Raume; daher auch der neue Orgelunterbau, je mehr er sich durch architektonischen und decorativen Reichthum hervorheben soll, um so unorganischer und stérender fir’s Innere wird. Wohi ist der machlige Thurmbau mit seiner geraumigen Vor- halle und dem bilderreichen Portale geeignet, den Eintretenden auf Grossartiges und Erhabenes vorzubereiten — jetzt sieht sich derselbe allerdings auch tberrascht, denn er befindet sich in einem diistern, niedrigen, einige 50 Fuss langen kellerahn- lichen Raume, welcher erst durchschritten werden muss, um den schon beim Kintritt erwarteten Ueberblick zu geniessen; erst jetzt und nachdem er noch drei Stufen ersliegen, steht er in der Kirche; das zur Erhellung des Mittelschiffes angeordnele grosse Portalfenster erblickt er aber noch lange nicht, es wird von der Tiefe und Héhe der neuen Orgelstellung verdeckt. Ein Blick von der Schwelle des Portals durch das befreite Mittel- schiff auf die fernen farbenreichen Chorfenster miisste denselben erhabenen Eindruck hervorbringen, den der Aufblick zu der vergoldeten Marienfigur des vollendeten Thurmes zuriicklassen wirde! ,Lunachst ist es der Vorzug eines jeden bedeutenden Bauwerkes, dass es auf den unbefangenen Beschauer seine Wirkung nicht verfehli“, sagt der Kénigl. Preussische Bau-Rath v. Quast in seiner Abhandlung tiber den Regensburger Dom. (Kunstblatt 1852 No. 26). Fir das Ulmer Minster ist die Er- fiillung dieses Geseizes, aller Mahnungen ungeachtet, hinlange- setat, der Zustand, trotz der giinstigsten Gelegenheit einer grind- lichen Abhilfe verschlimmert, und auf Jahrhunderte alle Miég- lichkeil, jenem Gesetze noch zu gentigen, abgeschnitten worden! Und wahrend mit grésster Anstrengung dahin gearbeitet wird, dem Dome zu Kéln seine ihm urspriinglich zugedachte archi- tektonische Wirkung — wenigstens im Innern darch Raumver- hiltnisse — erst geben zu kénnen, wurde dem gleich erhabenen Minster in Ulm sein, schon vor 400 Jahren erlangter Vorzug — die Wirkung der grossartigen Harmonie der Thurmhalle mit dem Miltelschiff und Chor — geschmilert! Die Bauleitung hatte tibrigens an diesen Stérungen der Harmonie und organischen Verbindung des Chores und Mitlel- schiffes mit der Thurmhalle nicht genug. Auch der Fussboden der Ietzleren musste aus seiner durchaus wagrechten Lage und Verbindung mit dem Fussboden des Mittelschiffes gebracht werden und wurde um 3 Stufen tiefer gelegl. Hieriiber gaben weder Berichte noch Zeichnungen eine Anzeige und Aufklaérung; erst in neuester Zeit, also nach der Ausfihrung, wird in einer ,offenen Erklarung, den Ulmer Miinster betreffend“ (Anzeige- blatt von und fir Ulm, 1852 No. 239) von Stadt-Baumeister Thrain behauptet, diese Tieferlegung liege ,,in den Gesetzen der altchristlichen Baukunst, was auch am ganzen Minster durch Maass-Abstiche und Zahlen aufs unumstésslichste nachgewiesen werden kénne. Indem wir diesen Nachweis noch nicht ge- liefert finden, erw&hnen wir nur vorlaufig einer Entgegnung hierauf, (Wiirtb. Staats- Anzeiger, 1852 No, 243) und wollen auch noch von der Besprechung der grossartigen Unkosten, welche dadurch bereits entstanden sind und noch nachfolgen miissen — wie es sich unter Anderm deshalb schon um das Abbrechen der ganzen, dem Einsturz nahe gebrachten Vorhalle, dieser Zierde des Ulmer Minsters, gehandeli hat — far jetzt Umgang nehmen, hallen uns aber, wie jeden Freund der Kunst, fir berechtigt und verpflichtet, jetzt schon gegen derartige Bau- sinden kraftig und laut uns auszusprechen: wir sind dies den Manen eines Ensinger und Boéblinger, wir sind es dem Kunslsinn der Mit- und Nachwell schuldig! Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien. Von J, D. Passavant. (Fortsetzung.) Unter den Malern, welche sich aussernalb der Schule von Sevilla gebildet und einen hohen Ruf erlangt haben, befindet sich keiner, der sich mit den letztgenannten messen kénnte. In Madrid waren es selbst hauptsachlich Italiener, die hier eine Zeitlang den ersten Rang behaupteten. So Vincentio Car- ducci oder Carducho aus Florenz, der als Knabe mit sei- nem Bruder Bartolomeo, dem Architekien, Bildhauer und Maler, im Jahre 1585 nach Spaniens Hauptstadt kam und da- selbst viele und bemerkenswerthe Gemilde in der spanischen Art und Weise ausfihrte. Eines seiner besten bewahrt die Na- tional- Galerie in Trinidad zu Madrid, die Einweihung eines Bi- schofs, tiber dessen Haupt sich eine Flamme zeigt, darstellend. Es ist tichlig in Zeichnung und Ausfiihrung und weniger braun in den Schalten, als in der Folge von Bildern aus dem Leben des h. Bruno vom Jahre 1632 in derselben Galerie. Von ita- lienischer Abkunft, aber in Madrid geboren, waren die Briider Fray Juan und Francisco Ricci oder Rizi. Ersterer wandte mehr Studium bei seinen Arbeiten an, Letzlerer hatte eine gréssere Leichtigkeit, die ihn oft zum Flichtigen verleitete. Er war ein Schiiler des Vicente Carducho, was man jedoch nach dem Gemalde der Conception in besagter Galerie kaum glauben sollte, so verschieden ist er in der Behandlungsweise von Je- nem; das Bild ist jedoch von ihm bezeichnet. Maria, eine edle Gestalt, von Engeln umgeben, ist in der Darsiellungsweise dem Murillo nachgeahmt und, wenn auch lebhafler bewegt, doch ohne Affectation, dagegen fallen die Engelknaben ins Gezierte. Als der ausgezeichnetslte Maler der Madrider Schule jener Zeit ist Antonio Pereda zu betrachten, der 1599 in Valla- dolid geboren, schon 1606 nach Madrid kam und daselbst 1669 gestorben ist. Sein bestes Bild, ehedem in der Antocha-Kirche zu Madrid, stellt einen vom Kreuz abgenommenen Christus dar, der von Maria, drei Frauen und Jiingern betrauert wird. Der Ausdrack der Képfe ist sehr lebendig und wahr; die Farbung kraftig, mit liefen Schatten; die Zeichnung streng, die Behand- lung studirt und mannlich tichtig. Dieses ausgezeichnete Werk befindet sich jetzt gleichfalls in der National-Galerie. Weit flauer in der Behandlung sind andere Werke von ihm, unter denen ein h. Hieronymus, in Betrachtung tiber das Jiingste Ge- richt, im kénigl Museum zu Madrid. Es ist mit BY 1643 be- zeichnet und erscheint wie ein schwacher Ribera. Nachdem der héchsle Gipfel der spanischen Malerei in Se- villa durch Velasquez und Murillo erreichi worden war, sank sie schnell von ihrer Hohe herab, riss besonders eine gewisse Bravourmanier ein, die durch Meisterschaft der Technik zu im- poniren suchte, oder selbst nur auf schnellen Gewinn berechnet war. Eines der originellsten Talente dieser Art war Juan de Valdes y Leal aus Cordova, geboren 1630, der sich in Se- villa niederliess und 1691 daselbst starb. Er war ein sehr un- ruhiger und anmaassender Charakter, wie dieses auch sein Zeugniss vom Jahre 1658 schon bewahrheilet, worin er in der- ber Weise den Behérden versichert, mit dem Malen gut um- gehen zu kénnen, und verlangt, dass man ein Examen mit ihm vornehmen mége, um ihm dann die Erlaubniss (Licencia) zu erlhcilen, seine Kunst in Sevilla auszuliben, Dieses interessante Document bewahrt man mit noch anderen Handschriften grosser Kiinstler, wie von Juan Martinez Montafies und Alonso Cano, auf dem Stadthaus zu Sevilla. Zwei der merkwiirdig- sten Bilder des Valdes Leal, welche zugleich sehr charakteri- stisch far ihn sind, befinden sich in der 8. Georgkirche der