ЭмО. Organ der deutschen Kunstvereine. “Zeitung fir bildende Kunst und Baukunst. Unter Mitwirkung von Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase in Berlin — Férster in Minchen — Eitelberger v. Edelberg in Wien пегаизсесереп уоп Ог. Е. Ессег$ шт ВегИп. Af 12, Sonnabend, den 19. Miirz. 1853. Snbalt: Zwei neue Kirchen in Berlin. W. Libke. — Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien, von J. D, Passavant. (Fortsetzung.) — Zeitung. Berlin. Diisseldorf.. Bonn. Minchen. Nurnberg. Amsterdam. Athen. Smyrna. — Kanstvereine. Aus dem Bericht des Frankfurter Kunst- vereins tber die Generalversammiung am 19. Dee. 1852. — Literarische Anzeige. Zwei neue Kirchen in Berlin. Wenn man bei Beurtheilung moderner Kirchenbauten die Werke miltelalterlicher Architektur als Massstab anlegen will, so wird im Allgemeinen Nichts dagegen einzuwenden sein, so- bald man sich nur dartiber verstandigt, in welcher Weise dies zulassig sei. Sofern der gemeinsame Zweck, ein Gebaéude zu errichten, das die christliche Gemeinde zum Dienste des Herrn vereine, den Gesammtplan, so wie die stylistische Durchfiih- rung vorzeichnet, sofern wird jener Massstab ein gerechlfer- ligter sein. Schwieriger wird aber schon und verwickelter die Frage, welchen von den historisch ausgebildeten Stylen man vorzugsweise als mustergillig annehmen solle. Hier scheiden sich sofort die Feldlager; ,hie romanischer, hie gothischer Styl* schallt das Losungswort; es entbrennt ein hitziger Streit, in dessen Verwirrung die Kampfenden gewdhnlich die entschei- dende Grundlage der ganzen Frage aus den Augen verlieren. So sehr sich namlich in jenen beiden Stylen gemeinsam die Ideen des Chrislenthums kiinstlerisch krystallisirt haben, so fand doch dieser Bildungsprozess bei beiden unter durchaus veranderten Bedingungen statt: jeder von Beiden wurde ein treuer Spiegel seiner Zeit mit ihren besonders ausgepragten geselischaftlichen und kirchlichen Verhaltnissen. Wie das Dogma der Kirche unverandert dasselhe blieb, so waren auch gewisse allyemeine Grundziige der Architektur unantastbar: aber das Dogma bezeichnet nur eine bestimmte Richtung, gibl nur die Kérperumrisse des grossen Organismus,; seine Seele, sein ethi- scher Inhalt war und blieb doch immer die gesammte Schaar der Gliubigen. Wie aber der innere und aussere Zustand der Christenheit im 14. Jahrhundert ein ganz andrer war, als im 12. Jahrhundert, so mussten auch die Gebilde der Kunst, vor allen die der gemeinsamsten, objektivsten, den Eingebungen der Willkiir verschlossensten — der Architektur — den Stempel dieser Umwandlung an der Stirn tragen. Wie in den fritheren Zeiten die Kultur des Abendlandes durchaus auf klésterlichem Boden erwuchs; wie geistliche Stiftungen die Heerde birger- lichen Lebens, die Pflanzstatten der Kunst und Wissenschaft waren; wie selbst das gewerbliche Treiben unter Obhut kirch- ТУ. Jahrgang. licher Macht stand: so legt auch die Architektur jener Zeit die strenge, ernste Obergewalt der Kirche fast ausschliesslich dar, und die Bildungsgesetze des Rundbogens sind einfach, bestimmt, unwandelbar, wie die Satzungen kirchlicher Weisheit. Wie dann spater das erwachende Birgerthum Alles tberfliigelte, sei- nen Geist, seinen Freiheitsdrang, seinen Gewerbfleiss in ge- ordneten stidtischen Gemeinwesen bewdhrte und, noch immer auf der Grundlage kirchlichen Glaubens, dem Leben einen neuen, reicheren Inhalt gab, der innigeren, vielseitigeren Bethatigung aller Einzelkrafte einen grossartigeren Spielraum schaffte: so spricht auch die Architektur wieder dies jugendfreudige Rin- gen, dies harmonische Zusammenwirken Aller unverkennbar aus, und der Spilzbogen, in seiner biegsamen, vielgestaltigen, un- endlich mannichfachen Bildsamkeit ist der treue Abglanz jenes wackern Birgersinns, der bei aller selbstandigen Tichtigkeit des Individuums sich bescheiden an gemeinsame Zwecke hingab. Dies weiter auszufihren, tiefer zu begriinden, unterlassen wir fir heute. Es kam uns nur darauf an, ein Grundgesetz anzudeuten, das bei Beurtheilung kirchlicher Architektur vor Einseiligkciten bewahren wird. Wer unsre Vorausselzungen zugiebt, die wir unverfalscht aus der Quelle geschichtlicher Thatsachen zu schipfen versuchten, der wird mit uns darin einstimmen, dass es eine Beschrinktheit ist, die Kirchenbau- kunst der Gegenwart auf die pure Nachahmung eines bestimmten geschichtlich abgeschlossenen Styles, sei er der gothische, der romanische, oder gar der byzantinische, hinweisen zu wollen. So nothwendig cin licfes, ernst hingebendes Studium jener Style ist, so ungentigend scheint uns die schlechtweg anempfohlene Reproduktion derselben. Hat doch selbst die katholische Kirche, so unwandelbar sie ihre Dogmen, die grossen Grundrisse ihres Riesenbaues, festgehalten hat, an den Menschen des 19. Jahr- hunderts einen ganz anderen ethischen Inhalt, als sie an denen des 14. Jahrhunderts besass. Dieser verinderte Inhalt muss nothwendig auch den Kirchenbaustyl zu andern Entwicklungen hintreiben. Dasselbe gilt in verstirktem Masse fir die kirch- liche Architektur des Protestantismus, der bei gemeinsamer Grundlage der christlichen Haupllehren dennoch nicht allein in der Gestaltung seines Lehrgebaudes, sondern auch seines Cultus von der katholischen Kirche bedeutsam abweicnht. Bedingte hier 12