tragen ihren verwundeten Anftihrer durch feindliche Vorposten “.
Behutsam schleichend, dice dusserste Spannung des Auges und

Ohrs in den Gebehrden, tragen cinige Krieger die theure Last
ihres verwundeten Anftihrers auf ungebahniem Pfade durch den

Feind. Die Nacht bricht eben herein und gespenstisch treten
die bleichen Gesichter aus dem Zwielichte hervor. Das Ganze
ist poetisch gedacht und mit Geschick gemalt. Besonders ge-
lungen ist der herbstlich kalte Novemberhimmel.

W. Camphausen in Diisseldorf hat in einem meisterhaft
gemalten Effektbilde ,Nachiliche Flucht im Charakter des 16ten
Jahrhunderts“ die romantischen Reize nachtlicher Beleuchtung
mit balladenhafter Poesie auf die Leinwand gezaubert. In einer
durch den Vollmond, so weit es der drohend umwélkte Himmel
zulasst, erleuchteten Gebirgslandschaft von pittoresken Formen
begegnen wir einer nidchtlichen Kavalkade, die auf einsamem
Pfade der Verfolgung enlflieht. Aus einer mit Eisenblech be-
schlagenen altmodischen Kutsche lehnt ein bejahrter Herr im
Kostiime der Zeit und schaut sich dngstlich nach den unsicht-
baren Verfolgern um; denn schon scheinen den ermalteten Gaulen
die Krafie zu schwinden. Ihm zur Seite birgt eine Weiberge-
stalt sich im Grunde des Wagens. Neben her galoppiren auf
beiden Seiten gepanzerte Fackelreiter, auf deren Riistungen
Fackel- und Mondschein in wunderbar magischer Wirkung sich
streiten. Eine gewappnete Nachhut, von der Einer den Kopf
nach der nahenden Gefahr wendet, schliesst den Zug. Allen
voran die treue unermiidliche Dogge, die Hiiterin des Schloss-
hofes. Am fernen Horizonte aber leuchtet die ersterbende Glut
einer niegergebrannten Burg. — Dieses Effektbild erfiillt sei-
nen Zweck mit so lauschender Wahrheit und so ausserordent-
licher Vollendung, dass es als ein wahres Meisterwerk von
nachilicher Beleuchtungsmalerei anzusehen ist.

Aebnliches lasst sich von Hasenclever’s Bild sagen,
dessen Vorwand abermals dem unerschépflichen Quell der Job-
siade entnommen ist. Auf diesem Bilde haben wir auch Mond-
scheinstimmung, aber keine romantisch-pittoreske, sondern eine
philisterhaft-gemithliche, den Mondschein der Wachter, der
verlieblen Kater und Flétenblaiser. Nachtwachter Jobs, den Drei-
master auf dem Kopfe und bewaffnet mit Pike und Horn, ver-
ktindet von hoher Bastei herab der zu seinen Fiissen schlafen-
den Stadt die zwd6lfte Stunde. Ein Lichtstrahl fallt verstohlen
im namlichen Augenblicke von seiner Laterne auf des Helden  
Antlitz zur Verherrlichung dieser grossen That. Die bei Wer-
ken monumentaler Gattung gern beobachtete Pyramidenform der
Composition auch hier — wie es scheint, nicht ohne Absicht
— festgehalten zu sehen, ist von sehr gliicklich parodirender
Wirkung. Die Ader des Humors ist auch diesesmal dem Kunstler
nicht ausgegangen, nur halten wir im Interesse der Naturwahr-
heit gewtinscht, dass es bei jenen beiden Lichtern sein Be-
wenden gehabt halte und die vorlaute Einmischung der Sterne
verbeten. ;

P, v. Schendel in Briissel , cin Madchen mit einem Lichte
in der Hand“ zeigt sich in ziemlich geistloser Nachahmung
Schalkens befangen; dagegen lieferte B. Mohrhagen in Ham-
burg zwei Effektbilder von eigenthiimlicher Arlt: , Deutsche
Flichilinge in einem lombardischen Wirthshause in Gefahr er-
kannt zu werden“ und ,Das Innere einer lombardischen Pach-
terwohnung*. Obgleich man aus ersterem Gegenstande alles
Andere eher, als was es sein soll, herausdeuten méchte und
berhaupt die Zeichnung der Staffage im hdchsten Grade ma~
nierirt und vernachlassigt ist, so ist dagegen das Machwerk der
Stoffe, der von Russ geschwarzten Wande, Kamine und Rauch-
fange geschickt und keck etwa wie eine in Oelfarbe tibersetzte
Pastelmalerei,

Der geniale A, Schrédter in Frankfurt a. M. fihrte den

 
	„Незмис 4ез Кбп!оз$ Rheinwein“ in Gestalt eines Frieses an uns
voriiber. Dieses Bild liess zwar in der Zeichnung Einiges zu
wiinschen Ubrig, suchte aber an schépferischer Laune und Er-
findung seines Gleichen. Kénig Rheinwein, eine blondlockige
Jinglingsgestalt, die Rebenkrone auf dem Haupte, thront in
golddurchwirktem Purpurmantel auf einer zu einem Triumph-
wagen umgestalteten Kelter. Vier zarte blonde Pagen in blauem
Kleide begleiten den Wagen und tragen die Insignien des Reichs.
Ein jauchzender Zug von Mannern, Weibern und Kindern zieht
in bacchantischem Taumel und ausgelassener Lust den Wagen,
hinterdrein aber schreiten mit untibertrefflichem Selbstbewusst-
sein die Kiiper. Die Rebenhigel im Hintergrunde und Zu-
schauer am Wege sind andeutend gehalten. Kénig Rheinwein
erschien uns als Hauptfigur etwas unbedeutend und zu blasirt-
trunken im Ausdruck, um der ihm dargebrachten Huldigung so
von Herzen bewusst werden zu kénnen. — Reimer in Diissel-
dorf malte einen ,Gansehindler*, der, zu Markte ziehend, den zu
machenden Gewinn vorher tiberschiégt; R. Jordan einen , alten
weilsichligen Junggesellen“, mit Stricken beschaltigt, H. Bir-
kel in Miinchen einen ,umgeworfenen Heuwagen* in moglichst
tragikomischer Auffassung des Moments und H. Brunner da-
selbst , Bergmannlein, welche sich mit dem Apparate eines Ma-
lers belustigen“; er verwob das deulsche Mirchen mit vielem
Humor in seine Darstellung. Launige Ziige aus den Flegel-
jahren slellten dar: J. Hoegg in Diisseldorf ,der heimliche
Raucher“%, ein Knabe aiindet sich die dem Grossvater im Schiafe
entsunkene Pfeife an, E. Delbloc in Briissel ,der schlechte
Schiler* schleicht wie ein begossener Pudel aus der Schule
nach Hause im Vorgefiihle der Tracht Priigel, die seiner da-
heim wartet, und C. Schréder ,Hin loser Bube ahmt hinter
dem Ricken seines halbtauben Meisters den Gesang des Hanf~
lings im Bauer nach*. Dieser ist ans Fenster getrelen und
lauscht voll Entziicken tber die Fortschrille des geliebten Vo-
	gels dem Gesange, (Fortsetzung folgt.)
	Ueber den Gang der christlichen Kunst in Spanien.
Von J. D. Passavant.
	(Schluss.)
	In der neueren Zeit folgten die spanischen Maler der Schule
des Louis David in Paris und gelanglen hierdurch zu einer stren-
geren Zeichnung; Don José Aparicio verfiel dabei auch in
dessen theatralische Darstellungsweise; Don José de Madrazo,
der jetzige Director der kéniglichen Museen, hielt sich davon
elwas freier und fihrte manches Bild far Kirehen und Privaten
aus, die den Anbruch einer besseren Zeit verktindeten. Er
sollte sie in Don Frederico de Madrazo, seinem Sohne,
erleben, der ebensowohl durch historische Bilder, als besonders
durch seine trefflichen Portraits, sich zu einem Kiinstler ersten
Ranges erhoben hat. Seine Studien in Paris bildeten ihn zu
einem sehr correcten Zeichner, wahrend er mehr dem Colorit
eines Murillo nachstreble, dabei fihrt er alles mit Sorgfalt,
wenn auch meisterlich aus. In seinen Bildnissen erfreut ausser-
dem die Haltung jenes edelen Anstandes, welcher den Spaniern
so eigenthiimlich ist, Hin anderes schénes Talent schien mit
José Utrera aufzugehen, als er im Jahre 1847 sein Gemalde
des ,Gusmal el bueno* zu aller Bewunderung ausgefirt hatte,
allein plétzlich 1848, erst 19 Jahre alt, gestorben ist. Ein Hi-
storicnmaler, dem es um die Férderung der Kunst in Spanien
ernstlich zu thun ist und deshalb an geeigneter Stelle beachtens-
werlhe Vorschlage gemacht hat, ist Don José Galofre in
Madrid. Er hat seine Studien in Rom gemacht, wo er den Um-
gang mit Overbeck gepflegt und daselbst eine Schrift verfasst,