welches wir hoffen diirfen, einen Theil der hochst umfassenden
Studien zur vaterlandischen Denkmalerkunde, die der Kénigl.
Preussische Conservator der Kunstdenkmaler, Hr. v. Quast, seit
Jahren gesammelt hat, der 6ffentlichen Benutzung anheimgege-
ben zu sehen. Wie sich in ihm wissenschaftliche und kiinst-
lerische Befahigung in seltenstem Maasse vereinigen, so dirfen
wir bei seinen Mittheilungen, in Bild und Text, eine einsichtig
grindliche Behandlung mit Zuversicht voraussetzen und nicht
minder diejenige Weise der Darstellung erwarten, welche uns
lebendig in die vorgefihrten Gegenstande cinfiihrt. Wie er
durch seinen amtlichen Beruf itberall mit dem ganzen Reich-
thum des Denkmilervorrathes vertraut geworden ist, so haben
wir den mannigfachsien neuen, unsre bisherige Anschauung er-
weiternden und abschliessenden Veréffentlichungen entgegenzu-—
sehen. Und wenn das Geschick es verstattet, das Begonnene
bis zum Ende durchzufiihren, so wird das Werk eine Gesammt-
Uebersicht gewiahren, die auf das geschichtliche Gefihl und
Bewusstsein der Gegenwart, im kunstwissenschaftlichen, wie im
alleemeinen Lebens-Interesse, von gtinstigstem Hinflusse sein
diirfte.

Ein erstes Heft, gewissermassen als Probe des auf einen
ansehnlichen Umfang berechneten Unternehmens, liegt bis jetzt
vor. Es besteht aus 3 Bogen Text und 6 Blait lithographirte
Bildtafeln, welche grésstentheils malerische Darstellungen der
betreffenden Gegenstinde, zum Theil mit Tondruck, zum Theil
auch in wirklichem reichem Farbendruck, bringen. Der Inhalt
des Heftes bezieht sich auf Schloss und Stadt Heilsberg im
ostpreussischen Ermlande, den Sitz der ermlandischen Bischéfe.
Der Text belehrt uns, mit sorglicher Bericksichtigung der ur-
kundlichen Nachrichten und der Eigenthiimlichkeiten des Baues,
dass das Schloss im Laufe der zweiten Halfte des vierzehnten
Jahrhunderts gebaut worden ist. Es hat sich in allem Wesent-
sentlichen der Anlage vollstindig erhalten, indem diese, bei
vielen Wechselfallen, die spiter tiber das Schloss hereinzogen,
nicht gestért worden ist und vorzugsweise nur ein Theil des
inneren Ausbaues (in Wo6lbungen и. dergl.) als einer Restaura-
tion am Schlusse des Mittelalters angehérig betrachtet werden
muss. So ist das Schloss, bei einer Anlage, welche der der
Schlésser des deutschen Rilterordens in Preussen durchaus ent-
spricht, in seiner Ganzheit betrachtet in der That das wichtigste
Beispiel jener Baugattung, die fiir die Cultur des baltischen
Nordens eine so eigenthiimliche Bedeutung hat. Sinn und Ge-
fiihl des Lebens, ‘wie es sich in jenen geistlich kriegerischen
Colonialstatten an den Kiisten der Ostsee entfaltete und gewiss
auch in den Statten der Handelscolonieen widerspiegelte, tritt
uns hier noch anschaulicher und nachdricklicher entgegen, als
selbst in dem ungleich reicheren Hochmeisterschloss von Ma-
rienburg, das nicht als ein ahnlich Ganzes auf unsre Zeit ge-
kommen ist.

Das Baumaterial ist, wie tiberall in diesen Flachlandern,
der gebrannte Ziegel. Gewachsener Stein erscheint nur aus-
nahmsweise und fiir besondre Zwecke angewandl. Plan und
Anlage des Schlosses hat entschieden den Charakter emer auf
Krieg gerichteten gemeinsamen Exislenz. Es ist ein Viereck
von etwa 153 zu 157 Fuss, mit einem starken Thurm auf der
einen Ecke und thurmarligen Vorspringen (iiber denen sich
Thurm - Aufsiétze erheben) auf den andern, Die Mauern steigen
massiv, 7 bis 8 Fuss stark, empor; das Acussere, wie es jetzt
erscheint, ohne sonderliche architektonische Auszeichnung, nur
	durch seine eigne Masse und die darin enthaltenen Fensteréff-
nungen von entschiedener Wirkung. Innen ist ein viereckiger
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	geschossigen Kreuzgange, der den lichten Raum auf 44 bis
50 Fuss einschrinkt. Dieser Hof mit scinen Doppelarkaden ist
	das vorztglichst Charakteristische des ganzen Baues; es 1st et-
was klésterlich Abgeschlossenes Чат und doch, in der ganzen
architektonischen Anordnung, elwas Schlichtes, Festes, Kiihnes,
dass man den klirrenden Schritt der bischdflichen Séldner noch
in diesen Hallen zu héren meint. Im Erdgeschoss sind es kurze
slammige Granitpfeiler, im oberen schlanke achteckige Saulen
von schwedischem Kalkstein, welche die weitgesprengten Spitz-
bégen tragen; Alles an diesen Arkaden selbst freilich ohne ein
sonderlich lebendiges ktinstierisches Gefihl; Kapital und Basis
der achteckigen Sdulen ganz in gleicher Form, somit ohne
eigentliches Bewusstsein ihres asthetischen Zweckes (der be-
greiflicher Weise bei Kapitél und Basis sehr verschieden ist)
gebildet und ohne rechte Vermittelung dem Schafte angeschlos—
sen. Man fihlt eben, dass die derbere, unbekiimmerte Behand-
lungsweise, welche das Ergebniss einer militairischen Lebens-.
verfassung sein musste, massgebend war. Drin in den so ge-
festeten Raéumen aber konnte sich behaglicher Lebensgenuss
sehr wohl entfalten. Er hat in der lokalpreussischen Architektur
seinen Ausdruck in dem reichen Spiel von Stcrnwélbungen,
welche die Raume bedecken, erhalten. So ist es auch hier
der Fall, und die dlteren Wélbungen des Heilsberger Schlosses
zeigen in dem Profil ihrer Gurte, dass eine edlere ktinstle-
rische Detailbildung doch keinesweges abgewiesen war. Dies
letztere, wie in den grossen festlichen Hallen des Шппегеп, so
nicht minder in der Gewélbdecke des Kreuzganges, in der zu-
gleich die ruhig gesetzliche Form des Kreuzgew6lbes versehmaht
und statt ihrer ein anderes System, das mit einem eigenen,
sich hin und wider schiebenden Rhythmus das Auge reizt, zur
Anwendung gebracht ist. Eins der Blatter des Heftes giebt eine
in Farben ausgefiihrte malerische Ansicht des Hofes, von der
oberen Gallerie aus aufgenommen, bei der der eigenthtimliche
Gegensatz der kalkgeputzten Gewédlbkappen und Bogenlaibungen
zu dem Ziegelmauerwerk ersichtlich wird. Hin andres, ge-
schmackvoll durchgefihrtes Blatt, welches eine Aussenansicht
des Schlosses enthalt, ist durch die landschaftlichen Gegensitze
der rothen Mauermasse und des tiefen, safligen Griins der Um-
gebung — Gegensadlze, die denen der Triimmerprospecte Roms
nicht nachstehen und die sich in unsern Landen des nordischen
Backsteinbaues nicht allzu selten wiederholen, — von Wirkung.
Kin driltes bringt die Ansicht einiger kleineren inneren Raéum-
lichkeiten; ein viertes (von dem Herausgeber nach Aufnahmen
des Bau-Inspectors Jester gezeichnet, wahrend alles Uebrige
auf seinen eignen Zeichnungen und Aufnahmen beruht,) Grund-
riss, Durchschnitt und Details der Schloss ~ Architektur.

Auf dem ersten Blatte des Heftes ist eine Gesammtansicht
von Schloss und Stadt Heilsberg enthalten; auf dem letzten eine
Ansicht der dortigen St. Michaels-Pfarrkirche, die sich durch
ihren, in derber Kithnheit aufsteigenden Thurmbau auszeichnet,
— und eine Ansicht des in kraftiger Soliditét gebauten ,,hohen
Thores“, welches den schon bekannten Formen ven Thorbauten
im nordisch miltelalterlichen Backsteinbau wieder ein nicht un-
interessantes Beispiel hinzufiigt. Der Text hat zu Beidem die
erforderlichen naheren Nolizen.

Hoffen wir nun, dass einem Unternehmen, welches auf eine
so erfreuliche Weise debiitirt und welches eben so sehr, wie
es den Bediirfnissen der wissenschafllichen Forschung entgegen~
kommt, auch in allgemeiner Beziehung dem Freunde der Kunst,
der Vorzeit, des Vaterlandes mannigfachen Genuss verspricht,
diejenige umfassende Theilnahme geschenkt werde, auf die es zu
seiner raschen Férderung doch wesentlich ankommen diirfte. Die
auf dem Titel angedeutete Abtheilung des Ganzen nach den ein-
zelnen Provinzen des preussischen Slaates wird den Vortheil ge-
waihren, immer einen in sich geschlossenen Theil in verhaltniss—
	massig kiirzerer Zeit zu Ende fihren zu koénnen FE. Hugi
. » Kugier,