den Hals des Schwanes fasst, fehlt und der landschaftliche Hin- tergrund ganz verschieden ist, indem er im Stich die Ruine des Tempels der Minerva medica in Rom zeigt, im Gemilde dage~ gen die sehr nahe geriickte Ruine eines Prachtgebaudes , mit einer Statue auf einem Postament. Dieser Theil und die Stelle des vierten Kindes, wo sich jetzt ein Jeerer Raum befindet, sind jedoch im Grund ausgekittet und ibermalt. Zu jener Zeit diirfte auch die unglickliche Aenderung mit dem rechten Bein der Leda vorgenommen worden sein, indem bei der stattgefundenen Rei- nigung des Bildes das urspriingliche zum Vorschein gekommen ist und unsere Leda nun drei Beine hat. Das hiibsch behan- delte, auf Leinwand gemalte Bild scheint noch dem 16. Jahr~ hundert anzugehéren und wiirde die Vermuthung, dass es ein Werk des Meisters IB mit dem Vogel selbst sei, zulassig er- scheinen, wenn nicht einige Aenderungen in Nebensachen, na- mentlich die Anordnung der Haare der Leda, sehr phantasielos behandelt waren. Eine stehende Leda, welche den neben ihr befindlichen Schwan am Hals umfasst, ist eine Composition, von der sich mehrere Gemalde in der Art des Leonardo behandelt vorfinden ; der Original-Federentwurf dazu ist aber von Raphaels Hand und befindet sich in der kénigl, Sammlung zu London. F. Le=- wis hat fiir das Werk von Chamberlaine: Imitations of origi- nal designs in his Majesty’s Collection. London 1796. ein gutes Facsimile davon geferligt. Es scheint, dass diese Zeichnung in den Besitz des Leonardo gekommen und dessen Schiller, wie nach seinen Entwiirfen, so auch nach diesem von Raphael, zu Gemalden benutzten. Eines derselben, fast Lebensgrésse, be- findet sich in der Galerie Borghese in Rom. Der Kopf der Leda ist ganz in die Leonardische Bildung umgewandelt, der Korper dagegen der Raphaelischen Zeichnung treu nachgebildet und héchst anmuthig; die Kinder Kastor und Pollux aber, da ein gu- tes Vorbild fehlte, fielen schwach aus. Ein anderes Exemplar mit Figuren von einem Drittheil Lebensgrisse gehdrt der Familie Laurent und ist im Museum zu Avignon anfgestellt. Kin drittes befand sich 1835 im Cabinet Levrat in Paris und wurde von Leroux, als ein Werk des Leonardo in Kupfer gestochen. Viel- leicht ist es dasselbe Bild, welches sich frither im Besitz des Kunsthandlers Lassalle in Deutschland befunden. Den vollslandigsten Catalog der Gemilde des Leonardo da Vinci erschien unter dem Titel: Catalogue de Toeuvre de Léo- nard de Vinci, par le Dr. Rigollot (4 Amiens). Paris chez Du- moulin, quai des Augustins No. 13. 1849. Der Verfasser hat da- rin nicht nur die italienischen und franzésischen Notizen aufge- nommen, sondern auch was in Deutschland in neuerer Zeit iber diesen Gegenstand erschienen ist. Ferner habe auch ich, um das schéne Unternehmen zu férdern, ihm meine seit Jahren ge- sammelten Notizen iiber Leonardo’sche Bilder zur freien Be- nutzung mitgetheill, ‘wortber er sich auch sehr anerkennend ausspricht. Dennoch ist in diesem Catalog noch Vieles unbe- stimmt geblieben, da dem Verf. eine selbst erworbene griind- liche Kunstkenntniss zur stets richtigen Beurtheilung noch ab- geht und er sich nur auf die Ansichten Anderer bezieht. Von den Zeichnungen und schriftlichen Werken des Leonardo ist in seinem Catalog eben so wenig die Rede, als von des genialen Meisters plastischen Arbeiten und architeklonischen Entwirfen. Ueber dic sémmtlichen Werke des Meisters einen méglichst er- schépfenden Bericht zu erslatten, ist eine Aufgabe, die ich mir noch vorgesetzt habe. gerichtet, und dahin zeigt es auch mil der Linken. Die Zeich- nung ist gut, doch nicht fein genug fir Leonardo da Vinci; die réthliche Carnation geht in den Schatten ins Braunliche, wie wir sie bei Salaino treffen. Von grossem Ruf als ein herrliches Werk des grossen Mei- slers bewahrt die Sakristei der Kapelle des Codestable in der Kathedrale zu Burgos das Bild einer biissenden Magdalena. Die halbe Figur ist nur leicht tiber die Hiiften mit einem Fell bedeckt; ihre Haare sind aufgelést. Ihren Arm tiber die Brust legend, blickt sie nach oben; der Ausdruck ist jedoch nicht der einer tief empfundenen Reue. Sonst zeichnet sich dieses Bild durch Schénheit der Zeichnung und einer tiichtigen Art der Ma- lerei in der Art des Leonardo da Vinci vor vielen Erzeugun- gen seiner Schule aus. Die Composition im allgemeinen erin- nert jedoch an eine dhnliche, ofters vorkommende Magdalena von Titian. Welchem Schiler des Leonardo unser vorziigliches Bild angehére, wage ich nicht zu entscheiden, am nachsten steht es dem Gian Pedrino, ware dann aber ein Werk von ihm, wo- rin er sich tiber sich selbst erhoben hatte. Von den dem Leonardo da Vinci zugeschriebenen Gemalden handelnd, mégen hier noch einige, die Leda darstellend, zur Sprache gebracht werden. Ein bedeutendes Bild ist dasjenige, welches sich in der Galerie des Kénigs der Niederlande, Wil- helm 1, in Haag befunden und, soviel mir bekannt, nicht ver- kauft worden ist. Es stammt aus der kurfiirstl. Casseler Galerie, wo die Leda aber, mit einem Gewand tibermalt, als eine Cha- ritas gegolten und von Hrn. von Rumohr noch so gesehen und beschrieben worden ist, Leda in bewegter Stellung, mit einem Knie zur Erde, halt eines der Kinder im Arm und zeigt mit der Linken nach Pollux und Helena, welche eben ihrem Ei entschlipft sind. Gegentiber sitzt ein anderes der Kinder. In der Land- schaft sieht man zwei dahin sprengende Reiter, nebst einer Ama- zone. Die Haupltfiguren haben etwas weniger als Lebensgrosse. Die der Leda ist einer Zeichnnug des Leonardo entnommen, die sich in derselben Sammlung befunden und von W. Young Oliley in seiner ,,Jtalian school of design in Facsimile bekannt gemacht worden ist. In ihr sehen wir aber den Schwan neben der Leda, die ihn mit dem linken Arm umfasst; auch ist die Be- wegung ihres Kopfes anders. Im Gemilde finden wir zwar die Zeichnung im allgemeinen schén, aber nicht fein empfunden, beinahe sleif im Umriss. Auch die Modellirung des Nackten, in einem braunlichen Ton der Schatten, hat nicht jene Durch- bildung, jene zarten, auf griindlicher anatomischer Kenntniss beruhenden Ueberginge und geistreiche Behandlung, wie wir sie bei dem Leonardo anzutreffen berechtigt sind. Wir missen daher dieses Bild als ein tichtiges Werk aus der Schule des Meislers betrachten: Ein in Hannover aufgetauchtes Gemilde einer sitzen- den Leda mit drei Kindern wurde ohne allen Grund dem Leo- nardo da Vinci zugeschrieben und zuerst auf eine sehr ergétz— liche Weise in der Niedersachsischen Zeitung vom 3. und 4. Febr. 1851 besprochen. Man fand in der Darstellung eine Allegorie: Leda bedeutete Beatrice d’Este, der Schwan Lodovico Sforza, die Knaben Kastor und Pollux die neugebornen Zwillinge Maxi- milian und Franz. Ein drittes Kind stérte in keiner Weise diese schéne Combination! — Auch im D. Kunstblatte, von 1851 S. 59, wurde itiber dieses Bild berichlet, doch mit mehr Umsicht. Der Gite des Hrn. Dr. Detmold, welcher mir die Durchzeichnung einer Photographie des Bildes gesendet, verdanke ich aber die nihere Bekanntschaft mit der Composition, woraus hervorgeht, dass dieselbe genau mit dem Kupferstich des Meisters IB mit dem Vogel!) tibereinstimmt, nur dass das vierte Kind, welches 1) S. Bartsch Peintre graveur AIL 5, 246. No. 3.