sche Dispositionen, noch Ricksichten gegen dekorirte Anfihrer
oder Standespersonen dem freien Schaffen der Phantasie hem-
mend in den Weg traten. Es ist der Moment der Schlacht,
wo das dritte hannoversche Husarenregiment die franzdsischen
Karrés sprengt, eine That, die demselben den Namen ,,Géhrde“
fiir ewige Zeit als Abzeichen eingetragen hat. Im Miltelpunkte
des Bildes haben wir die Gefangennahme eines franzisischen
Ober-Officiers vor uns. Ein Husar kommt auf einem feurigen
Fuchse an die Seite des Officiers gesprengt, packt ihn an den
Schniiren der Uniform und fihrt gleichzeitig einen Hieb nach
ihm, den dieser aber parirt. Ueberall erblicken wir die Trim-
mer eines Karré’s im ernsthaflesten Engagement mit einzelnen
Kavalleristen, wodurch kimpfende Gruppen sich hilden, die
durch geschickte Anordnung zu einem malerischen Ganzen ver-
woben sind. Dem Beschauer zur Rechten durchbohrt ein fran-
zosischer Infanterist das Pferd eines Husaren, von dessen Sa-
belhieben eben ein anderer am Kopfe getroffen zurticktaumelt.
Ein dritter liegt bereits schwer verwundet mit den Geberden
des héchsten Schmerzes am Boden. Zur Linken erblicken wir
Artillerie und Fussvolk in wilder Flucht vor dem ungestiimen
Einhauen der Reiterei. Ein lebendiges, jahes Ueberreiten und
Durcheinander! Seitlich lassen die starrenden Bajonette eines
noch undurchbrochenen Karré’s den Tapferen noch ein gutes
Stick Arbeit tibrig, dem die hannoversche Infanterie im Hin-
tergrund vorlaufig noch zuzuschauen scheint. In diesem Bilde
entwickelt der Ktinstler ein bedeutendes Zeichnentalent und eine
sehr lebendige Darstellungsgabe leidenschaftlicher Schlachten-
scenen. Nur in der Ausfihrung michten wir im Ganzen eine
gréssere Sauberkeit und Sparsamkeit des Auftrages um so mehr
	wiinschen, da die Dimensionen klein und der Figuren viele sind.
(Fortsetzung folgt.)
	Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien.
Von J. D. Passavant.
(Fortsetzung.)
		schiossen; selbst seine schonsten, geislig so. iiberirdischen Ma-
rien erreichen nicht einmal die Schénheit, die er in dem ihn
umgebenden Leben hatte finden kénnen, Dagegen hat wohl nie
ein Kiinstler die bis zum Ueberschwinglichen gesteigerte Ex-
tase mit einem so reinen Adel bekleidet, wie Murillo. Und
uberhaupt finden wir allen seinen Schdpfungen das Siegel sei-
ner edlen Seele aufgedriickt, wie denn auch in dem Zauber
seines Helldunkels sich die Harmonie seines ticfen Gemiithes
offenbart.

Murillo zeigte sich indessen nicht sogleich als den gros-
sen Kiinsiler, den wir nachmals in ihm bewundern. Seine frii-
hesten Bilder sind unbedeutend und das schwere, dunkelschat-
tige Colorit, in Nachahmung des Ribera, blieb ihm lange eigen;
wir finden es noch so in seinem bewunderten Bilde der h. Fa-
milie im kénigl. Museum zu Madrid, das auch in der Darstel-
lungsweise ganz aus dem gewOhnlichen Leben gegriffen ist, in-
dem wir Maria mit dem Abhaspeln des Garnes beschafligt er-
blicken. Da in dieser Periode seine Umrisse etwas scharf sind
und sein Colorit undurchsichtig und schwer, so nennen die
Spanier diese Manier seinen kalten (frio) Styl; den darauf fol-
genden und besten, den er durch das Studium der Gemalde
des Anton van Dyck in Madrid erwarb, wo bei noch strenger
Zeichnung sein Colorit klar, tief und harmonisch wurde, den
warmen (calido) Styl; endlich als er bei éberhauften Auftragen
die Zeichnung vernachlassigte, sein Farbenauftrag verblasen und
sein Colorit stisslich und geschminkt wurde, den dunstigen (va-
poroso) Styl. Indessen ist zu bemerken, dass in seinen ver-
schiedenen Manieren die mannigfalligsten Uebergainge und Mi-
schungen staltfinden und dass die Bilder seiner besten Epoche
am hichsien geschitzt werden, wenn sie in einem Silberton
gehalten sind.

Um Murillo in seiner ganzen Herrlichkeit kennen zu lernen,
muss man nach Sevilla, seiner Vaterstadt, gehen, wo in der Ka-
thedrale, in der Kirche der Caridad, besonders aber unter den
24 Gemalden im dortigen Museum die vorziiglichsten Werke des
Meisters zu finden sind. Zwar reicher an Zahl ist das kénigl.
Museum zu Madrid mit 46 Bildern Murillos, allein es sind. nur
wenige von Auszeichnung dabei; bedeulender sind drei Bilder
ersten Ranges in dem Museum der Akademie und das grosse
Altarblatt in der National-Galerie in der Trinidad derselben
Stadt, Hier alle diese Bilder naher zu beschreiben, wiirde zu
weit fiihren; es mége daher geniigen, einige der hervorragend-
sten zu erwahnen, wobei es wiinschenswerth scheinen kénnte,
zugleich die verschiedenen Richtungen des Meisters durch Bei-
spiele zu erlautern; um dieses jedoch auf eine hefriedigende
Weise thun zu kénnen, miisste uns die Chronologie seiner Werke
bekannt sein, wortiber wir aber noch nicht gehérig unterrichtet
sind.

Zwei trefilich gemalte Bilder vom Jahre 1655 sind die der
sitzenden Bischéfe S. Leandro und 8. Isidoro, in denen er die
Bildnisse des Alonso de Herrera, Apuntador del Coro und Juan
Lopes Talavan verewigte. Ihre weisse Kleidung ist vorziiglich
schin behandelt. Die Farbung tiberhaupt sehr licht, die Dar-
stellungsweise edel, naturalistisch. Sie befindeu sich in der
grossen Sakristei der Kathedrale zu Sevilla. In einer Kapelle
derselben Kirche bewundert man eines seiner gréssten Werke
und von ausgezeichneter Schénheit vom Jahre 1656. Hs stellt
den h. Antonius von Padua dar, zu welchem dic h, Jungfrau, von
einem himmlischen Chor von Engelknaben umgeben, sich herab-
lasst, ihm ihr géttliches Kind darzureichen. Der Ausdruck sehn-
suchtsvoller Liebe zu dem Christkinde in dem knicenden Hei-
ligen, die Milde der Mutter Gottes, der Pomp der ganzen Um-
gebung, wie er unter den Jesuiten in der Kirche етое
	worden ist, erhoht durch ein magisches Helldunkel, weisen die-
45%
	Mit Velasquez fuhlten wir uns bei mannlicher Wiirde be-
haglich auf der Erde; Zurbaran riss uns in die hohen Regio-
nen der Extase; Alonso Cano erfreute uns durch wiirdevolle
Schénheit und Milde. Bartolomeo Estéban Murillo, von
sanfterem Temperament, vereinigte in sich einigermaassen alle
diese Higenschaften und verklarte sie durch seinen frommen,
poetischen Sinn, sein tiefes Gemiith und den Zauber seines un-
iibertroffenen Colorirts. Betrachten wir das harmlose Leben
seiner Sevillaner Gassenjungen, das er uns auf’s naivste ver-
gegenwartigt, so erfreuen wir uns an dieser gliicklichen Ge-
niigsamkeit unter dem schénen Himmel Andalusiens, Beobachten
wir das milde Walten seiner von gdltlicher Liebe erfiillien Hei-
ligen auf Erden, wie in dem Gemalde des h. Thomas von Vil-
lanueva im Museum zu Sevilla, so stimmt er unsere Seele zu
frommer Theilnahme. Gelangen wir zu seinen in heiliger Gluth
dem Irdischen entriickten Heiligen, wie in seinem ,h. Franciscus,
den gekreuzigten Heiland umfassend*, so werden wir hingeris—
sen zu der edelsten Erhebung, die jedoch den héchsten Auf-
schwung in seinen Darstellungen der , Conception“ findet, wo
die reinste Jungfrau in demuthsvoller Gottergebung, der Erde
nicht mehr angehérend, selbst den Himmel zu freudigem Jubel
stimmt. — Auf diese Weise finden wir in seinen Werken stets
Friede und Erhebung, wie dieselben in seiner frommen Seele
gewaltet. Als Spanier konnle er sich indessen nicht iber einen
gewissen Naturalismus erheben, und die hichste Blithe idealer
Schénheit, wie wir sie bei Raphael verehren, blieb ihm ver-