lithographirten Blattern wir die seinigen jedenfalls fir die voll~
endetsten halten; als solche nennen wir nur die ,,Scene bei
Vitry le frangais‘’ nach Peter Hess, ,,das Wanderleben in
Spanien“ nach Artaria und ,,die Alpenschafe“ nach Eberle.

Wie wirksam der Halbfarben- und Tondruck bei der Wie-
dergabe solcher Lichteffecte angewandt wird, welche die natir~
liche oder auch ktinstliche Beleuchtung eines sich verdunkelnden
oder. bereits verdunkelten Raumes hervorbringt, sehen wir auf’s
Klarste aus den vorhin genannten drei Blattern, von denen das
erste uns im Vordergrunde die klare, griine Flache des kleinen,
aber wild romantischen Hintersees bei Berchtesgaden zeigt.
Einzelne dunkle Felsstiicke begranzen ihn nach vorn. Hinter
dem See bildet eine grossentheils bewachsene Bergreihe von
massiger Héhe den in dunklem Schatien liegenden Mittelgrund.
Dartiber erhebt sich in ebenso prachtvoller als naturwahrer Be-
leachtung der fiir den Beschauer bereits untergegangenen Sonne,
der hohe Goehl mit seinem ihm angehérenden, etwas niedri-
geren Bergriicken zur Rechten. Das erste Viertel des Mondes
steht im dunklen Blau des Himmels und zeigt seinen Reflex in
einigen, leider etwas zu hart gerathenen, lichten Linien auf
der Wasserflache des Vordergrundes. Trefflich spiegelt sich
	‘bis tief in den See hinab der dunkle Mittelgrund und der hier
	vor ihm liegende glihende Hintergrund; lJetzterer naturlich in
milden, gemassigten, erstercr in volleren, tieferen Farbenténen.
Nur zwei Végel bilden die Staffage des Bildes, das durch seine
Stimmung einen ebenso erhabenen, als wohlthuenden Eindruck
macht. Dass diese in dem Beschauer hervorgerufene Stimmung
dieselbe ist, mit welcher des Malers Auge sein Stick Land-
schaft erfasste und wiedergab, ist vor allen Dingen eine Folge
der naturwahren Farbenténe des Blattes; denn man denke sich
diese hinweg, und man wird keine Spur von dem wiederfinden,
was Rottmann durch die Darstellung eines erglihenden Alpen-
hauptes, das sich im klaren Gewasser eines Gebirgssees abspie-
gelt, bezweckt hat.

Kintoniger und viel schauerlicher, aber doch belebter, ist
das zweite der gcnannten Blatter ,,Mondnacht in einer Meeres-
bucht“ nach Knut Baade, dem Norweger, in Miinchen, der
bekanntlich die Mehrzahl seiner Motive den felsigen Kisten seines
Vaterlands entlehnt, die er in Mondbeleuchtung mit einem neu-
erdings bei thm beliebten tief braéunlichen Grundton zu geben
pflegt. Hier sehen wir im Vordergrunde rechts eine miachtige,
steil und schroff in die See hinausragende Felsenkuppe, auf
deren dusserster Spitze einsam ein Krieger mit der Lanze in
der Hand steht. Daneben als einzige Spur des Pflanzenlebens
ein winziges Baumchen. Die linke Seite erfiillen die unruhigen,
mondbeleuchteten Wogen, nur halb durehsehnitten von einem
schmalen, dunklen Landstreifen. Wirkungsvoll, wie die einfache
Composition des Bildes, ist vor allem die Formation des Ge-
wolks, durch das an einer lichten Stelle der Vollmond scheint.
Ebenso trefflich gelungen ist der tiber das Ganze verbreitete
graue Grundton, dem ein leiser Schimmer yon blaulichem Grin
beigemischt ist; eine Einténigkeit, in der sich doch eine reiche
Verschiedenheit und harmonische Abstufung von Ténen zu er~
kennen gibt.

In dem erst kiirzlich erschienenen Blatte ,,nachtliche Markt-
scene in Holland“ nach P. van Schendel in Amsterdam, gibt
sich des Malers bekannte Virtuositat in Darstellung derartiger,
von Mond und Lampen beleuchteter Scenen vollkommen kund,
aber Alles geht eben auch nur auf den Effect hinaus, den die
Zusammenstellung dieses Doppellichtes hervorbringt; denn es
fehlt den Gruppen am rechten Leben und den einzelnen Gestalten
ап Аизагиек und Charakteristik. Den Vordergrund nehmen
drei Gruppen ein, bei denen es sich um Fisch- oder Gemiise-
verkauf handelt. Zwei derselben sind durch ein weissliches
	schreibe, wird mir milgelheilt, dass sich hier in Munchen ein
interessantes altdeulsches Schnitzwerk im Privatbesitz des Herrn
Inspectors Ainmiiller befinde, was mich zu einem Besuch bei
demselben veranlasst. Manchmal scheint das Gltiek sich ein
Vergniigen daraus zu machen, Mitarbeiter bei kunsthistorischen
Forschungen zu sein. Kurz, ich glaube, Herr Inspector Ain-
miiller ist im Besitz des oben erwahnten, verloren gegangenen
Altars aus der Botzner Stadtpfarrkirche. Das Altarwerk, das
ich bei ihm sah, ist sinnreich, anmuthig und in einzelnen Theilen
sehr schon, nicht so frei und grossartig wie der St. Wolfgang-
allar, aber doch unvyerkennbar desselben Geistes, nur elwas
friiher, d. h. etwas weniger durchgebildet in Formen und Mo-
tiven und — kommt aus Botzen! Der Mittelraum des Schreins
wird von einer Geburt Christi, oder vielmehr einer Anbetung
des Fleisch gewordnen Wortes in ganz runden Figuren einge-
nommen. Zu beiden Sciten des am Boden liegenden Kindes
knieen Maria und Joseph, hinter thm eine Reihe Engel, ein
zweiter Engelchor schwebt iiber ihm. Durch die Fenster der
Hiitte, in welcher die Scene vor sich geht, sehen ха реет
Seiten Hirten, wibrend man durch die drei Fenster des Mittel-
erundes den Zug der heiligen drei Kénige erblickt, welche
nahen, um als die Héchstgestellten der Erde mit den Niedrig-
sten an der allgemeinen Verehrung Theil zu nehmen. Auf
den Seitenfliigeln sind in Relief abgebildet Sta Julita und St.
Quiricus als Knabe, sodann St. Anna zwischen dem Knaben
Jesus und dem Madchen Maria. Im Sarg des Schreins ist eine
Grablegung in runden Figuren und zwei Bischéfe Halbfiguren
in Relief. — Geschlossen zeigt der Schrein auf den Hauplfligeln
Sta Katharina und St. Christina gemalt, auf den Sargfligein
St. Johannes den Taufer und Onufrius, ganz behaart, mit einem
Kreuz in der Hand. Die Uebereinstinmung mit dem St. Wolf-
gangaltar tritt an den Malereien noch entschiedener als an dem
Schnitzwerk hervor, das tibrigens eine seltne Feinheit und Vol-
lendung auszeichnet. Die Architektur ist reiches, verschlun-
genes Laubwerk. Es wird zunachst zu ermitteln sein, ob die
Maasse dieses Altarwerks mit denen in Gries ibereinstimmen,
um die Wahrscheinlichkeit, dass wir das verloren geachtete
Botzner Werk hier haben, zur Gewissheit zu erheben.
Miinchen, im Marz 1858. Ewnst Férster.
	Sarbige iithographiecen.
	Bekannllich gehoren die Blatter, welche uns die vorztig-
lichsten Gemalde der Privaigalerie des Konigs Ludwig von Bayern
in Lithographicen vorfiihren, zu dem Gelungensten, was die
Kunst der Steinzeichnung bis auf den heutigen Tag hervorge-
bracht hat; ja es scheint, als wenn die thatige Verlagshandlung
von Piloty und Loehle in Minchen bemiiht ist, in jedem neu
erscheinenden Blatte die Kunst des lithographischen Bilddrucks
entweder auf eine neve, oder auf eine héhere Stufe zu ver-
setzen. Dass dieses Streben durch den schénsten Erfolg ge-
krént wird, hat sie vor Allem der Meisterhand des Lithographen
Wlffle zu verdanken, wovon die neusten Blatter ,der Gast
im Kloster“ nach Eugen Hess, ,,die Christmette im Zillerthale«
nach Artaria, ,,die Flucht nach Aegypten“ nach Marko in
Wien, und mehr noch als diese die in Ton oder Halbfarben-
druck erschienenen Blatter ,der hohe Goehl bei Berchtesgaden‘
nach Carl Rottmann, , die Mondnacht in einer Meeresbucht“
nach Knut Baade, und das neuste ,,die nachtliche Marktscene
in Holland“ nach Schendel das glanzenste Zeugniss ablegen.
Doch beschrankt sich W6lffle’s Thatigkeit nicht auf diese
Sammlung, er ist vielmehr, wie wir sehen, auch fiir dic Heraus—
gabe des Konig~Ludwigs-Albums beschaftigt, unter dessen