Runliblatt.
	Organ
der deutschen Kunstvereine.
	Aeitung
	fir bildende Kunst und Bankunst.
	Unter Mitwirkunge von
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase
	in Berlin — Forster in Miinchen — Bitelberger v. Edelberg in Wien
	herausgegeben von Dr. F. Eggers in Berlin.
	AF 13. Sonnabend, den 26. Mirz. 1853.

 

Suhalf: Ueber die Garten und Umgebungen restaurirter Burgen. H. Jager. — W. y. Kaulbach’s Mlustrationen zu Shakespeare. 0. vy. Schorn. —

Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien, von J. D, Passavant. (Fortsetzung.) — Zeitung. Berlin. Diisseldorf. Munchen. Amsterdam.
‘Briissel. Paris. — Kunstvereine. Der Kunstverein in Mainchen. —  Literarische Anzeige.
	Veber die Garten und Umgebungen restaurirter Burgen.
Von Ш. SJatger.
	Seitdem die alte Burg Voitsberg als Rheinstein erstanden
und das neue Hohenschwangau sich stolz mit seinen Marmor-
felsen neben den hohen Alpengipfeln in dem blauen Schwansee
spiegelt, erstehen in allen Gegenden Deutschlands alte Burgen
aus ihren Ruinen zu neuer Pracht und Herrlichkeit und glain-
zen wie vor Jahrhunderten wieder hinaus in das weite Land.
Da sie zeitweise bewolint werden, so muss natiirlich auch fir
eine geschmackvolle Umgebung der Gebiude gesorgt werden.
[ch kann nicht enischeiden, ob die Baumeister dieser Burgen
auch die niichste Umgebung von einem hdheren, kiinstlerischen
Standpunkte aufgefasst haben, oder ob sie sich hier dieselben
Freiheiten wie in den zum Bewohnen bestinmten Gemachern
der Burg erlaubten und blos den modernen Luxus, wie ihn
die jetzigen Bewohner winschen, dabei berticksichtigten. Die
modernen Girtchen und Anlagen bei den meisten restaurirten
Burgen scheinen das Letzlere zu bestatigen. Vielleicht wurden
die Gartenanlagen auch hie und da ganz dem Gartner itiber-
lassen, dem, mochte er sonst auch ein Kiinstler in seinem Fache
sein, die Sache doch véllig neu war, und der daher nicht ver-
fehite, dic gewohnten modernen Formen ganz wie bei andern
Schldssern in Anwendung zu bringen, und zwar um so mehr,
da man bei den zahlreichen burgahnlichen Schléssern Englands
ebenfalls dic modernen Formen angewendet und sogar Gewachs-
hiiuser an die castellarligen Gebdude gebracht hat. Das war
ein grosser Fehler, der leider oft begangen worden ist, und
es ist Zeit, dass man sich endlich klar macht, von welchen
Grundsatzen man bei solchen Anlagen eigentlich auszugehen
hat, damit sie sich den erhabenen Bauwerken wirdig anschlies-
sen, und auch hierin eine kiinstlerische Idee zu Grunde ge-
legt wird.

Diese Angelegenheit muss von zwei Seiten aufgefasst wer-
den: es muss namlich die geschichtliche Wahrheit und Bezie-
hung einerseits nach Kraften gewahrt, auf der anderen Seite
miissen aber auch die von der Gegenwart gestellien Anforde-
	rungen auf Schénheit und Zweckmassigkeil erfillt werden. Ве1-
IV. Jahreang.
	des zu verbinden ist dic Aufgabe des Kunstlers. Die Schwie-
rigkeit einer solchen Verbindung ist nicht gering, aber die Ar-
chitektur hat sie ebenfalls zu bekimpfen und bereits grossen-
theils gliicklich tiberwunden. Die geschichtlichen Beziehungen
kommen natiirlich nur dann in Frage, wenn die Burg selbst
eine der Wahrheit nahe kommende Restauration erfahrt, denn
bei jenen modernen Burgen, die nur von fern so aussehen,
mag die Gartenanlage beschaffen sein wie sie will und ganz
nach dem Wunsche des Besitzers angelegt werden.

Um dic geschichtlichen Beziehungen zu wahren, miissen
wir zunichst die Frage aufwerfen: wie waren die Garten der
Burgen beschaffen, wenn diese tiberhaupt Garten hatten? Die
Nachrichten tiber diesen Gegenstand sind sehr dirftig, und
selbst die Minnesanger, die doch so viel von Blumen sprechen
und manche Dinge so ausfihrlich schildern, erwahnen_ nichts
von der Einrichtung der Garten. Erst durch die Meistersinger,
besonders durch Hans Sachs, erfahren wir etwas tber die
damaligen Giirten, woraus wir jedoch keineswegs auf die Burg-
garten in der Blithezcit des Ritterthums schliessen kénnen. Bis
zum 12. oder 13. Jahrhundert hatlen die Burgen, wenn es der
Raum erlauble, wahrscheinlich nur ein Zwingergartchen mit
Kiichen- besonders Wiirzkrautern, Stachelbeerstriuchern und
anderem Obst; vielleicht mit welschem Flicder, wildem Jasmin,
Jelingerjelieber und mit einigen Centifolien- Rosen, Kaiserkro-
nen und weissen Lilien, welche letztere Pflanzen schon zu
Karls des Grossen Zeit aus Italien nach dem Norden kamen
und allgemein beliebt waren, verziert, Ausserdem mochte ein
mit einigen Linden oder andern Waldbaumen bepflanzler, mit
einer Fichtenhecke umgebener Platz, vielleicht gar nur der nie
fehlende, heilsame Fliederstrauch das einzige sein, was an einen
Garten erinnerte. Wahrend der Kreuzziige wurde manche schéne
	Blume aus Italien und dem Orient milgebracht und im heimat-
lichen Gartchen gepflegt, vielleicht wurde auch der Versuch
	gemacht, einen morgenlandischen Garten nachzuahmen, wenig-
stens sind die bereits im Mittelalter vorkommenden, zierlichen
Lauben gewiss orientalischen Ursprungs. Dass die Burggarten
dieser Zeit aber keine grosse Bedeutung hatten und viele an-
sehnliche Burgen ganz ohne dieselben waren, scheint aus allen
	Nachrichten hervorzugehen. rst als sich das Ritterlhum im
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