doch wenigstens in @er Schule des Jan van Eyck sich gebildet
haben, wie der alte Herlein und Martin Schén, welche aber
eben so wenig direkte Schiller des Meisters Jan gewesen sein
konnten, als Erhardus Schén, oder wenn man lieber will, der
Meister € S. Zu ihrer Zeit, und vielleicht in weitester Aus—
dehnung durch sie, war die Kunstrichlung des Jan van Eyck
am Rhein, in Franken und in Schwaben bereits verbreitet. Der
Meister € J, falls er der Miinchner Erhard Schon ist, hatte
daher in Siiddeutschland von zweiter Hand empfangen, wusste
aber nicht durchhin das anvertraute Gut in seiner Reinheit zu
bewahren. Daher kommt vielleicht die Ungleichheit, welche in
den ihm zugeschriebenen Bkiltern herrscht, so dass man von
jeher verschiedene Hande vermuthete. Ein Theil dieser be-
zeichneten oder ausgezeichneten Blatter kommt sicher auf Rech~
nung seiner Schulo oder gleichzeitiger Miinchner Meister, von
deren Dasein man friher keine Kunde hatle. Die Kunstge-
schichte schweigt von dem bedeutenden Kunststreben, welches
im 15. Jahrhundert, besonders unter den Herzogen Siegmund
und Albert IV, in Miinchen herrschle. Von einer Minchner
Schule wurde aber nie gesprochen, nur eine Schule von Lands-
hut halte man improvisirt, ohne zu bedenken, dass die Meister,
welche dieselbe bilden sollten, fast alle in Minchen gelebt ha~
hen.. Leider gingen bei der nach 1480 erfolgten Demolirung
der alten Frauenkirche, bei der gegen Ende des 16. Jahrhun-
derts begonnenen Modernisirung der jetzigen Metropole und bei
der Aufhebung der Kléster 1801 und 1802 viele alte Sculptu-
ren und Gemaide zu Grunde oder wurden verschleppt und als
Werke unbekannter Meister nach allen Winden zerstreut, Ein
Theil der gereitteten Kunstschalze ist jedoch noch in der k. Ga-
lerie zu Schleissheim auf- und zuriickgestellt. Ich werde bei
Gelegenheit eine kurze Geschichte der Kunst in Mimchen im  
15. Jahrhundert bis gegen 1550 schreiben, da mir alte Docu-
mente zu Handen gekommen sind, welche man lingst verloren
geglaubt hatle. Aus den Originalpapieren der St, Lukaszunft
in Miinchen, dann aus alten Akten des k. Reichsarchivs-Con-
servatoriums und aus anderen Urkunden habe ich in meinem
»Neuen allgemeinen Kinstler-Lexicon* eine bedeutende An-
zahl vergessener bayerischer Kiinstler in die Geschichte einge-
fihrt, nur standen mir erst im Verlaufe des Druckes die alten
Zunf{lpapiere zu Gebote, so dass ich nur einen Theil benutzen
konnte. In Brulliot’s Dict. des monogrammes sind ziemlich viele
als unbekannt aufgefiihrt.

Durch das Studium dieser kunstgeschichtlichen Quellen kam
ich auch auf die alten Kupferstecher des 15. Jahrhunderts, an
deren Spitze nach meiner unmaassgeblichen Meinung der Mei-
ster & S steht. Er gehdrt der Klasse der Goldschmiede an,
so wie im Allgemeinen die Kunst des Kupferstiches von diesen
ausgeht. Unser Meister war aber auch Maler und Zeichner,
wie viele seiner Kunstgenossen, da im 15. Jahrhundert die Kunst-
zweige nicht so geschieden waren, wie dies spater eintrat. Ich
fand seiner in den genannten Archivalien von 1460— 1501 er-
wahnt, gewohnlich unter dem Namen Magister Erhardus, zu-
weilen mit dem Beisatze Aurifex oder Aurifex et Sculptor. In
dem fragmentarischen Nolizenbuche eines Klosters, wahrschein-
lich in Miinchen, welches, nach den wenigen erhaltenen Blat-
tern zu urtheilen, von 1456 ab Einschreibungen enthalt, fand
ich den M. Erhardus Aurifex et Sculptor als Verfertiger ciner
Tabula Sanctae Trinilatis bezeichnet, welche nicht bemalt sein
konnte, da der Urheber Goldschmied und Stecher genannt wird.
Hinsichtlich dieses Werkes schwebt mir die von Dibdin, Bi-
bliogr. Tour. IT. 277. erwahnte alterthiimliche Darstellung der
Dreicinigkeit vor. Dibdin fand das Blatt zu Miinchen an dem
vorderen Deckel eines Buches eingeklebt, mit der Beischrift:
Frater conradus Damberger de zeytt 1462. Hine ahnliche Dar-

 

 
	 

Stellung ist uber dem HKingange der von Herzog Siegmund er-
bauten Kirche in Plutenburg, wo aber das Symbol des h, Gei-
stes nicht auf der Achsel des Heilandes zu sehen ist, sondern
tiber dem ewigen Vater schwebt. Der Maler ist Hans von Olm-
dorf, welcher demnach noch 1488 an dem alten Typus fest-
Мен. Das von Dibdin aufgefundene Buch stammt wahrschein-
lich aus einem Kloster in Miinchen, vielleicht aus demjenigen,
fiir welches die Tabula S. Trinitatis bestimmt war. Das von
Dibdin erwahnte Werk ist indessen ohne Bezeichnung, man
schreibt es aber dem Meister € S zu, welcher in anderen
Blattern eine viel gréssere Sicherheit verrath, so dass der Stich
in die frithere Zeit des Kiimstlers gehéren miisste. Ferner kam
mir ein Abdruck des kleinen Blattes No. 71 mit St. Philipp und
Jakobus in einer golhischen Nische zu Gesicht, auf welchem
der Buchstabe @ mit der Jahrzahl 1467 steht. Auf diesem
Exemplare stand in dem sechs Linien breiten Unterrande in
alter Schrift: M. Erhardus A. S. Den Namen Erhardus Aurifex
Sculpt. cels in alten Charakteren fand ich auch auf einem Blatte,
welches die Bavaria vorstellt, oder wenn man lieber will, eine
weibliche Figur in faltenreichem Gewande, mil der Standarte
und dem Wappen des Herzogs Siegmund von Bayern. Im k.
Kupferstich- Cabinet zu Miinchen liegt ein Abdruck dieser Dar-
stellung im Portefeuille des Meisters € 5. In der Zeichnung
erinnert das Blatt an die Kunstweise des Hofmalers Hans von
Olmdorf. Die erwahnten Blatter mit den Schriflen im Rande
erwarb der verstorbene F. X. Steger mit einer Folge von zwolf
Aposteln und einigen alten Zeichnungen bayrischer Kistler in
einem Biirgerhause zu Miinchen, welches in friher Zeit Gold-
schmiede zihlte. Das Blatt mit den Aposteln und jenes der
Standartentrégerin wanderte, des Unterrandes beraubt, um Ega-
Шар zu erzielen, angeblich nach dem fernen Norden.

Yon grésserer Wichtigkeit ist aber die Angabe eines ur-
kundlichen Fragmentes oder eines Blattes aus einem sehr alten
Notizenbuche, welches vielleicht aus dem Archive der alten
Frauenkirche zu Munchen stammt, wenn nicht nirgend ein geist-
licher Kunstfreund dasselbe angelegt hat. Auf diesem Blatte ohne
Daium steht neben dem Nachweise tiber kirchliche Emolumente:
Erhardus Schoen ) Aurifex Pictor qui fecit Crucife™ Capellae
Tulbec®s etc., damit bricht der Text ab und das folgende Blatt
ist verloren. Die Familie Tulbeck in Minchen hatte in der
alten Frauenkirche eine eigene Capelle, deren Stiftung auch in
die neue Kirche wberging. Die erwahnte Kreuzigung Christi,
ein ziemlich grosses Bild auf Goldgrand, befindet sich noch in
der Metropolitankirche und tragt die bekannten Buchstaben € A,
aber schief gezogen, da sie auf dem Fahnchen eines Soldaten
stehen. Das Gemalde ist ohne Jahrzahl, man kann aber die
Entstehung um 1475 setzen. Damals lebte der resignirte Bi-
schof Johann Tulbeck von Freising in Miinchen und starb da-
selbst 1476. Er liess vielleicht das Bild der Kreuzigung Christi
malen, welches aber in der jetzigen Capelle der Tulbeck’schen
Stiftung keine Stelle finden konnte, da der Raum beengt ist.
Wenn man indessen annehmen will, dass deswegen die grosse
Kreuzigung nicht aus der allen Capelle stamme, weil sie jetzt
in einer anderen Capelle angebracht ist, so mag 6$ geschehen
und ein kleineres Gemalde vermuthet werden, was ich nicht
glaube. Die Buchstaben € S passen aber auf den sogenannten
Meister & & von 1465 und auf unsern Erhardus Schon. Unter

diesem Namen kommt der Aurifex Pictor auch in den Zunft-
zeltteln vor, in welchen aber meislens M, Erhardus geradeweg

zu lesen ist. Er steht 1486 an der Spitze seiner Kunstgenos-
sen und es ist sogar moglich, dass er noch 1501 am Leben
	1) Oben zwischen den Buchstaben o und n_ schiangelt sich yon g her
	ein Strich, so dass wohl sicher Schoen zu lesen ist.