der dunklen Mauer sich befinden, ergiesst die Flamme dieses
Hauses ein Meer von Licht tiber die Gesichter, Hite, Bajonette
und rothen Uniformen der andringenden Kolonne, ohne dass
die Flamme selbst wesentlich sichthar wird. Die schroffen Be-
leuchtungsgegensatze, welche durch diese geschickte Anord-
nung bezweckt wurden, sind mit. grosser Gewandlheit gemalt
und von schaurig~kriegerischer Wirkung.
Auf dem Gebiete der Genremalerei beansprucht das
Zwillingspaar von G. Fliiggen in Miinchen: ,die Erbschlei-
cher“ und ,das Testament“, die erste Besprechung, da diesen
Bildern wegen ihrer kiinstlerischen Bedeutung von vornherein
eine lebhafte Theilnahme geschenkt wurde und ihr Inhalt zu
vielfachen Debalten Gelegenheit geboten hat. Auf dem erstge-
nannten Bilde erblicken wir das Innere eines Sterbegemachs.
In einem weiten Armsessel ruht, auf feine Spitzenkissen ge-
bettet, eine vornehme Frauengestalt, deren blasse Zige soeben
der Todeskrampf durchzuckt hat. Ihre Linke hiingt bereits leb-
los am Kérper herab, wahrend in der Rechten das Leben unter
den letzten vergeblichen Versuchen, ihr Testament zu Gunsten
der Kirche zu andern, erstirbt. In den drei Zeugen dieser
Scene erkennen wir katholische Geistliche, deren frappante In-
dividualisirung tiber die Tendenz des Bildes keinen Zweifel
lasst. Der Altere von ihnen, ein verschmitzter Graukopf, hat,
in der Hoffnung, die wichtige Unterschrift den letzten Lebens-
momenten noch abzuringen, mit hastiger Gier die Feder in die
Hand der Sterbenden gedrickt und prift nun, iiber die Ent-
schlafene gebeugt, mit lauernd ungewissem Auge ihre Zige.
Der andere, eine feiste durch die Centnerlast des Kérpers auf
den Stuhl gedriickle Ménchsgestalt, ballt im Ingrimm tiber die
fehlgeschlagene Hoffnung die Faust, wahrend die hagere, as-
ketische Figur des Dritten, in der wir einen unheimlichen Ty-
pus der Vater von der Gesellschaft Тези. scharf ausgesprochen
finden, tiber den Tisch gebeugt mit einem nach Leben spahen-
den Blicke die Leiche zu durchbohren scheint, zugleich aber
durch unwillkirlichen Druck auf den Arm des Nachbarn sei-
nem Aerger uber den unerwarteten Ausgang Luft macht. in
der Darstellung dieser drei Charaktere, deren Seele, jede in
ihrer Weise, auf der Hohe des kritischen Moments, unbelauert
von unwillkommenen Spaheraugen, mit ergreifender Wahrheit
in die Ziige trilt, hat der Kinsler ein psychologisches Meister-
werk geliefert. Gleichzeilig aber hat er seine Aufgabe durch
die trauernde Dienerin im Hintergrunde, welche mit tiefem
Schmerze ihr Gesicht in den Handen birgt, von einer bedeut~
sam moralischen Seite erfasst und durch eine treffliche Grup-
pirung nebst meisterhafter Concentration des Lichis eine wir-
kungsreiche Abgeschlossenheit der Handlung zu erreichen ge-
wusst, Ein wesentlicher Antheil an dieser abgeschlossenen
Stimmung gebithrt der vorziiglichen Behandlung von Hinlergrin-
den und Nebendingen. Das elfenbeinerne Kruzifix und das ver-
hangnissvolle Pergament auf dem Tische, die Teppiche, der
Schirm, das altmodische Meubleapparat im Renaissancestyl, kurz
die ganze Dekoration dieses Intérieurs lassen neben dem ge-
wandten Kiinstler den Sammler und Alterthumsfreund durch-
blicken. — Auf dem anderen, ,das Testament* benannten Bilde,
haben wir eine Handlung vor uns, die, mag man sie deuten
wie man will, jedenfalls zu der ersteren in einer ticferen Be-
ziehung steht. Wir wohnen der Oeffnung des Testaments bei,
dessen Aenderung die frommen Vater auf jenem Bilde nicht
mehr durchzusetzen vermochten. An einem Tische sitzen der
Notar, den Inhalt des Vermachtnisses lesend, und der Testa-
mentsvollstrecker. Im Hintergrunde stehen die Zeugen. Ein
fliichliger Blick auf die tibrigen Personen zeigt uns, dass wir
das auf dem ersten Bilde eingetrelene Ereigniss nicht zu be-
klagen haben, denn die Erbschaft ist einer armen Frau oder
	Verwandten zugefallen, die, mit laren Kindern durch einen 4ll-
lichen Herrn eingefihrt, in welchem wir einen Schulmeister
oder geisilichen Herrn vermuthen, dem Tische sich nahel, um
in dankbarer Riihrung das ihr widerfahrne Glick zu verneh-
men. Eine vornehme Matrone in Trauerkleidern, in der Einige
unbegreiflicherweise die Erblasserin selbst haben erblicken und
somit die Beziehung zum ersten Bilde laugnen wollen, steht
am ‘Tische und nimmt die Huldigung des Dankes durch Hand-
kuss von einem der Kinder entgegen, wobei sie auf einen am
Boden stehenden inhaltreichen Kasten deutet. Wir haben in
dieser Dame eine altere Freundin oder Verwandte der Verstor-
benen zu erkennen geglaubt, durch deren Fiirsprache den ar-
men Leuten ein Theil der Erbschaft zugefallen ist. — Wenn
der Kiinstler mit der in diese beiden Bilder unverkennbar ge-
legten Gegenseitigkeit stillschweigend den Wunsch der Un-
trennbarkeit im Verkaufe ausgedriickt hat, so finden wir das
natiirlich und auch unserem Wunsche entsprechend, kénnen
aber nicht umhin, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass der
zwischen beiden obwaltende Unterschied in der Klarheit der
Composition, das Interesse vorwiegend auf das erste Bild con-
centriren musste. Der Gegenstand des ersten Bildes steht an
sich véllig klar und unabhangig da, was bei dem zweiten nicht
in demselben Grade der Fall ist. Dass auch der Kiinstler die-
ses Missverhialtniss empfunden hat, scheint er durch eine liebe-
vollere und sorgfaltigere Durchfiihrung, namentlich der Cha-
rakterképfe auf den Erbschleichern, zugestanden zu haben.
Dieses Bild wurde von Sr. Majestat dem Kénige der Kunst-
sammlung zum Geschenk gemacht. — Geyer in Augsburg blieb
mil seinen ,Hazardspielern® hinter der fiir die hiesige Kunst-
sammlung friiher erworbenen humoristischen Darstellung zuriick,
wiewohl das Bild manches Verdienstliche enthielt. — L. Hu-
nin in Mecheln ,ein unglicklicher Handwerker bringt sein
Handwerkszeug nach dem Pfandhause*, schildert mit grossem
Geschick den Ernst des socialen Weh’s, ohne jedoch in eine
einseilige Hervorkehrung der Tendenz zu verfallen. Moralisch
geknickt und erschépft durch den Kampf mit der Sorge lehnt
ein armer Arbeiter, dessen Ztige die Blisse des Kummers und
der Hoffnungslosigkeit tragen, vor dem Eingange zu einem der
Bureaux des mont-de-piété. Шт zur Seite seine Tochter,
die als versOhnende Vermittlerin mit dem Geschicke bemitht ist,
durch trostreichen Zuspruch den gebrochenen Muth ihres Va-
ters wieder aufzurichten. Die Figur des Handwerkers ist ganz
yortrefflich und mit den Umgebungen in Stimmung gesetzt, we-
niger die der Tochter, deren Gestalt etwas zu kurz gerathen
ist und im Ausdrucke an die Sentimentalitét franzésischer Ro-
man —Illustralionen erinnert.

Ein tragisches Motiv aus den Tagen der ersten Kaiserzeit
,nach der Schlacht* hat C. E. Bottcher in Diisseldorf mit
Gliick in Scene zu setzen gewusst. Vor uns auf édem Schlacht-
felde steht, wie eine Saule unter Trimmern, die historische
Gestalt eines Soldaten von der alten Kaisergarde in seiner gro-
tesken Uniform und hebt den Mantel von der Leiche seines ju-
gendlichen Kriegsgefihrten, dem die t6dlliche Kugel durchs
Herz gedrungen ist. Daneben kniet in tiefem Schmerze die
Marketenderin des Regiments, ein jugendliches Weib, die in
dem Gefallenen den Geliebten beweint. Die nachllichen Schat-
ten, welche sich Бег das weile, durch sparliche Wachtfeuer
erhellte Schlachtfeld zu lagern beginnen, das blasse Licht des
Vollmonds im Kampfe mit dem hinsterbenden Tage verleihen
dem Bilde eine landschaftliche Schwermuth, welche mit dem
Schmerze der Leidtragenden in gutem Einklange steht.

Ein verwandtes Bestreben, Naturstimmung und Handlung

au verschmelzen, enthalt eine Schlachiscene im Kostiime des
	dreissigjahrigen Krieges von C Sell in Dusseidor! ,,5oldaten
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