Taddeo Gaddi gezeichnet und ausgefihrt, sehr unbedeutend,
geistlos und ohne jene Feinheit des Gefthls, die uns bei den
Werken der auflebenden Kunst tiber Mangel der Form und Harten
des Geschmacks hiniiberhebt. Der Leichnam Christi steht mit
gespreizten Beinen, der Kopf mit offnem Munde und geschlos-
senen Augen ist steif nach rechts und oben gedreht, das Scham-
tuch ist unter die Hiifte so tief hinunter gelegt, dass nur miih-
selig die Scham bedeckt ist; der linke Arm hangt schlaff herab,
der rechte liegt, auch schlaff, auf dem rechten der Mutter, die
den Leichnam halb von hinten umarmt und ihre Finger in das
offne blutende Wundmal seiner rechten Seite legt. Den linken
Arm halt Magdalena zwar nicht so geschickt, wie man ein Scheit
Holz halten wiirde, aber ebenso gefiihllos. Von Johannes ist
nur der Kopf im Hintergrund sichtbar. Der zusammengezogene
Mund der Maria, mit emporstehenden Mundwinkeln, der im Profi]
gesehene, wie ein liegendes 7 gestaltete Mund der Magdalena,
lassen tiber des Malers Fahigkeit im Ausdruck keinen Zweifel.
Eine lange Zeit und eine ungemessene Steigerung aller Kunst-
krafte liegt zwischen diesem Bild von 1365 und dem von Ogni-
santi, wenn es von derselben Hand herrihren soll. Die neue
Entdeckung der Herren Milanesi und Pini fiihrt vielleicht die
Entscheidung herbei.

‘Sie erzihlen (im Calendario Pratese, VI.), dass sie 1850
in einem Zimmer des Commissariats der Spitaler zu Prato eine
Tafel von gothischer Form gefunden haben, nicht grade durch
besondre Schénheit ausgezeichnet, als interessant durch die ih-
nen nicht ganz fremde Manier der Ausfihrung. Im untern Rah-
men dieser Tafel entdeckten sie folgende Inschrift: Leo Johanes
de Mediolano pinxi hoc opus. (Ausserdem: Frate Francesco
feet dipingere questa tavola.) Es ist ein Altarbild von fiinf Ab-
theilungen, mit einem Sockel von eben so vielen. In der Mitte
Madonna mit dem Kind und an den Seiten vier Heilige, SS.
Katharina, Bernhard, Bartholomaus und Barnabas; in der Staffel
Scenen aus ihrem Leben und unter dem Mittelbild die Verktin-
digung. —

Fir die Kunstgeschichte ist darin zunachst von Werth, dass
der von Rumohr tiber die Herkunft des Malers erhobene Zweifel
beseitigt ist. Johannes de Mediolano ist gewiss aus Mailand.
Sodann ist die Bemerkung der Berichterstatter, dass das Bild
sie ,,non per la propria bellezsa“ angezogen habe, ein Finger-
zeig. fiir die Stelle, die sein Meister in der Geschichte einzu-
nehmen haben wird, und eine Aufforderung zu genauer Ver-

 
	gleichung des Werkes in Prato mit jenem in Ognisanti zu Florenz.
Ernest Fé6rater.
	Caunstliteratur.
	 

diese mit Sicherheit dem Style der alten Niederlander ange-
hérenden wichtigen Werke, tiber welche sich unseres Wissens
auch das Kunstblatt noch nicht verbreitet hat, ausfihrlicher
sich ausgesprochen hatte, namentlich iiber die darin sichtbare
Verschiedenheit der Zeit und des Styles und iiber die auffal-
lend ibereinstimmende Anordnung und Gruppirung in einigen
derselben mit den bekannten Raphael’schen Bildern ). Die
Kreuztragung und die Kreuzigung sind jedenfalls die vorztig-
lichsten, in viel schlechterem Zustande das Abendmahl und die
Himmelfahrt.

Mit dem Zeitgenossen Quintin’s, Roger ‘von der Weyde
dem Jtingeren, den Férster mit Recht als den Verfolger einer
crassen realistischen Richtung charakterisirt, stellt er natirlich
den unbedeutenderen Engelbrechtsen, sowie dessen be-
rihmten Schiiler Lucas von Leyden zusammen, in dessen
Realismus aller Adel, alle Wiirde der Gestalten verloren geht.
Als seine achten Werke werden hier das Jiingste Gericht in
Leyden, das bei der Versteigerung zurickgekaufte Triptychon
im Haag vom Jahre 1517 mit der Anbetung der Kénige, die
Madonna vom Jahre 1522 in Miinchen (Pinak. Cab. No. 151),
das sehr verwaschene Bildniss des Kaisers Maximilian im Bel-
vedere zu Wien (No. 45), die Geburt Christi yom Jahre 1530
in der Lichtenstein’schen Galerie daselbst, die Einsiedler Pau-
lus und Antonius daselbst, sowie das merkwirdige Eccehomo
in den Uffizien zu Florenz genannt; er tibergeht also, an der
Echtheit vermuthlich nicht zweifelnd, sondern aus dem Grunde
der minderen Wichligkeit einige in verschiedenen Sammlungen
Englands befindliche Werke des Lucas.

Die in der Niederlandischen Schule dieser Periode nun
noch folgenden Kistler sind in Folge des durch Raphael voll-
endeten Idealismus bestrebt, diesen wieder in die Kunst ein-
zufiihren, werden aber, da ihnen hierfiir dic rechle Grundlage
fehlt und sie zum Aneignen desselben viel von der eigenen
Individualitat abstreifen und von fremder Eigenthiimlichkeit an-
nehmen miissen, zu unvollkommenen Nachahmern der Italiener.
Sie wandern niamlich simmllich nach Rom, wenigstens nach
Italien, und bilden sich mehr oder weniger gliicklich nach Ra-
phael. Dahin gehért zunichst Mabuse, in dessen friihere vor-
italienische Periode der Verf. in Uebereinstinmung mit Waa-
gen (Kunstwerke in England. II. 8, 411) die neuerdings auch
im D. Kunsthl. (1852. No. 2) beschriebene Anbetung der Kénige
im Castle Howard, ferner die drei Kinder Heinrichs VII in
Hamptoncourt setzt, die wegen der mit 1495 bezeichneten Co-
pie beim Grafen von Pembroke in Willonhouse nicht wohl zwi-
schen 1497 und 1499 gemalt sein kénnen, wohin F. sie setzen
mochte. Auf beiden Bildern erscheint namlich Heinrich VIII
gleich alt. Ferner der Erzengel Michael in Minchen (Pinako~
thek No. 99), und das dreitheilige Altarbild in Briissel mit Mag-
dalena, die dem Heiland die Fiisse wascht; wozu dann noch
die von Waagen (D. Kunstbl. 1851. No. 31) angefiihrten Altar-
bilder in Hamptoncourt kamen. Aus seiner spateren, unerfreu-
licheren Italienischen Periode fihrt F. nur 3 Werke an. — Ihm
geistesverwandt ist der sich in reinen Aeusserlichkeiten her-
vorthuende B. von Orley, von dem allerdings noch einige
Bilder, wenn auch nicht an den Geist, doch an die Form der
alten Schule erinnern; ferner Jan v. Schorel, der, da ihm
bekannte Bilder der Célnischen Schule entzogen sind, in sci-
nen Werken fast iiberall eine dirflige Nachahmung der Italiener
verrath; als soleche werden hier nur die ihm zuerst von Pas ~
savant (Kunstbl. 1841. No. 13) mit Recht zugeschriebene Ma-
	1) Moge die geehrte Redaction d. Bl. darauf bedacht sem, uns baldigst
eine umfassende Beschreibung und Charakteristik dieser Teppiche aus kun-
diger Feder zu verschaffen.
	Geschichte der deutschen Kunst. Von Ernst Hoérster.
Zweiter Theil. Von Anfang des 15. bis Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Mit 16 Stahlstichen. Leipzig, T.O. Weigel. 1553.

Von 1. A. Miiller.
(Schluss.)

Von jenem durch Memling reprisentirten Héhepunkt der
Eyk’schen Schule kehrt die Malerei nunmehr in dem Brabanter
Meister Quintin Messys weiter zum Idealismus aurick, eine
Richtung, die der Verf. in den ihm auch von Andern zuer-
kannten Bildern nachweist. Mit ihm bringt er in unmittelbare
Verbindung die neuerdings in Dresden aufgefundenen, im Lo-
kale des dortigen Kunstvereins befindlichen grossen Teppiche,
unter denen er nur vier, ndmlich die Geburt, die Kreuztragung,
die Kreuzigung und die Himmelfahrt Christi nennt; dazu kom-
men zwei von ihm ibergangene: die Transfiguration und das
Abendmahl. Wir hatten lebhaft gewitinscht, dass der Verf. tiber