Beziehung überlegen, läßt sich nie gehen, so einladend das Chaos dazu sein mag. Es ist der disziplinierteste Hexensabbath, das orga
nischste Tohuwabohu. In der Farbe, in der
Zeichnung, im Gedanklichen. Nur ein Moment aus unübersehbarer Fülle der Züge heraus
zugreifen: wie im Herzen des Abenteurers, der Bildmitte, doch alle großen Linien des scheinbar so willkürlich zerbrochenen Bildes zusammenstoßen, wie die Fäden eines Puppenspiels. Etwa, um wieder nur die auffälligsten Stellen zu beobachten, in den scharfen Beinkonturen, dem Zickzack dazwischen, der Flasche, dann
jene Diagonale, die später die Brust farbig schneidet, der Arm, die architektonischen Fluchtlinien rechts oben, die erhobenen Beine der Nigger, wieder der Arm, der Gewehrkolben usw., dazu unzählige kleine Kanten, die mit Worten schwer zu bezeichnen sind. Alles richtet sich in dieses Radialsystem, so
weit eben die Idee, die ja Turbulenz, Heftigkeit, LInruhe, Widerstreit fordert, es gestattet. Die Vitalität dieses Bildes rastet an keiner Stelle, alles ist zum Platzen voll mit johlenden, akuten,
pikanten Details, damit nur ja der wilde Ton nicht erlahmt. Und zu dieser formalen Einheitlichkeit tritt eben, wie noch einmal betont sei, die geistige, die mit einer vor nichts zurückschreckenden Roheit des Witzes dieser zynischen
Welt, deren unverkennbare Ausgeburt der Künstler Groß so gut ist wie sein Freibeuter, ihre nackte Häßlichkeit ins Gesicht schleudert, einmal im Inhaltlichen der Darstellung, dann in der Organisierung, in der reklameartigen Komposition, in all und jedem überhaupt. Der Kontrast erfaßt restlos alle Mittel. Wie jede Kunst vollendet sich auch die futuristischein der Selbstenthüllung.
Der Gestus dieses Bildes ist deshalb so frappant, weil seine künstlerische Methode sich weltanschaulich mit der Tendenz seines Inhalts deckt.
Nur absurde Mittel werden das uns Geläufige ad absurdum führen. Ob Groß darum
weiß oder nicht: er predigt Besinnung. Das ist wohl die Funktion des Zynikers: den Teufel mit Beelzebub auszutreiben. So schreit der Futurismus lümmelhaft in das irre Gelärm dieser Zeit hinein —- und schafft die Stille für heiliges Lied.
Aus dem „ Cicerone 1919 Nr. 23.


Über den Infantilismus in der neuen Kunst


Vor gewissen hobene) Beziehung des sogenannten Expressionismus zu infantilen Kunstäußerungen. Wenn man will, kann man drei Spielarten expressionistischen Infantilismus unterscheiden:
1. einen historisierenden, der sich der
Kunstsprache primitiver Zeiten bedient,- 2. einen ethnographischen, der in der Kunst primitiver Völker nach Vorbildern
sucht,-
3. einen reinen Infantilismus, der einer Kindlichkeit des Empfindens und Erlebens
entspricht.
Der historisierende Infantilismus, äußert sich in einer Reihe von Werken, in denen das moderne Kunstwollen seine
Wahl Verwandschaft vor allem mit ägyptischer oder frühmittelalterlicher Kunst verrät. Diese
Rückkehr zu primitiven Anfängen hat, wie wir noch sehen werden, einen anderen Sinn, wie die Nachahmung griechisch-archaisher Statuen im
augusteischen und hadrianischen Zeitalter oder die Vorliebe der Präraphaeliten für das Quattrocento. Das römische Kopistentum entspringt „einer Ernüchterung der künstlerischen Phantasie \Wickhoff), die präraphaelitische Schwärmerei für die italienischen Primitiven einer romantischen Zeitsentimentalität.
Der ethnographische Infantilismus hat in Gauguin seinen klassischen Vertreter. Künstlerische Absichten sind aber bei diesem Maler durch sentimentale Anwandlungen eines
Kulturkatzenjammers Rousseauscher Färbung verunreinigt. Junge Bildhauer haben in der Negerplastik Antizipationen eigenen Kunstwollens entdeckt.