vor der Gewalt der Erscheinung wahrnehmen, lodert doch aus dem flammenden Auge die machtige Hoffnung, seine ferne Ah- nung moége sich erfiillen, und zugleich der trotzige Vorsatz, mit eigner Faust, durch Anwendung jeglicher Mittel, die er- wiinschte Prophezeihung zur Wahrheit zu gestalten. Im nachsten Bilde sind die ersten Grauelthaten und mit ihnen zugleich die ersten Schritte zur blutigen Vollendung des hoffahrtigen Planes geschehen; schon aber folgt die Strafe des heimlichen Verbrechens mit unsichtharer Gewalf und im Her- zen der mitschuldigen Gemahlin nagt der nimmer rastende Wurm des Gewissens und der zu spaten Reue. Vor unsern Augen Offnet sich das Innere einer 6den ge- wolbten Halle im Schlosse Dunsinane; links im steinernen Ka- mine scheinen die letzten Reste der glimmenden Kohlen eben zu verléschen und aus der schwachen Gluth starrt uns der Feuerhund in Gestalt eines grinsenden Unholds entgegen; da- neben aber steht, in das Nachigewand gehillt, mit verwirrtem Blicke am Boden haftend Lady Macbeth, bemitht, die vermeint- lichen Flecke Bluts von den zarten Handen hinwegzureiben, in Ausdruck und Erscheinung ein ergreifendes Spiegelbild in- пегег Verzweiflung und stillen Wahnsinns. — »Weg! du verdammter Flecken! Weg, sag’ ich! — Wie? Wollen die Hande nie Rechts Irrende Rein werden ? Ach! Immer, immer riecht es nach Blut! Arabiens Gewiirze alle, alle Versiissen diese kleine Hand nicht mehr « Hern. Parthey, dem Verleger, Dank wissen, dass er sich be- streble, fiir die Ausfihrung des schénen Unternehmens in Kaul- bach den Mann zu gewinnen, der vor Allen fiir fahig erkannt werden konnte, eine solche Riesenaufgabe in allen Theilen mit Meisterschaft zu vollenden. Kaulbachs Arbeiten nach den verschiedensten Richtungen hin beweisen, dass er, wie kaum ein Kunstler der Gegenwart in gleicher Weise, sich auf den héchsten Gipfel kiinstlerischer Begeisterung emporschwingend, das Erhabene zu verkérpern, zugleich aber auch, mit der schwellenden Ader des Humors reichlich gesegnet, das Komische in uniibertrefflicher Weise zur Erscheinung zu bringen vermag. Ueber das wahlverwandt- schaftliche Verhaltniss zwischen dem englischen Dichter und dem deutschen Kinstler liesse sich Manches sagen. Eine voll~ stindige Congruenz kann nicht durchgefihrt werden. Wir wis- sen tiberhaupt Keinen unter den lebenden Meistern der bildenden Kunst, bei dem das moglich ware. Aber einen guten Grad Menschenkemnerschaft haben Beide mit einander gemein, in die Untiefen der Menschenbrust sind Beide hinabgesliegen, der Witz ist Beiden dienstbar. Mit Spannung muss daher das Publikum dem Erscheinen eines Werkes entgegensehen, yon dem vorausgesagt werden kann, dass es im Fache der Illustration durch tiefes Durch- dringen und die darauf gegriindete Composition des in man- nigfaltigster Weise zu Gebote stehenden Stoffes einzig dastehen wird, fir dessen Vollendung in der Form aber die bewahrte Hand des grossen Zeichners sichere Biirgschaft leistct. Kaulbach hat sich vorgesetzt, jede einzelne dramatische Ar- beit Shakspeares in drei bildlichen Darstellungen wiederzu- geben. Das Werk beginnt mit den Zeichnungen zu Macbeth und die Cartons hierfiir sind der Vollendung nahe. Sehen wir, welche Momente des Dramas als charakteristisch fiir die Ver- anschaulichung gewahit wurden. Das erste Bild féhrt uns auf die wilde, schottische Haide. Rechts erblicken wir Macbeth, etwas hinter ihm zur Seite Ban- quo, beide hoch auf baumenden Rossen, ergriffen von innerem Enlselzen vor der michtigen Erscheinung gegeniber, denn dort erblicken wir die Gruppe der drei Hexen, auf ciner Rauch- wolke, die aus dem Boden hervorquillt, schwebend, wie sie mit zauberischer Gewalt dem Ritte der beiden Genossen hem- mend entgegentreten. Ihre langen Gestalten sind in fallige Ge- wander gehillt, wild flattert das Haar im Sturm, um die ge- furchten Stirnen und aus den Ziigen spricht der Damon des Hasses und der bésen That. Macbeth hat, gleichsam abweh- rend, die Hand gegen die Erscheinung erhoben, und noch schwebt die scheue Frage auf seinen Lippen: ,» Wer sind diese dort, so grau von Haaren 2“ wahrend die mittlere der Furien, eine Krone hoch in den Han- den haltend, die mahnenden Worte spricht: »Heil Dir, Macbeth, Dir, kinft gem Konig, Heil!« dem Banquo aber mystisch bedeutet: Koénige erzeugst Du, bist Du selbst auch keiner. Der Kistler hatte fur das erste Blatt keinen treffenderen Moment wahlen kénnen, um uns augenblicklich mit dem Stand- punkte vertraut za machen, von dem der Dichter bei der Sché- pfung seines Dramas ausgegangen. Die Gruppe der Hexen, in der sich eine geheimnissvolle Macht der Hélle personificirt, vor den Blicken Macheths aufsteigend, lasst uns‘erkennen, dass das bése Prinzip mit voller Kraft im Geiste des hoffahrtigen Helden seine Wirksamkeit zu enlfalten beginnt und er, auf dieses ver- trauend, den ersten Schritt auf der Bahn des Verderbens ge- wagt hat. Wenn wir auch in seiner Haltung momentane Bestiirzung auf dem Tische brennt ein Licht, das die nachtlich so eben aus der Hana geseizt, “Sie hat stets Licht, denn so ist ihr Befehl!« und im diistern Hintergrunde lauschen mit sichtbarer Beklem- mung und scheuer Angst Arazt und Kammerfrau dem Selbstge- sprache der Lady, in leiser Unterhaltung den Zustand der Herrin priifend. ев шосше nicht ihr Herz im Busen tragen Um allen Kénigsschmuck des Leib’s; — Man zischelt bése Dinge sich in’s Ohr; Stets zeugt die Unnatirlichkeit der Thaten Auch grause, unnatirliche Gedanken, Und ein beladenes Gewissen murmelt Dem tauben Kissen sein Geheimniss zu. Sie braucht des Priesters mehr als eines Arztes “ Ап der grauen Mauer aber werden uns, bedingt durch den Schein des im Vordergrunde brennenden Lichtes, die unheim- lichen Schlagschatten der beiden Redenden sichtbar, und Kaul- bach selbst, gewohnt die kleinsten Nebendinge mit Bedeutung zu behandeln, commentirt in der ihm eigenen, geistreichen Weise: »Selbst die Wande erzahlen sich leise von den schrecklichen Grauelthaten der entweibten Gebieterin des Hauses.* — In dieser selbst aber zeigt uns der Kiinstler abermals seine Meisterschaft, die innersten Fallen des geistigen Lebens mit scharfem Blicke zu durchdringen und durch die vorgefihrte Verkérperung im Bilde mit Gewalt auf uns wirken zu lassen. In gleich vollendeter Weise wird uns im dritten und letzten Bilde des Cyclus ein Blick in die Seele Macbeth’s eréffnet, der, durch zahllose Mordthaten zur Krone gelangt, den peinigenden Qualen des Gewissens verfallen, zum letzten verzweifelien Kampfe sich riistet, in welchem er der grasslichen Strafe der Vernich- tung entgegen geht. Dieses letzte Blatt zerfalit in zwei Hauplgruppen, eine untere und eine obere. Den Mittelpunkt der unteren bildet die Person Macheth’s. Er steht vor uns, im Begriffe den letzten, entschei- denden Kampf zu wagen; slarre Verzweiflung im durchbohrenden Blicke, hat er mit einer Hand die auf sein stindenbeladenes