auf selbstgeschaffenem und gebildetem Grunde, dass ste von Dits-
seldorf wenig mehr als ihre technischen Vorztige entlehnt haben;
andrerseils treten sie nicht nur in ziemlicher Entfernung von die-
ser Stadt an das Licht, sondern man merkt auch in derselben,
wo sie ihrer Vollendung entgegengefiihrt werden, wenig davon.
Man kann lange in Diisseldorf verweilt und viel von Degers Ar-
beiten gehért haben, ohne dass man selbst auch nur etwas da-
von zu Gesicht bekam. Als so menschenfreundlich dieser Kiinst-
ler auch sonst in seinem Umgange geriihmt wird, so halt er
sich doch eben als Kinstler sehr zuriickgezogen und der Zu-
gang zu seiner Werkstatt ist schwer zu crlangen, was der voll-
kommen entschuldigen wird, der sonst hat beobachten kénnen,
wie sehr die beschwerliche Neugier der Touristen die Kinstler
in ihrem stillen Schaffen belastigt. Uns verschaffie cin giinsti-
ger Zufall den Eintritt in Degers Werkstatt und wir fanden eine
Menge Arbeiten seiner Hand, theils Vorbereitungen zu den Som-
merarbeiten auf Stoizenfels, Entwiirfe, Cartons, Farbenskizzen u.
A., theils kleinere, mehr oder minder der Vollendung enigegen-
gerickte Bestellungen, Volivtafeln, Hausaltarchen u. s. w., von
ihm selbst oder seinen Schiilern ausgefiihrt. Wir hatten von
Deger schon sonst manches Gréssere gesehen, namentlich seine
Fresken in der Apollinaris -Kapelle zu Remagen bewundert, und
doch missen wir gestehen, dass erst hier uns das cigentliche
Wesen und die Bedeutung Degerscher Kunsliibung aufging. Ein
ausgefithrtes Bild, namentlich ein Frescogemilde, iibt in der
Pracht seiner Vollendung, besonders beim ersten Anblick, im-
mer eine Wirkung, die dem feineren Geiste, sowohl des Be-
trachteten, als des Betrachtenden, Abbruch zu thun scheint. Da-
zu kommt die gréssere Entfernung, aus der man die Bilder sieht,
die Umgebung, die auch ihre Anspriiche macht und ablenkt, be-
sonders aber, dass das Werk, wo es erst in die Oeffentlichkeit
tritt, oft gar nicht mehr unmiltelbar vom Meister selbst, sondern
von einem Schiler herriihrt, der mehr im grossen Ganzen den
ersten schépferischen Gedanken wiederzugcben wusste, das fei-
nere, Atherische Element aber verfliegen licss. Gerade in die
ersten Entwarfe, oft in wilde Kohlen-, Feder - oder Pinselstriche,
die einem Laien sonst ganz unverstandlich zu sein pflegen, hatte
Deger einen Ausdruck der Schénheit und des Lebens zu legen
gewusst, wie er selten geschen wird; und es ist sehr zu be-
dauern, dass solche erste Entwiirfe, die den Eingeweihten am
meisten erfreuen, gewohnlich vernachlassigt werden und verlo~
	Tren gehen. Es ist zwar nicht zu laugnen, dass in Dusseldorf,
	wie anders wo, Mancher seine Kunst als tiichtige Kuh zu ше]-
ken versteht, dennoch méchten wir den deutschen Kunstlern et
was von dem Speculationsgeiste der Niederlander, Franzosen
und Englander wiinschen, die nicht nur das fertige Bild, son-
dern auch ihre Entwirfe, Studien, Skizzen, Cartons u. s. w. in
den Handel und so wenigstens zur Erhaltung brihgen.

Der Hauptcharakter der Deger’schen Malereien ist, auf den
ersten Blick, ein streng kirchlicher, und eben hierin ist wohl
der Grund des Verhiltnisses zu suchen, welches zwischen dem
specifischen Diisseldorf und Deger sich gebildet hat, gegen den
man in einer seltsam mit Anerkennung und Hochachtung gemisch-
ten Opposition sich erhalt. Allerdings drickt der ernstc, in sei-
ner Unentweihtheit strenge Charakter der Deger’schen Kunst eben
so wenig cine Anerkennung des gewohnlichen, hie und da et-
was frivol werdenden Diisseldorfer Realismus aus, als dieser im
Stande ist, eine weitere Bezeichnung als des Kirchlichen, oder gar
Katholischen fiir Degers Arbeiten zu finden. Der unbefangenc
	Beobachter bemerkt aber gar bald, dass das kirchliche Prinzip
	пиг еше аиззеге Schranke und Granze ist, die der Kiinstler sich
selbst gesteckt hat, innerhalb deren er aber seine Kunst auf eine
Weise sich bewegen lasst, die einen ncuen Beleg fir die alte
Wahrheit bietet, dass cs im Grunde ziemlich gleichgillig ist,
	gleich durch eine wohlgelungene dramatische Concentration der
cinzelnen Momente der Handlung aus, die sofort den Beschauer
mitten in den Vorgang hincinzieht, das Verstandniss jeder Figur
erhéht und das Interesse an dem Ereigniss ‘aufs Glicklichste
steigert, Der Glanzpunkt des Bildes ist aber unstreitig die
Gruppe des Henkers und der ihm in den Arm fallenden Mutter.
Der Ausdruck von Seelenangst in ihrem, von gleichmithiger
Verwunderung in seinem Gesichte, das leidenschaftlich bewegte
ihrer Stellung, die freie noble Haltung seines Kérpers, die
durchaus nichts Gemachtes, Gezwungenes hat, die eben Nichts
ausdriickt, als was sie soll: das momentan Unentschiedene eines
in Ausiibung des gleichgiiltigsten Amtes plétzlich Unterbroche-
nen —, das Alles, verbunden mit energischer Farbung und
trefflicher Modellirung, lasst diese Partic als vorziglich gelungen
erscheinen. Auch die récklings zu Boden gestirzte Rivalin ist
von ergreifender Gewalt des Ausdrucks. Indem der Kinsiler
die schnelle Aufeinanderfolge der einzelnen Momente der Hand-
lung, die abwehrende Bewegung der Mutter, die ihr folgende
Entscheidung des Kénigs und das hierdurch herbeigefithrte Zu-
sammensinken der unachten Mutler uns in einem Blicke vor
Augen fiihrt, gewinnt er nicht allein an dramatischer Bewegung,
sondern hebt auch, wie es seinem Gegenstande und der Be-
stimmung des Bildes entspricht, die Wirkung weiser Gerech-
ligkeit in ihrer Beschiitzung der Unschuld und Vernichtung un-
gerechter Begierden zum geistigen Mittelpunkt seiner Darstellung.

Wenn dagegen die Gruppe der Zuschauer in Anlage und
Ausfiihrung zurticktritt, so ist das ohne Zweifel mit gutem Grunde
absichilich geschehen, damit der volle Accent auf den Haupt-
personen ruhe, und wir billigen diese Riicksicht um so mehr,
als die Individualisirung der Képfe keineswegs darunter gelilten
hat. Nur den vornehmsten Trager des Gedankeninhalts des Bil-
des, den Konig, hatten wir elwas bedeutender gewiinscht; auch
scheint uns der rechte Arm, der sich gebietend ausstreckt, et-
was zu stark und schwer, mehr einem Samson, als einem Sa-
lomon gehdrend. Dass dagegen der Kiinstler den Konig in ju-
gendlicher Bliithe dargestellt, hat nicht bless die geschichtliche
Ueberlieferung fiir sich, sondern empfichlt sich auch durch die
Riicksicht, dass die Weisheit wunderbarer und gotteingegebener
erscheinen muss da, wo man sie nicht vermuthet, bei einem
Jiingling, als da, wo man sie zu erwarten berechtigt ist, beim
gereifteren Mann oder Greise.

Alle Figuren aber — und darin besteht cin hervorragender
Vorzug dieses Bildes — sprechen ihre Bedeutung klar und be-
stimmt aus in ebenso schlichter, als wirksamer Anordnung.
Zugleich herrscht in der Conceplion diejenige Gehaltenheit, die
man von einem historischen Bilde dieser Art zu erwarlen be-
rechligt ist, ohne dass sie in befangene Nachahmung conven-
tionell hergebrachter Voriragsweise verfiele. Es ist eben eine
Menge eigner, selbstindiger Schépferkraft, freier, wiirdevoller
Bewegung und Charakteristik darin enthallen, welcher in den
meisten Fallen auch die Durchfiihrung der Einzelformen, sowie
die Behandlung der Farbe wohl entspricht, so dass man den
wohlthuenden Eindruck eines Werkes erhalt, das aus einer
	ernst ringenden und schaflenden Kiinstlerseele hervorgereift ist.
W. Liibke.
	Hin Besuch in E. Deger s Werkstatt.
	Wenn wir fraher der kirchlichen Malerei in Diisseldorf,
im Verhaltniss zu den tbrigen Leistungen der dortigen Schule,
eine untergeordnete Stellung anwiesen, so geschah dieses na~
lirlich mit Ausschliessung der Deger’schen Schépfungen, die
fiir Diisseldorf allerdings auch als exotisch gelten kénnen. Denn
cinerseits beruht das Wesen der Deger’schen Arbeiten so sehr