cher Linge (138 Fuss im Lichten, 181 Fuss im Aeussern) bei
der bedeutenden Breile von 48 Fuss wurde entworfen. Durch-
schnitten wurde derselbe durch ein Kreuzschiff von gleicher
Weite, dessen Fligel nur gering aus dem Kern des Langhauses
vorireten. So entstand bei der Durchschneidung ein bedeuten-
der Mittelraum, der mit einem zierlichen SterngewOlbe versehen
wurde. Die Seitenfliigel des Kreuzes, der auf kurzer Vorlage
aus dem Achteck schliessende Chor, der durch die Orgelhalle
noch verminderte westliche Schifftheil erschienen somit als Sei-
tenarme und Vergrésserungen des Mittelraumes, so dass die
ganze Einrichtung, ja selbst die asthetische Wirkung der eines
Centralbaues gleichkam. Westlich sodann fiigt sich ein mit

Vorhallenbau verbundener Thurm an.
Es darf uns nicht in den Sinn kommen, diesen Bau seinem

Eindruck nach mit dem Innern alter gothischer Kirchen zu ver-
gleichen. Wie ungerecht dies sein wirde, leuchtet ein. Er-
wigen wir aber die Bedingungen, die dem Architekten gestellt,
die Beschrankungen, die ihm in den Weg gelegt wurden, und
vergleichen wir damit, wie er jenen zu entsprechen, diesen aus-
zuweichen, wie er dann seiner Schépfung die héhere ktinst-
lerische Weihe aufzudriicken gewusst: so werden wir keinen
Augenblick den Zoll gebiihrender, Jauter Anerkennung zurick-
halten. Eine Steigerung sogar muss derselbe dadurch erfahren,
dass bei der Enlwerfung dieses Planes die Mustersammlung
mittelalterlicher Werke, so reich immer sie ist, so unzureichend
sich fir solchen Fall erwies, dass also der Baumeister allein
seiner Erfindungsgabe tiberlassen war.

Gehen wir, soweit der Raum es gestaltet, auf’s Einzelne
ein, so ist zunachst zu bemerken, dass die Rippen der Stern-
gewdlbe auf gebiindelten, aus starkeren und schwicheren Rund-
staben zusammengesetzten Diensten ruhen, die sich an die Wand
lehnen. Wahrend die Gewélbrippen in sauberer Weise aus Form-
steinen aufgemauert sind, und die Flichen der Kappen eine
correspondirende Farbung erhalten haben, der man durch Auf-
malen kleiner Vierblalimuster das Monotone zu nehmen gewusst
hat, sind die Dienste in Putz ausgefiihrt und die Wande in
grauem Steintone gehalten. Dies macht, dass die unteren Raiume
an Wirkung einigermassen hinter den sehr schénen Gewélben
zurtiickbleiben, ein Mangel, der allerdings mehr dem Sparsysteme,
als dem Baumeister zur Last fallt. Wenn es aber einmal nicht
moglich war, auch die Dienste in Formsteinen auszufihren, so
ware es gerade desshalb vielleicht um so rathsamer gewesen,
dieselben etwas feiner zu behandeln, ihnen weniger Masse zu
geben; denn da sie mit der Mauerflache zusammenhangen, oben-
drein in runder Profilirung gehalten sind, so erscheinen sic
ohnehin krafliger als sie sind. Ohnehin fehlt es dem Baue nicht
an iiberreich verwendeten Widerlagen. Auch das Lauborna-
ment der Kapiléle macht nicht durchweg die erforderliche Wir-
kung. Das Fensterstabwerk ist in Sandstein ausgefiihrt, das
Masswerk zeigt schéne, organische Formen. Schade, dass auch
hier der Kostenpunkt die Anwendung farbigen Glases auf dic
Krénungen der Fenster beschrankte; nur die Chorfenster sind
mit einem leichten Lilienmuster dekorirt, wodurch jener Theil
der Kirche ein eigenthiimlich mildes, ins Réthliche schimmerndes
Licht erhalt. Besonders das grosse Fenster, welches jeden der
beiden Kreuzgiebel durchbricht, wiirde durch solche Behandlung
dem Schiff eine magische Beleuchtung vermillelt haben, stait dass
nun das kalte Tageslicht hinein{fallt. In den Querfliigeln sind
Emporen angeordnet, die auf einem doppelten Zeltdach sich
erheben. Die Orgel dagegen sammt ihrer Tribiine ruht auf
einigen diinnen Holzsaulen. Yon zierlicher Wirkung ist ein in
Ziegeln aufgemauerler, mit Gips in cleganten, reich detaillirten
Giebelchen und Fialen ausgefihrler Einbau, der mit der poly-
gonen Schlusswand des Chors parallel lauft, einen Verschlag
	heben wird: so haben wir im Wesentlichen die Einrichtung des
Innern geschildert. Zwar ist die kiinstlerische Ausriistung des-
selben noch nicht vollendet; dennoch diirfen wir die Ueberzeu-
gung schon jetat aussprechen, dass sic, nach Maassgabe des
bereits Ferligen ausgefihrt, den Eindruck kirchlichen Ernstes,
feierlicher Wirde und Einfachheit mit angemessenem Schmuck
und edler Zierlichkeit wohl vereinen wird. Es wire demnach
hier eine protestantische Kirche errichtet, die mit méglichster
Benutzung des Raums, durch gliickliches Zusammenbringen der
ganzen Anlage den praktischen Bediirfnissen, so wie den dsthe-
tischen Anforderungen in hohem Masse gerecht wiirde.

Wenden wir uns noch mit einigen Blicken dem Aecusseren
za, so finden wir, dass dasselbe dem Innern vollkommen ent-
spricht. Die breiten Mauerflachen, in einem blassréthlichen
Ziegelstein aufgefiihrt, den schmale horizontale Streifen eines
dunkleren Steines unterbrechen; die trefflich gruppirten Fen-
ster, die je weiter nach oben, je reicher sich entfalten und
die Einrichtung des Innern klar aussprechen; das gltickliche
Verhialtniss, in welchem die Mauerflachen zu den Durchbre-
chungen stehen; endlich die kraftigen Dachgesimse und Friese,
die aus Palmetten, Rundbogenfriesen, Schachbrettornamenten
und andern Motiven bestehen, am Chor sogar ein farbiges Mu-
ster aufnehmen, und daselbst, so wie am hohen Mittelbau kleine
Saulengalerieen aufweisen, sammllich in Formsteinen vorziglich
schén ausgefihrt: alles Das hewirkt bei hohem malerischen Reiz
und reicher Mannichfalligkeit eine Ruhe und Harmonie, wie
man sellen an modernem Bau sie finden wird.

In constructiver Beziehung ist noch wichlig, dass die Li-
senen des romanischen Styls hier zu Strebepfeilern gewoxden
sind, die mit einfachem Dach schliessen. Solche legen sich an
die Ecken des niederen Umganges, lassen Strebebégen, die
sich unter dem Dach desselben verbergen, hinaufsteigen und
durch diese der Wucht der am Oberbau ebenfalls angebrachten,
gegen den Schub des Mittelgewélbes sich stemmenden Strebe-
pfeiler begegnen.

Wie man den westlichen Thurm behandeln, ob als hohen,
die Kuppel tberragenden Thurm, ob als bescheidneres Glocken~
haus, scheint uns fiir den Eindruck des Ganzen von enlschei-
dender Bedeutung. Wic leicht ist es, hierdurch die jetzige
Wirkung des Baues zu Nichte zu machen! Gegenwartig giebt
sich das Werk als Central-Anlage kund, und das etwas oval
hinaufgezogene Kuppeldach, dessen Spitze die Héhe von 150
Fuss erreicht, spricht diesen Charakter in imponirender Weise
aus. Wiirde man einen ebenso hohen oder héheren Thurm hin-
zufiigen, so kame unsres Erachtens ein zwiespilliges Wesen
in den Bau, und vernichtet wire der einheitlich ruhige Eindruck

des Ganzen. Ein niedriges Glockenhaus wiirde vielleicht am
entsprechendsten sich zum Plan des Ganzen gruppiren.
	Die Petri-Kirche.
	Mussten wir jenen oben besprochenen Bau in entlegener
Stadtgegend aufsuchen, so finden wir diesen mitten im gerdusch-
vollen Verkehr des Lebens, auf eng umzirktem Platze, von
Hausern nah umdrangt. Welche Schwierigkeiten aus dieser
Lage sofort fir den Architekten erwuchsen, liegt auf der Hand.
Eine Central-Anlage hatte sich am Jeichtesten dem beschrink~
ten Raume bequemt; allein der ausdritckliche Wille der Gemeinde,
eine in gothischem Slyl erbaute Kirche zu erhalten, driangte
jenen Gedanken in den Hintergrund. Meister Strack musste
demnach von anderer Seite seiner Aufgabe beizukommen suchen.
Auf die Entfaltung jener Schénheiten, die dem gothischen Style
vorzugsweise cigen sind, reich belebte Langenspcerspektive,
mannichfach wechselnde Durchsichten, musste von vorn herein
verzichtet werden. Ein einschiffiger Bau von nicht betrichtli-