Ht. MaffeldDatf, den 19. Marz. Gestern hielt der bekannte Aegyp~ tische Reisende Bogumil Golz vor der versammelten Kanstlerschaft im Lokale des Malkastens eine Vorlesung aber verschiedene Resultate seiner letzten Reise. — Wir k6nnen nicht umhin, auch hier auf die interessante Erscheinung dieses Mannes aufmerksam za machen, und halten uns um so mehr dazu berechtigt, als er bei seinem vortberge- henden Aufenthalte in Disseldorf vorzugsweise mit den Kinstlern sich in Berfihrung gesetzt, und durch seine milgetheilten Anschauungen, seine anregenden Gedanken und originellen Ideen, gewiss nicht ohne Eindruck auf sie geblieben ist. Zwar gehen seine Bestrebungen nicht unmittelbar auf die Kunst, aber mit seltener Schwungkraft des Geistes wusste er hier seinen Mittheilungen grade die Richtung zu geben, die fir die Interessen der Kunst ‘zu irgend einem bedeutenden Resultate fihren mussten. So sprach er von diesem Gesichtspunkte aus iiber die Pyramiden, fiir die er den Anspruch einer vollkommenen Kunstschépfung behauptet. Zwar seien diese Riesengebaude ihrem Ursprungsgedanken nach, wie Golz nach seiner eigenthiimlichen Weise sich ausdrickt, yin die Sprache des Steins ibersetzte Pharaonentraume;“ Diese Leule, meint er, haiten so gut wie andere das Bediirfniss, sich ein Andenken zu stiften; da ihnen aber Geschichtsschreiber, Poeten und Kinstler fehl- ten, so bauten sie ihre Pyramiden. Aber der Gedanke, der sie in’s Dasein rief, wirkte, urspringlich und originell wie er war, so rein und unbefangen, dass die einfachen Verhaltnisse dieser Gebdude durchaus als Kunstwerk den Geist jener Zeit zur Anschauung bringen. Zwar kdnhen wir uns schwer davon eine Vorstellung machen, wenn wir, in der Ferne und verwirrt durch die mannichfachen Formen und Geslal- tungen unsrer gegenwarligen Umgebung, etwa auf einer Abbildung die blosse mathematische Figur betrachten. Doch in der Weise, wie Golz seine Zuhérer in die ganze Lage jenes Landes und jener Zeit einzu- fahren weiss, gewahrt er durchaus den Eindruck und die Ueberzeu- gung, die er selbst von Ort und Stelle mitbrachte. In die Unterschiede der einzelnen Pyramiden ging er ein und wies nach, wie der urspriing- liche, schaffende Gedanke am reinsten und michtigsten in dem altesten dieser Denkmale sich kund giebt, in der Pyramide des Cheops, oder, wie wir nun nach Lepsius sagen miissen, des Chughu; wie die spateren Bauwerke, Abschweifungen und Verunstaltungen erfahren, sowie die Nachahmung und Ueberlieferung an die Stelle des unmiitelbaren Lebens und der unreflektirten Freude tritt — dieselbe Erscheinung, die zu allen Zeiten der Geschichte sich wiederholt. Von besonderm Interesse fir den Kinstler war auch seine Schilderung der Lichtwirkung in Aegypten. Golz hatte nicht ohne Gefahr es unternommen, in der vollen Gluth des Mittags hinauszugehen und die Erscheinungen zu beobachten. Er beschrieb, wie man da nicht mehr die Wirkung der Sonnenstrahlen allein verspire, sondern die ganze Atmosphare in ein Gluth- und Licht- meer umgewandelt werde; er malte den feurigen Bronceglanz der Wiisten- gebirge, die blendenden Spiegelwande der Pyramiden, das Durchsich- tigwerden der Vegetation, die nicht mehr beleuchtet zu sein, sondern selbst zu leuchten scheint, die nicht mehr blauen, sondern ins griin- liche tbergehenden Schatten, Von unnachahmlicher Anschaulichkeit waren auch die Schilderung einer nachllichen Fahrt auf dem Nil, eines Kampfes mit den Flussraubern, des Einzuges in eine Mameluckenstadt, so wie die Beschreibung eines chaotischen Fellahdorfes. — Den Glanz- punkt des Vorirags im Malkasten bildete aber unstreitig die Schilde- rung der Pompejussiule, deren schéne Formen, als einziger Ueberrest der alten Alexandria, in der Leere der sie umgebenden Scherbenwiste, in der Oede vdlliger Abgestorbenheit als redendes Denkmal und Zeug- niss sich erheben, dass unter all’ der erzwungenen Herrlichkeit, die einst hier sich spreizte, der weitschichtigen Wissenschaft, dem Ge- dachtnisskram und der Notizengelehrsamkeit, sie allein, als Symbol wahrer, lebendiger Schénheit Berechtigung und Anspruch auf Dauer in sich trag. Е Unsere Kinstlerschaft bereitet eine Sendung von Gemalden nach Amerika vor und hat zur Auswahl der dafir angetragenen Kunstwerke einen Ausschuss ernannt, von dessen Strenge und Gewissenhaftigkeit gewiss in hohem Maasse der Erfolg und die Verwirklichung der Aus- sichten abhangt, zu denen jener reiche iberseeische Markt zu berech- tigen scheint. О. у. 5. ЭМИ ей. Neuerlich theilten wir Ihnen mit, dass der Kunstverein sein Verwallungsjahr mit einer wahrhaft glanzenden Aus- stellung begonnen habe, und mit grosser Freude wird wahrgenommen, dass von Woche zu Woche dem Publicum neue bedeutende Arbeiten hiesiger Kiinstler im Vereinslokale vorgefihrt werden, ein Beweis, dass nicht, wie friher, die hervorragensten Erscheinungen gleich aus den Ateliers ins Ausland verschickt wurden, und so die hiesigen Kunst- freunde des Anblicks entbehren miissen, Unter den Gemalden, die in den letzten vierzehn Tagen sichtbar waren, erregte das allgemeinste Interesse, die in grésstem Maassstabe ausgefihrte Arbeit von Dietz, der wir kiiralich voriibergelend gedachten, die ,Nachlliche Heerschan“ nach Zedlitz’s bekannter Dichtung. Selten ist wohl in kurzer Zeit iiber ein Bild mehr gesprochen und gestritten worden, als iiber das erwahnte, Alle aber stimmen darin tiberein, dass es eine hezauhernde Wirkung nicht verfehle, und die durch blaulichen Mondscheinnebel in unendliche Ferne sich hinziehenden, geisterhaften Heerschaaren unser Auge mit magischer Gewalt zu fesseln vermégen. Den Mittelpunkt der Composition bildet die in der weiten Wolkenebene sichtbare Figur des Kaisers, umgeben von seinem Stabe, wahrend zahllose Truppenmassen defiliren utd in entfernten Nebelstreifen verschwimmen. Im Vorder- grunde aber sprengt die Cavallerie auf gespenstigen , langhalsigen Rossen, die grinsenden Schadel halb in die Mantel verhillt, und ermuthigt durch den Schall der Trompeten, im Carriégre heran, dem Zuge der Truppen sich anschliessend; auch sie fliegen gleich Nebelgestalten iber Wolkenstreifen dahin, wahrend unter ihren Hufen aus dem Grunde der wirklichen Erde, grauenerregende Knochengestalten emporstreben und, geweckt durch den Schlag des kleinen Tambours, sich sammeln zum Feste der nachtlichen Parade. In réthlicher Gluth erblicken wir rechts die Pyramiden Egyptens und gegeniber ist die eisige Starrheit des russischen Nordens angedeutet. — Wir miissen augestehen, dass der Kinstler seinen Stoff mit Virtu- osilat zu bearbeiten wusste, und der einzige Vorwurf, den man der Composilion machen kénnte, scheint uns zu sein, dass die Verbindung der aus den Tiefen der Erde anfsteigenden Gerippe mit der oben in den Wolken stattfindenden Heerschau, zu wenig vermittelt ist, denn ein langer Nebelsireif theilt das ganze Bild in zwei fast gesonderte Halften. Das Vereinigen der ungeordneten Massen zu Colonnen, das der Kiinstler ausserhalb der Darstellung vorgehend sich gedacht hat, wiirde, mehr ausgefiihrl, cine vortheilhafte Vermittelung der beiden Theile herbeigefihrt haben. Die technische Behandlung des Bildes ver- dient mit Recht die allgemeinste Bewundrung. Wenn ein hiesiges an- gesehenes Blatt in ausserst scharfer Weise rigt, dass es eines deut- schen Kiinstlers unwiirdig sei, durch Speculationen seine Nationalitat zu verleugnen, wurde dies durch den pomphaften, mit allen Attributen des jetzigen Kaiserthums reich verzierten Rahmen und die gegriindete Mittheilang veranlasst, dass Dietz sich selbst mit seiner Arbeit nach Paris begebe, sie Napoleon Ill. anzubieten. Wir gestehen, dass auch wir uns einer unangenehmen Empfindung nicht erwehren konnten, vom Ruhme allein aber lasst sich nicht leben, und immer ist es erfreulich, wenn auch im Auslande die Leistungen eines deutschen Kiinstlers mit Anerkennung gelohnt werden. — Der Historienmaler A. Adam brachte seit seiner ,Schlacht bei Cas- tozza,“ die wir friher in diesen Blattern besprochen, kein grdésseres Bild zur Ausstellung. Gegenwdrtig sahen wir von seiner Hand ein ,Gefecht nach der Erstirmung der Dippler Schanzen,“ ausgefithrt im Auftrage Konig Ludwigs. Bei dieser Arbeit scheint der Kinstler als Hauptzweck die Verewigung der damaligen НеегРавгег im Portrait ver- folgt zu haben. Das eigentliche Gefecht ist darum nur in weiter Ferne sichthar, und beschrankt sich auf ein geringes Vorpostentreffen; im nachsten Vordergrunde dagegen sehen wir bayrische Artillerie und an- dere Truppen vorricken, wahrend in der Mitte sich Pring y. Altenburg als Befehlshaber mit seinem Stabe aufgestellt hat, gegen den Oberst von der Tann als Fligeladjutant heransprengt. In der Composition zeigt sich eine wohlthuend schiedenartigen Gruppen, und das e Abwechselung und Vermittelung der ver~ Ganze zieht uns an durch die Schirfe Jer Zeichnung und Klarheit in der Behandlung der Farben. Unter den tbrigen Werken muss ein Portrait von Graefle, dessen vortreffliche Studienképfe hin und wieder die Ausstellungen zierten, hervorgehoben werden. Es ist die erste Arbeit, die uns in diesem Fache seit langer Zeit wieder, durch die Auffassung des geistigen