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	serdem noch an Flachen ubrig ist, bedeckt fein stylisirtes go-
thisches Laubwerk und Masswerk. Die ganze Arbeit ist von
héchster Zartheit, Zierlichkeit und Lieblichkeit des Ausdrucks
und macht diesen Keleh zu einem der vorziiglichsten derartigen
Werke mittelallerlicher Kunst.

Sodann sind zwei Statuelten aus dickem Silberblech auf
Holz getrieben zu nennen, die aus gothischer Zeit stammen,
die thronende Himmelskénigin mit dem Kinde und den В. Ре-
trus darstellend. Letzterer ist der einzig ubriggeblicbene von
den zw6lf Aposteln, die ein Raub des dreissigjahrigen Krieges
geworden sind. Bekanntlich ist es Sitte der katholischen Kirche,
an hohen Festtagen solche Statuen auf dem Hochaltare der Ver-
ehrung der Gliubigen auszustellen.

Mehrere Kreuze und Kruzifixe kommen noch hinzu. Zu-
nachst ein fast gleichschenkliges Kreuz aus romanischer Pe-
riode, tiber 2 Fuss Jang, in Goldblech auf Holz getrieben, be-
deckt mit goldner Filigranarbeit von geschmackvoll ornamenta-
lem Charakter, mit vielen edlen Steinen, darunter acht antiken
Gemmen und zwei Kameen von besondrer Grésse. Am Kopf~
ende findet sich ein kleines in Gold ciselirtes Kruzifix ange-
bracht, Christus in strenger byzantinisirender Auffassung, mit
der Majuskelschrift: ,,Jesus. Nazarenus. Rex. Jud. 4.2“ Die
Ritckscile ist durch Darstellungen der Evangelisten und reiche
Arabesken in Emaille geschmiickt. — Noch sind drei silberne
Kruzifixe, zum Tragen bei Prozessionen bestimmt, aus gothi-
scher Zeit anzuftihren.

“Auch die anderen Kirchen Osnabriicks haben noch manche
derartige Kunstwerke aufbewahrt, wenn anch keine sich mit
dem Dome darin messen kann. Ich nenne aus der Johan-
niskirche zunachst eine silzende Statue von Silberblech aus
friihromanischer Zeit, wie es scheint den h. Petrus dartellend,
denn die Linke halt auf dem Knie ein Buch, auf welchem meh-
rere Schliissel liegen, indess die Rechte mit den drei ausge-
streckten Fingern erhoben ist. Vielleicht auch hat man sich
Christus thronend als Weltheiland und Weltrichter darunter zu
denken. Der Kopf ist modern aufgesetzt in abscheulicher Ar-
beit. Bekleidet ist die Figur mit einem Messgewande — einer
Chorkappa — des alten Schnittes, mit dem Yformig gebildeten
Kreuze. Dieses Gewand ist vergoldet. Die Gewandung ist von
schénstem, an die Antike streifenden Styl, fliessend, ebenso
wiirdevoll und еде], als reich und mannichfaltig. Die Sella,
auf welcher die Gestalt sitzt, ist mit Saulen und Bogen geziert,
ausserdem mit einer Fille von Arabesken von elegantester ro-
manischer Zeichnung bedeckt. Auch die Borle des Kreuzes
am Messgewande ist mit der schénsten Filigranarbeit geschmiickt,
leider hat man die Edelsteine, welche sich frither dazwischen
angeordnet fanden, herausgebrochen. -— Eine ahnliche Madon-
nenstatue von Goldblech aus gothischer Zeit bietet geringeres
futeresse. Bedeultender dagegen ist cin altes romanisches Kreuz
von Goldblech mit der prachtvollsien Filigranarbeit, 14 Fuss
lang. Auch hier ist der untere Schenkel nur um Weniges lan-
ger, als die tibrigen. Die Riickseite zeigt gleich den meisten
ihnlichen Arbeiten die eingeritzten Darstellungen der Evange-
listenzeichen und des Lammes.

Bemerkenswerth ist, wie die verschiedenen Kunstepochen
nicht allein ihre besonderen Style, sondern auch ihre besonders
beliebten Darstellungsmiltel haben. Filigranarbeit, Emaillirung,
getriebene Arbeit, das ist grésstentheils die Art, in welcher
der romanische Styl solche Gegenstinde des Kirchenprunks be-
handelt. In gothischer Zeit verschwindet dicse mehr malerische
	sen fiinf Heiligenschreinen cinen volistandigen Commentar zur
Geschichte der Behandlung und Umgestaltung dieser Art von
Werken von der Friihzeit des Mittelalters an bis zum Ende des
gothischen Styles. Die Gesammtanlage bleibt immer diesclbe,
aber die Durchfiihrung ins Einzelne athmet den Styl der jedes-
maligen Kunstrichtung.

Merkwiirdig erscheint ein elfenbeinerner Kamm, des-
sen Darstellungen das Geprage hohen Alterthumes tragen und
der hergebrachten Meinung, dass es ein Kamm Karls des Gros-
sen sei, keineswegs widersprechen. Ein Halbkreisfeld, welches
die beiden Reihen starker Zihne trennt, enthalt auf der einen
Seite cine interessante geschnitzte Reliefdarstellung. In der
Mitte auf einem Throne sitzt ein Heiliger mit runder Aureole,
den man der Ueberschrift nach fiir den h. Petrus halten muss.
Zu jeder Seite knict ein Heiliger, jeder von dem Thronenden
ein Buch empfangend oder —. die Darstellung ldsst dies unge-
wiss —- es darreichend. An jedem Buche befindet sich ein
Stabchen, das eine mit einem S und einem Kreuze darauf, das
andre mit einem R, das durch einen tibergelegten Querbalken
zugieich ein T zu bilden scheint. Was diese Embieme bedeu-
ten, ist mir unklar. Die Arbeit ist von slrengem Charakter,
die Gewandung allrémisch, die Gesichter bartlos, aber keines-
wegs jugendlich. Die Riickseite zeigt Ornamente geometrischer
Art, in drei Kreise eingeritzt.

Ausser diesen alterthiimlichen Arbeiten erwahne ich noch
aus dem Domschatze vier schéne goldene Kelche aus gothischer
Zeit, einen darunter aus dem Jahre 1482, einen dagegen von
besonders eleganter Form aus friihgothischer Periode. Ueber-
haupt sind die Arbeiten dieser Art, welche im gothischen Style
ausgefiihrt sind, fast immer von tiberraschender Schénheit der
Formen und Verhialtnisse; die drei Hauptbestandtheile des Kelichs,
— die Cuppa, der Fuss und die zwischen beiden liegende Hand-
habe mil meist. sechsbuckligem Knopf — stehen in feinster Wech-
selbeziehung zu einander. Manchmal kommen zierliche deko-
rative Ausfihrungen hinzu; so auf dem Fusse eines dieser
Kelche eingeritzt, emaillirt ein Christus am Kreuze mit Maria
und Johannes, wihrend ein andrer dieselbe Darstellung als Re~
liefbildchen zeigt.

Besonderer Erwahnung verdient aber ein andrer goldner
Kelch von vorztglicher Grésse und Schénheit aus dem XIV. Jahr-
hundert. Seine Grundform ist edel, wenn auch minder leicht
und graziés, als manche der spiteren gothischen Werke; so
ist namentlich die Cuppa cin wenig ausgebaucht, wahrend die~
selbe in gothischer Zeit in straffer, fast gerader Linie schrag
ansteigt, und erst in der Renaissance~Periode einen vollen,
hauchigen Charakter annimmt, Auf dem flach gedriickten Fusse
sind sechs Darstellungen aus der Passion Christi, jede in ar-
chitektonischer Umrahmung von Stabwerk eingefasst. Die Hand-
habe besteht aus einem seckseckigen, zierlich mit Strebepfeilern
versehenen Schafte und einem kraftigen Knopfe. Zuunterst am
Schafte finden sich zwischen den Strebepfeilerchen sechs sitzende
Figiirchen mit Spruchbandern. Ueber denselben folgen sechs
Apostel in gothischer Bogenumrahmung, sammtliche Arbeiten
in feinster Art ciselirt. Oberhalb des Knopfes folgen dic an~
dern sechs Apostel. Besonders sinnig ist aber die Auschmik-
kung des Knopfes selbst. Seine sechs vortrelenden Buckel ent-
halten auf blauemaillirtem Grunde die Darstellung des Pelikans,
des sich selbst verbrennenden Phinix, sowie die Zeichen der
Evangelisten. Die tiefer liegenden Zwischenraume fiillt je ein
musizirender oder ein Spruchband haltender Engel. Was aus-~
	(Der heutigen Nummer liegt das Beiblatt No. 3 bei.)
	Verlag von Rudolph und Theodor Oswald Weigel in Leipzig. — Druck von Gebr. Unger in Berlin.