrlich beschreibe, beabsichtigte ich ttberhaupt einen Begriff von der Pracht und kiinstlerischen Ausstattung zu geben, wodurch die spanischen Kathedralen einen ganz eigenthtimlichen Charakter erhalten; denn in der Mitte der Kirche stehend, bildet dieser Theil ein fir sich abgeschlossenes Gebaude, der hierdurch sehr die grossartige Wirkung des Innern beeintrachtigt, aber durch den Reichthum der herrlichsten Sculpturen cin wahres Museum der Plastik bildet. Sehr zu bedauern ist, dass hier der éstliche Theil des Respaldo durch ein monstréses Rococowerk in weis- sem Marmor aus dem 18, Jahrhundert von Narciso Tome aufs Widerwiarligste verunstaltet worden ist und dass selbst der alte grosse Retablo ihm weichen musste. Ueber der h. Jung- frau mit dem Kinde schwebt hier eine colossale Sonne, von En- geln umgeben, dariiber befindet sich die Darstellung des Abend- mahls und ist das Ganze mit der Statue der Religion gekrént. Dieses extravagante Werk ist jedoch der Stolz der Toledaner und wurde als das achte Wunder der Welt von dem Ménche Francisco Galan pomphaft besungen. Wiirdige Bildwerke im ernsten Styl des 14. Jahrhunderts, die aber wahrscheinlich erst im Anfange des 15ten entstanden sind, befinden sich im Kreuzgang der Kathedrale zu Burgos. Es sind einzeln stehende Statuen von Bischdfen, Einsiedlern