Organ
der deutschen Kunstvereine.
	meitung
	fiir bildende Kunst und Baukunst,
	Unter Mitwirkung yon
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfur  — Waagen in Berlin — Wiegmann in Diisseldorf — Schnaase
in Berlin — Férster in Miinchen — Hitelberger v. Edelberg in Wien
		herausgegeben von Ог. ЕР. Eggers in Berlin.
	Sonnabend, den 9. April.
	Juhalt: Die diesjahrige Kunstausstellung in Hannover. — Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien, yon J. D, Passavant. (Fortsetzung.)
	Ernst Forster. —
	Kunstvereine. Der Kurhessische Kunstverein.
	Farbige Lithographieen. 1. А. МаПег. — Zeitung. Berlin.
	— Michael Pacher, Maler und Bildschnitzer von Bruneck. Ernst
Aus der Provinz Sachsen. Minchen. Amsterdam. Rom. London. —
	Die diesjéhrige Kunstausstellung in Hannover.
Е. Steinle. —- Jacobs. — G&. Graef. — C. Steffeck. — A. Northen.
	Am 24. Februar d. J. wurde die einundzwanzigste Ausstel-
lung von Werken lebender Kiinstler in den provisorisch dazu
cingeréumten Salen des kéniglichen Hoftheaters in Hannover
eréffnet. Die Intendantur hatte fiir denselben Zweck bereits im
vorigen Jahre zwei weder durch Lage noch Form ausgezeich-
nete Sale hergegeben. Der Hauptibelstand jedoch, welcher
sich schon damals bemerkbar machte, war die ausserordent-
liche Beschranktheit dieser Raume. Ungeachtet dieselbe schmerz-
lich empfunden und tiberall der Wunsch nach einer Erweite~
rung der Riauimlichkeiten im vorigen Jahre laut wurde, unge-
achtet die Zahl der cingegangenen Kunsiwerke in diesem Jahre
die des vorigen bedeutend tiberstieg und eine in den Jahrbii-
chern der hannoverschen Kunstausstellung bis dahin wohl nicht
erreichte Hoéhe erlangte, war von Seiten der mit der Aufstel-
lung der Kunstwerke Betrauten Nichts geschehen, um dem all-
gemein empfundenen Bediirfnisse durch eine genigende Erwei-
terung des Ausstellungslokals entgegen zu kommen. Dazu kam,
dass die den Fenstern gegeniiber befindliche Hauptwand des
einen Saales, wegen dessen Lage nach Westen und seiner zur
Lange in ungiinstigem Verhaltnisse stehenden Breite, ganzlich
unbrauchbar war und die Benutzung dieses Saales allein durch
eine Reihe von Schirmen méglich wurde, deren Abstande kei-
neswegs eine fir dic Beschauung der Bilder iberall ausrei-
chende Entfernung gewahrte. Obgleich auf diesem Wege in
der Ausbeutung des Raumes das Mogliche geleistet war, fan-
den doch von den nahe an siebenhundert Kunstgegenstinden
zur Zeit nicht mehr als zweihundert und funfzig bis dreihun~
dert Platz, ein Nachtheil, der weniger das Publikum, als den
Kiinstler traf; denn manches Bild verschwand, nachdem es kaum
aus seiner engen Bretterhille ans Tageslicht gefordert war,
spurlos yom Schauplatze, um cinem anderen Platz zu machen
und damit fiir den Kinstler die Aussicht auf Absatz, wahrend
andererseits fiir gute, aber erst in den letzten Tagen zur An-
	sicht ausgestellte Gemalde di i i Snot
IV, Jahrgang. die Chancen nicht weniger ungtinslig
	sich gestalteten. Auch das Geschaft des Kritikers war dadurch
nicht wenig erschwert, dass derselbe die Bewegung in den
Salen bestaindig zu tiberwachen hatte, damit seiner Beobach-
lung nichts Wesenltliches entging. Nimmt man dazu ein bestan-
diges Wogen und Drangen miissiger Gaffer, ein drei- und
mehrfaches Aufstaffeln, ein Vor- und Riickwirtsschreilen, das
die Aufmerksamkeit zwischen Bildern und Fussspitze zu theilen
zwang, so geniigt dieses, das Bild von den Leiden und Freu-
den der Kritik in den engen Raumen der hannoverschen Kunst-
ausstellung zu vervolislandigen. Zwar lasst unser spaéhendes
Auge sich gern gefallen, stalt eines schlechten Bildes dem
scheuen Blicke einer anmuthigen Gazelle zu begegnen, die,
halb Kinderspiel, halb Gott im Herzen, die Sale durcheilt. Wenn
dagegen ein kunstsinniger Stutzer sich in den Rahmen un-
seres Bildes dringt, so muss das Asthetische Bewusstsein
gegen derartige Usurpationen einen enlschiedenen Protest ein~
legen.

Die Kunstausstellung in Hannover biclet ein besonderes
Interesse dar, weil sie die erste im Jahre ist und die Neulinge,
welche aus der Diisseldorfer Schule hervorgehen, meist zuerst
enthalt. Diese gaben auch in diesem Jahre im Allgemeinen den
Ton an. Daran schloss sich zunichst eine grosse Anzahl der
in den Minchener Ateliers eben fertig gewordenen Bilder. Die
Dritten an Zahl waren die Bilder Berliner Kunstler, so wie
die Werke einheimischer Meister, wie Oesterley, Kocken,
Busse, Kotsch, und der im Auslande zerstreuten Hannove-
raner. Den vierten Platz nahmen die anderen deulschen Ма-
lersitze, nebst der niederlandischen und belgischen Kunst cin.
Von jenseits des Rheins endlich ist der Zuzug wie immer nur
spirlich gewesen und wir vermochten nur einzelne Zugvogel
zu entdecken, die cs gewagt halten, die Wanderung nach Deutsch-
land, dem ultima thule fir die Franzosen, anzutreten.

Die historische Kunst, mit der wir unsere Betrach-
tungen beginnen, war im Ganzen nur schwach vertreten. Die~-
ser Umstand und das Vorherrschen cines nur ausnahmsweise
aber das Mittelmassige sich erhebenden Genres verliehen im
Aligemeinen der Ausstellung eine gewisse Dirre, welche auf
dic Dauer einen ermidenden Einfluss ausgetibt haben wiirde,
	hatte der Geist nicht Gelegenheit gehabt, sich an dem reichen
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