geschickt, Wie ein echter Tod drang er tiberall hin und man konnte der genialen und grossartig einfachen Conception und Ausfiihrung seine héchste Bewunderung nicht yersagen. Es war uberhaupt eine Zeit der Todtentinze; der geheime Reiz dieses grossen ernsten Stoffes hatte manches Kiinstlergemiith an-~ gezogen und Kaulbach halt, wie wir wissen, noch mit einem ganzen Cyklus von Compositionen der Art hinter dem. Berge. Rethel’s Compositionen standen allen tibrigen, damals erschie- nenen, voran. Seine sechs Bilder hatten eine bestimmte poli- lische Tendenz. Unendlich reich aber, wie dieses Thema ist, hat er in den obengenannten beiden Blattern andere Motive zur Geltung gebracht. Wir wissen nicht, ob sie die Vorlaufer von einer Reihenfolge von Todtentanz-Bildern sind, unter sich ha- ben sie aber einen Zusammenhang dadurch, das sie gegen- satzlich hier das sanfte und stille Verscheiden eines lebens- miiden und lIebensverbrauchten Alten, dort das plitzliche un- vorbereitete Ende der Jugendlichen darstellen inmitten dem voll- schlagenden Pulse des aufgeregtesten und heitersten Lebens. » Der Tod als Pilger“ ist ein friedenvolles, hochpoetisches Bild. Der Schauplatz ist die Glockenstube eines Thtrmers. Durch das offene Bogenfenster sieht man in eine weite Abend- landschaft hinaus. Die Sonne geht eben zur Riiste. Nicht weit vom Fenster, in dem ledergepolsterten Lehnstuhl, silzt der alle Wachter, der da oben so einsam gewacht hat und da nun ruhig eingeschlummert ist, die welken Hinde im Schooss, wie zum Gebet gefallet. Er hat im Evangelium gelesen, das neben ihm auf dem Tische liegt, der auch das einfache Abendbrod tragt. Der Tod ist in Gestalt eines Pilgers hereingekommen. Hut, Wanderstab und Palmenzweige hat er abgelegt und ist zum Glockenstrang getreten, um das Sterbeglécklein fir den zu lau- ten, der es oft fiir Andere gertihrt hat. — Durch die ganze Darstellung geht eine wunderbar harmonische, rtthrende Stim- mung, kleine aber héchst glickliche Motive Ilauschen, wie jenes Voégelchen auf dem Fensterbrette — selbst ein solches — tiberall hervor; der Schauplatz, die Glockenstube, ist theraus charak- teristisch und real wiedergegeben, so dass sich Nichts sagen liesse, was dieser vortrefflichen Composition mangeln sollte. Dabei ist der Vortrag in einfach derber, schlichter und breiter Weise gehalien, wie sie mit Recht unsere heuligen Kinstler wieder zu kultiviren beginnen, und wie sie so angenehm an die alten Meister gemahnt. Das andere Bild zeigt den Tod auf dem Maskenballe. Hier ist der Kimstler mit nur einem Opfer nicht ausgekommen. Hier wird gemaht. Mir geht eine alte Ballade durch den Kopf, in der von einem Madchen erzahlt wird, das sich lieber todt tanzt, eh’ es mit dem mahnenden Bruder nach Hause geht, weil dann sein Schatz mit einer Andern tanzen wiirde. Aber dergleichen wollte hier der Kinstler nicht; es kam ihm nicht sowohl dar- auf an, einen Tanzer von jenem alten bertihmten Tanzmeister, so zu sagen, auf frischer That ertappen zu Jassen, als -—- im Gegensatz zu dem ersten Bilde — die Jugend im Taumel der Lust unvorbereitet und unerwartet, man méchte sagen, unmoti- virlabrufen zu lassen. Im Grunde kommt der Tod niemals unmotivirl, wir wollen nur seine Molive nimmer recht gelten lassen. Halle also der Kinsiler irgend ein junges Blut mitten in der heitersten Lust vom Knochenmann ergreifen lassen, wir wiirden nicht viel nach dem Warum dabei zu fragen haben. Aber es hat allerdings eine schauervollere Wirkung, wenn er plitzlich seine Sense in den schimmernden Ballsaal hineinstreckt und statt der Aehren ganze Garben schneidet. Darum hat der Kistler das Factum benutzt, dass die Cholera in Paris zuerst auf einem Faschingsball ihre tédtliche Geissel geschwungen hat. Da steht er in der Mitte des Saales unter dem grossen Kro- nenleuchter im langen Domino und fiedelt, Seine abgebundene schwarze Maske mit den leeren Augen hangt am Arme. Seine Geige ist ein Menschenknochen und sein Fiedelbogen, den er mit einer dimonischen Grazie bewegt, ist auch ein langer diin- ner Menschenknochen. Die Knochenbeine, deren Fuss ein be- biinderter Tanzschuh bekleidet, machen einen zierlichen Tanz- schritt. Rings umher liegen die umgefallenen Masken, vor al- lem Arlequin und Columbine. Der Тапизаа!, 452 schimmernd, Der wird zum Lazareth, Von jedem Munde wimmernd Ein Todesseufzer geht. Die Lichter weh’n, wer blas’t daran, Das sind die Seelen, die fliezen von dann’. wie der Dichter sagt. — Yon der Musiktribiine entweicht mit Entsetzen die tiberflissig gewordene Musikbande. Im Hinter- grunde sitzt eine magere, dunkle Asiatin mit weissem Burnus angelhan, eine Geissel in den Handen, die Gestalt der. Pest. — Diese doppelte Verkérperung des Todes hat etwas Stérendes, Unlogisches. Man meint, der Tod selber halite sich in ihr Co- stim werfen sollen, anstatt sie als Begleilerin mitzubringen. — Sprechende, wirksame Motive, worin Rethel Meister ist, finden sich auch hier. Z.B. jene herabgeglittene lachende Maske des Harlekin, hinter welcher das schmerzverzogene Choleragesicht hervorkommt und Aehnliches. Beide Blatter haben in ihrer ernsten Poesie, in Composition und Ausfihrung etwas von Balladen im Volkston, ein Gebiet, welches anzubauen sowohl Rethel durchaus das Talent, als die vortreffliche Holzschneideanstalt die Miltel der Ausfiihrung hat. Die grosse Wohlfeilheit untersttitzt eine weite und verdiente Verbreitung. Méchte der Kinstler aus Italien, wohin er aus Gesundheitsriicksichten gegangen, ristige Kraft und Lust zum Weiterschaffen mit zurtickbringen. EB. Ey A,eitume. ‘EH ЭетиИЦ. In der siidlichen Kuppel des neuen Museums werden drei gréssere historische Fresken stereochromatisch ausgefihrt werden. Und zwar wird dort 1. Der Karton von Kaulbach: ,Karl der Grosse und Wittekind*, den wir unsern Lesern Jabrg. I. S.15 und 51 ausfihr- licher beschrieben haben, durch den Maler Graeff in Farbe ibersetat werden, Sodann ist 2, Prof, Julius Schrader beschaftigt, ,Die Ein- weihung der Sophienkirche zu Constantinopel durch Kaiser Justinian“ zu komponiren. Wir sahen die Oelskizze. Links erheben sich die kranzumwundenen Savlen des glanzenden Portals der Kirche. Der Priester steht davor und erhebt eben den Weihkolben. Ihm gegen- aber der Thron des Kaisers, welcher Letztere sich erhoben hat und an den sich der Sohn anlehnt. Rings umher die Wirdentriger des Reiches, die Geistlichkeit, Volk in malerischer, schéngeordneter Grappirung. Den Umstand, dass es hier die Weihung gerade dieser Kirche gilt, hat der Kinsller sehr geschickt und ungezwungen durch das Motiv angedeulet, dass so eben der auf Handen getragene, hekranzte Bau- meister Anthemius von Tralles auf dem Platz der Weihe aunlangt, wahrend das allbekannte Modell der Kirche vor ihm hergetragen und eben an den Boden niedergelassen wird. 3. Das dritte Bild ist im Gegenstande noch unbestimmt. ir. Stilke wird es ausfithren, Die yon Prof. Drake far London ausgefihrte kolossale Vase mit dem herumgelegten Relief von dem Kénigsdenkmal im Thiergarten in etwas kleinerem Maassstabe ist so eben vollendet worden und stellt sich als ein Meisterstick geschmackvoller und edler Formen dar. Drake ‘st von London aus ersucht worden, bei der Aufstellung seines schénen Werkes persénlich gegenwartig Zu sein. Franz Kugler giebt eine Reihe von Liederheften heraus, yon de- nen bereits zwei erschienen sind, welche theils héchst ansprechende Kompositionen fremder Lieder von ihm, theils Lieder von ihm zu Volks- melodien enthalten. Was den schon ausgestalteten (bei Ebner und