von dem ubrigen Raume abtrennend, der zur Sakristei dienen
wird. Ueber derselben befindet sich eine Empore, auf welcher,
von den hinaufstrebenden Formen der Architektur verdeckt, cin
Sangerchor Platz nehmen kann. Fassen wir Alles zusammen,
die imponirende Weite des Schiffes, die machtigen Fenster, die
Zierlichkeit der Gewdlbe, die stattliche Héhenentwicklung bei
einer Scheitelhéhe von 86/2 F., so gewinnen wir den Eindruck
einer bedeutsamen, originellen Schdpfung, eines tiichtigen, ge-
sunden Sinnes, der sich mit dem Ernst kirchlichen Wesens paart.

Das Aeussere hat einen vorwiegend massenhaften Charakter
und gewahrt auch durch das einfarbige Mauerwerk in blass-
rothen Ziegeln ohne Streifen oder farbiges Ornament eine ein-
fache Wirkung. Schwierig war es fir den Architekten, dic
Anlage eines Thurmes, der an Hodhe die tibrigen Thirme Ber-
lins tibertreffe, auf so beschrinktem Raume in Harmonie mit
dem tibrigen Bau zu bringen. Es war desshalb ein glicklicher
Gedanke, an den Ecken der Kreuzfliigel, wo ohnehin starke
Streben angeordnet werden mussten, achteckige Thiirmchen an-
zulegen, die den Aufgang zu den Emporen enthalten und bei
einer Héhe von 142 F. einen Uebergang aus dem Massenhafien
der Kirche zu der Schlankheit des 307F. hoben Westthurmes
bilden. Allerdings wirde an diesen vier Treppenthiirmen ein
geringerer Durchmesser bei derselben Héhe wohlthuender ge-
wesen sein und harmonischer zu dem Hauptthurme gestimmt
haben. Indess ist die Gesammt-Wirkung immerhin eine male-
rische, und der kihn aus den Horizontallinien der Hausermassen
sich hebende Thurm mit seinen beiden Galerieen, deren obere
als Konsolen-Gesims eine Reihe knicender, betender Engel-
figuren aus gebranntem Thon tragt, deren untere mit vier Spitz-
thiirmchen geziert ist, mit der 107 F. hohen aus Zink in man-
cherlei gothischem Masswerkornament ausgeftihrien Spitze, ge-
reicht der Hauptstadt zur besondern Zierde und vielen Strassen
zu belebendem Augenpunkt. Wir diirfen auch hier nicht Alles
durchweg billigen: so namentlich die zu winzigen Verhilinisse
der in Zinkblech getricbenen Galerie, welche alle Theile der
Kirche gegen das Dach begranzt und an den Giebeln des Kreuz-
schiffes mit aulsteigt; die ebenfalls zu klein gehaltenen Palmet—
tenfriese unterhalb der Galerie, und endlich die elwas niichterne
Chor~Architektur, die dem Innern dieses Bautheiles nicht ent-
spricht. Andere Mangel, wie die Verschiedenheit des Materials
an den drei Portalen, wo Sandstein, Ziegel und Stuck gemischt
sind, bedingte das einmal angenommene Sparsystem. Durch das
getreuc Hervorheben dessen, was uns minder gelungen erscheint,
haben wir uns nur ein Anrecht auf ebenso freimiithiges Aus-
sprechen der Anerkennung erworben, die der treffliche Bau in
so reichem Maasse verdient. Wir figen nur noch hinzu, dass
auch die Ausfithrung unter Leitung Strack’s und hesondrer
sorgsainer Aufsicht des Baumeisters Diec khoff eine vorziigliche
7х пеппеп 151.

Im Allgemeinen aber miissen wir schliesslich noch hervor-
heben, dass beide Kirchen, deren Schilderung in diesen Zeilen
versucht wurde, in hohem Grade jene Elemente in sich tragen,
welche wir im Anfang unserer Besprechung als maassgebend
fiir die Beurtheilung moderner Kirchenbauten aufstellten. Wir
sehen in ihnen einen entschiedenen Schritt vorwarts gethan auf
der Bahn, die auf diesem Gebiele einzuschlagen ist, und es
kann nicht fehlen, dass solche Beispiele fiir die Weiterentwick-
lung von nachhalligem Einfluss werden. W. Liibke.
	Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien.

Von J, D. Passavant.

(Fortsetzung.)
	In Alonso Berruguele, des Pedro Sohn, lernten wir
bereits einen ausgezeichneten Architeklen und Bildhauer ken-
nen; auch als Maler haben wir ihn zu verehren. Er wurde
1480 geboren, kam 1503 nach Florenz, reiste 1504 nach Rom,
wo er sich der Freundschaft des Michel Angelo erfreute. In
der Malerei folgte er aber mehr dem Leonardo da Vinci und
dem Sodoma. Im Jahre 1520 kehrte er nach Spanien zuriick,
wo er in Alt-Castilien den rein italienischen Styl des 16. Jahr-
hunderts zuerst einfiihrie, Von seinen Malereien sind viele ver-
schwunden oder zu Grunde gegangen; indessen bewahrt die Ka~
pelle des Colegio mayor des Santjago zu Salamanca noch den
Relablo mit bemalten Holzschnitzfiguren und Gemalden, umge-
ben von vergoldeter Architektur, welchen der Erzbischof yon
Toledo Don Alonso Fonseca im Jahre 1529 zu fertigen ihm den
Auftrag gab und den er 1531 vollendete. Er enthalt acht Bil-
der mit Figuren von elwa halber Lebensgrisse. In der unte-
ren Abtheilung ist ein Engel in der Geburt Christi ganz in der
Art des Leonardo da Vinci dargestellt. Von guter Anordnung
in der Composition und tief im Ton sind auch die Darbringung
im Tempel, die Flucht nach Aegypten und die Anbetung der
Kénige. Dagegen sind die oberen Bilder aus dem Leben Christi,
Taufe, Himmelfahrt und Ausgiessung des h. Geistes, sehr flau
behandelt und wohl nicht von des Meisters Hand ausgefihrt.
— Auch die Akademie zu Valladolid besitzt ein Paar Gemiilde
von Alonso Berruguete; nimlich eine etwas fliichtig behandelte
Flucht nach Aegypten, wo cine Palme sich neigt, um dem Jo-
seph ihre Datteln darzubieten. Sodann eine h. Familie, in wel-
cher Maria bewundernd nach dem vor ihr zur Erde liegenden
Jesuskinde sieht. Im Grunde zeigt Joseph dasselbe zweien
Hirten, die es aufsuchen. Auch dieses Bild erinnert an die
italienische Behandlungsweise aus den ersten Jahren des i6ten
Jahrhunderts. Es ist, wie bei Leonardo und dem Sodoma, von
einem schwarzlichen Ton oder sfumato, jedoch flichtig behan-
delt und ohne Tiefe des Gemiiths, die wir tiberhaupt bei die-
sem Meister nicht suchen diirfen, wenn er auch sonst, nicht
wie gewdhnlich seine Landsleute, naturalistisch, sondern einer
gewissen Idealitat nachgestrebt hat.

Blas de Prado, geboren zu Toledo 1497, gestorben zu
Madrid 1557, ist ein anderer Spanier, der sich der italieni-
schen Schule angeschlossen hat. Er bildete sich hauptséichlich
nach Raphael. Dieses erhellt augenfallig aus seinem Gemialde
vom Jahre 1530 im kéniglichen Museum zu Madrid, worin die
h. Familie, im Beiscin des Evangelisten Johannes und des San
Ildefonso, beifallig der Rede des Alfonso de Villegas, dem Ver-
fasser der Flos sanctuorum, azubhéren. Нет ist die Maria mit
dem Kinde der Madonna del pesce entlehnt, und Joseph liegt
ebenso auf seinem Ellenbogen zuhérend, wie jener in der gros-
sen h. Familie im Louvre. Die Zeichnung ist schén und frei,
das Colorit kraftig und blihend, in der Art des Fra Bartolomeo,

Der Raphaelischen Schule nahe verwandt ist gleichfalls der
ausgezeichnete Luis de Vargas aus Sevilla, geb. 1502, gest.
1568. Seine Zeichnung ist vortrefflich und wahrhaft raphae-
lisch; seine Farbung meist etwas hell und blond, daher die Wir-
kung des Ganzen verfehlt, um so mehr, als er Massen von
Licht und Schalten nicht zu gchériger Anwendung brachte. Hin
vorziigliches Allarblatt dieser Art ist die Anbetang der Hirten
in der Kathedrale zu Sevilla. Es ist eine sehr reiche, vielleicht
iiberfiillte Composition, aber die Zeichnung ist von grosser
Schonheit, der Ausdruck der Képfe schr sprechend und edel,