beschrieben worden, was um so leichter war, als die unver-
gleichliche van Dyck-Sammlung des Hrn. G. S. R. Dr. H. Wolff
hier allein schon das reichste Material bietet.

Zu den streitigen Punkten selbst tibergehend, so glaubt
der Hr. Recensent an die, im Catalog bezweifelte Existenz von
zwei oder drei Ausgaben, welche auf dem Titel die Jahres-
zahlen 1636, 1646 und 1647 tragen sollen; und hezweifelt da~
gegen die Existenz, der zuerst von H. Carpenter und der
im Catalog beschriebenen Ausgabe vom Jahre 1645.

Der letzte Zweifel erledigt sich nun sofort vollstindig da-
durch, dass der fragliche Titel mit 1645 mehrfach, und zwar
namentlich in den Sammlungen des British Museums, des Hrn.
Dr. H. Wolff in Bonn und H. Carpenter in London zu finden ist,
demnach vorgezeigt werden kann. Anders verhalt es sich
dagegen mit den angeblichen Ausgaben von 1636, 1646 und
1647; denn der geehrte Herr Recensent, weit entfernt, diesclben
aufweisen, oder auch nur irgend sichere Nachricht tiber die-
selben geben zu kénnen, beschrankt sich lediglich auf Citate,
von denen das aus Mohsen genommene, auf dem augenschein-
lich alle nachfolgenden Angaben von Ebert, Brunet, Heller etc.
beruhen, freilich unbeachtet geblieben war. Aber auch dieses
Zeugniss kann auf dem oben bezeichneten Boden nicht zu—
lassig erscheinen, da ihm, wie sich bei naherer Untersuchung
sofort zeigen wird, die gerihmte ,,Zuverlassigkeil in bedenk~
lichem Maasse abgeht. Unmiitelbar nach der vom geehrten Hrn.
Recensenten citirten Stelle heisst es namlich weiter: ,,Ich habe
jetzt auch eine Auflage vor mir, die zwar in allen Sticken
denselben Titel hat, ausser dass statt Numero C. X. hier
nur C, steht, und unten Gillis Hendricxs, excudit“ —
es folgt dann die Beschreibung des bekannten Titels — _,,ob
aber gleich auf dem Titelblatt nur 100 Kupfer zu diesem Werk
angegcben werden, so sind doch mit dem Titel-Kupfer 110
Blatter darin zu finden.“ Mohsen hat demnach hier die zweite
Ausgabe ohne Jahreszahl, von G. Hendricx vor Augen, ,,in allen
Stiicken“ mit demselben Titel, wie die Ausgaben von 1636
und 1646, und miissten demnach die subtilen Schriftunterschiede,
auf die der Hr. Recensent Gewicht legt, waren sie elwas an-
deres als Ungenauigkeiten, (,artis pictoriae“ statt ,,pictoriae
artis und ,,eleganter“ statt ,, pictore) sich auch bei G. Hendricx
finden, wo sie aber thatsachlich nicht sind. War nun aber
Méhsen ungenau, wo er die Sache vor Augen hat, welchen
Werth Кбипеп dann seine Angaben haben, wo er die Sache
nicht vor Augen hat? Dass Ebert und Heller trotzdem hier
nachgeschrieben haben, kénnte aber wohl kaum fir Den zur
Entschuldigung gereichen, der nun ebenfalls so verfahren wollte,
nachdem so viele Umstande bekannt geworden sind, die gegen
die Existenz der Ausgaben von 1636 und 1646 sprechen. Es
sind dies kurz die folgenden.

Die Platten der Iconographie mussten Ende Mai 1641 noch
in M. van der Endens Besitze sein, da er sonst nicht die Ver-
anderungen mit dem Bildnisse Scaglias (siehe S. 8 u. S. 79)
hatte vornehmen kénnen. Die Ausgabe von 1636 ware also
auch die van der Enden’sche, und seine Adresse, die sich so
ausfiihrlich auf jedem einzelnen Blatte findet, misste auch auf
dem Titel stehen, der hinwiederum kein anderer sein soll, als
der von G. Hendricx benutzte, J. van Dyck’s selbstradirte Biiste
auf einem Piedestal. Dass der Titel nun aber diese Adresse
trage, hat noch Niemand auch nur behauptet. Hatte er sie je
getragen, oder waren sonst irgend erhebliche Verainderungen
in der Schrift mit ihm vorgegangen, so wiirden sich in der
Ausgabe von 1645 deutliche Spuren der Alteration ergeben
missen, solche Spuren aber sind keine vorhanden. Die Aus-
gabe von 1636 endlich, die nur die yon der Enden’sche sein
kann, soll 11Q Blatter, laut Titelangabe, enthalten haben, und

 

 

 
	aoch publicirte M. van der Enden nur 84 Bildnisse, also 26
weniger, als auf dem Titel angegeben sein sollen! Ist es nun
noch verwunderlich, wenn man nicht ,,decidirt,“ aber beschei-
dentlich zu sagen wagt: ,,i1 nous semble, que cette édition
existe point?“

Dass der angeblich existirenden Ausgabe von 1646, durch
die wirklich existirende von 1645 ein harter Schlag zugefiigt
worden, wird wohl klar, wenn man die eben naher betrachtete
»4uverlassigkeit“ Méhsens erwagt, wo es nicht verwundern
kann, wenn derselbe, wie er ,,eleganter“ stalt ,,pictore ab-
schreibt, auch hier eine 6 stait einer 5 gesetzt haben sollte.
Existirte die Ausgabe in der angegebenen Weise, d.h. mit
C, X. stalt Centum wirklich, so musste entweder in der Aus-
gabe ohne Jahreszahl auch C. X. stehen, oder aber eine Spur
der Alteration aufzufinden sein. Nun steht aber nicht allein in
der Ausgabe ohne Jahr, wie in der von 1645: Centum, sondern
es sind auch genau und unveréndert dieselben Schrift-
zeichen, und von einer Alteration sind nirgend Spuren zu
finden. Endlich kénnte die Ausgabe von 1646 nicht, wie be-
hauplet wird, ohne Adresse sein, sondern miisste, wie die
frihere (von 1645) und spatere (ohne Jahr) Gillis Hendricx
Adresse tragen.

Eine Ausgabe von 1647 ist nicht unmiglich, dagegen ist
aber auch im Einsiedel’schen Cataloge ein Druckfehler mig-
lich und sogar wahrscheinlich, da dieser Ausgabe sonst nir-
gend wo Erwahnung geschieht. Hiatte der geehrte Hr. Recen-
sent die Gite, die eben vorgebrachten Griinde in vorurtheilslose
Erwagung zu ziehen, und dabei zu beriicksichtigen, — was
erfahrungsmiassig wohl bei Jedem fessteht, der sich jemals mit
historischen Untersuchungen, wie die in Rede stehenden, be~
fasst hat — dass auf buchstabliche Treue und Genauigkeil
in den Angaben fritherer Zeit nicht mit derselben Sicherheit
gezahit werden darf, wie man sie von den neueren und neu-
esten Werken mit vollem Rechte in Anspruch nehmen kann;
so wird er sich schliesslich gewiss zu der Ansicht bekennen,
dass die fritheste, bis jetzt constatirte Gesammt-Ausgabe
der Centum Icones, die Hendricx’sche vom Jahre 1645 ist, und
dass die von 1636, 46 oder 47 so lange als problematisch
in Frage zu stellen sind, bis es gelingt, sichere Spuren der-
selben aufzufinden.

Dass es Abdriicke vor der Schrift von den Bildnissen
gebe, ist nicht tbersehen worden, da in dem Cataloge nicht
allein die namhaftgemachten, sondern deren noch tiber 60 an-
dere aufgefihrt wurden. Zur Beurtheilung derselben, ist jedoch
zu beachten, dass schon in sehr frither Zeit, wo sich die
Platten noch in trefflichem Zustande befanden, sehr verfihre-
rische Abdriicke gezogen worden sind, in denen die Schrift
zugedeckt ist. Abdriicke dieser Art befinden sich mehr im
Museum zu Amsterdam. Bei der extremen Seltenheit der ech-
ten Abdriicke vor der Schrift, die fast durchgingig den Cha-
rakter yon Probedriicken tragen, schien es nicht rathlich, sie
als einen ,,Ersten Zustand“ zu bezeichnen. .

Zur Erginzung des Catalogs, mége es erlaubt sein, hier
schliesslich einer giiligen Mittheilung des Hr. Aug. Artaria
in Wien weitere Verbreitung zu geben, da sie sich auf die Ab-
driicke vor der Schrift bezieht. Von Pontius (Seite 29) findet
sich ein Erster Zustand in der Kaiserlichen Bibliothek; von
Cornelissen (Seite 22) und Waverius (Seite 36) die Ersten Zu-
slinde in der Albertina, und ebendaselbst von der Iconogra-
phie die gute Halfte in Abdriicken vor der Schrift.

Bonn, im Marz 1853. Hermann Weber.