teristischen Blatter, als zu den schénen. Es stellt in nicht ge-
ringer Ausdehnung die traurige Geschichte von Pyramus und
-Thisbe vor und giebt an Naivelat der Auffassung und Darstel-
lung derjenigen des ehrenwerthen Meisters Squenz und seiner
Bande im Sommernachtstraim durchaus nichts nach. Ganz im
Vordergrunde liegt mit erheblich dickem Kopfe und dinnen
Lenden der in mittelalterlichem Ritterkostim gekleidete Pyramus
auf dem Riicken, indess die Spitze des Schwertes ihm so weit
aus dem Brustkasten sieht, dass sich hinten héchstens nur das
Heft befinden kann. Zu seinen Fissen liegt der ungliickliche
Mantel, so zugerichtet, dass wir ihm mit Theseus das ,gut
gezaus’t Lowe!“ nicht vorenthalten dirfen, Thisbe im langen
Schleppkleide ringt voll Anstand die Hinde. Hinter ihr steht
der Grabstein des Ninus, als solchen durch eine hebraische
Inschrift bezeichnet und tber ihm ragt der Baum, von dem
zwar nicht Shakespeare, aber doch Ovid spricht ,,niveis uberrima
pomis“. Gegeniiber steht ein schéngebauter steinerner Brunnen,
der durch die Mondnacht platschert und trotz der gekrauselten
Oberfliche das Bild des zunchmenden Mondes in ungestorten
—Umrissen wiederspiegelt. Am Himmel ist derselbe sogar mit
 Strahlen ausgeriistet und dieser Pyramus hier konnte recht gut
	mit Zettel gesprocnen haben:
Ich dank’ dir, siisser Mond, far deine Sonnenstrahlen “,
	Nun wird er ihn nie mehr sehen; auch der Mond schliesst das
einzige Auge, das er prasentirt, denn er ist noch nicht ganz
im ersten Viertel. Auf dem Brunnen sitzt ein merkwirdiges
Kleines Mannchen, welches mit zwei Hahnenfedern am Barett
und einer Handbewegung an der Nase, welche wie Spott aus-
sieht, den Mephistopheles bei dem ganzen Vorgange zu spielen
scheint. Noch diirfen wir den Léwen nicht unerwahnt lassen,
der ganz in der Entfernung und sehr leise auftrilt. ir. Krii-
ger in Leipzig hat das Blatt copirt.

Das zweite Bild ,,Ahab und Isebel“ von Lucas v. Ley-
den, ein sellenes und schénes Blatt, das sich in Weigel’s Kunsi-
	katalog unter No. 19,131 aufgefiihrt findet, zeigt gegen das zu-
erst genannte einen ungemeinen Abstand in Bezug auf bewusste,
charaktervolle Darstellung. Wie meisterhaft ist hier der Aus-
druck in den Képfen der beiden Handelnden zum Vorschein
gekommen! Welch’ eine kalte Grausamkeit spricht aus dem
scharfen Profil der Kénigin, welch’ eine nichtsnutzige, kleine
Seele aus dem Gesicht des Kénigs, das da aus den Bettkissen
hervorquillt, indess ihm der Kinstler mit Naivetat zum Zeichen
seiner Wiirde Krone und Scepter auf die Bettdecke gelegt hat.
Durch Fenster und Thiire erblickt man das Schicksal Naboths, der
nach dem bésen Rath der Isebel auf falsche Anklage hin ge-
steinigt wurde, damit Ahab sich ungehindert in den Besitz des
von jenem verweigerten Weinberges setzen konnte. Die Copie
ist aus der trefflichen Anstalt von Hugo Biirckner in Dresden.

Ebendaselbst wurde auch das dritte Blatt vo Heinrich
Aldegrever nachgebildet. Wir sehen einen Thurm und Ge-
wélbbogen, unter welchem reisige Manner und ein junges Weib.
Auf .das Letztere weis’t cin barliger und strenger Mann und
scheint die Flehende an zwei andere Manner, die wie Schliesser
und Scharfrichter aussehen, tibergeben zu wollen. Prof. Schnei-~
der, dem unsere Leser den neulich gegebenen Bericht ther die
herzoglich - gothaische Kupferstichsammlung verdanken, deutet
diese Scene auf die Verurtheilung der h. Barbara zum Kerker
durch ihren eigenen Vater. Es ist sehr viel gesunder Sinn in
der Composition dieses Blattes und Krafl und Charakter im Aus-
druck der Képfe und der Bewegung der Figuren.

Die beiden folgenden Darstellungen aus der Hypnerolo-
machia sollen der am meisten begrtindeten Annahme zufolge
	von Benedetto Montagna herrihren, dem Gothe einst so vie-
	len Untersuchungsflciss widmete, worin er durch R. Weigel un-
	Nach Vasari’s Bericht, im Leben Tizian’s, ware G. B. nach
Ferrara geladen worden, zur Decoration eines Gemachs im her-
zogl. Palaste einen Cyclus yon Gemalden auszufiihren, habe die-
ses Eine begonnen, aber Altersschwache halber nach Venedig
guriickkehrend, unvollendet lassen miissen, weshalb spater Ti-
sian berufen sei, die letzte Hand daran zu legen und die Ar-
beiten zu volifiihren.

Vasari’s Angabe stiilzt sich auf die altere Annahme, dass G. B.
1514 gestorben sei, jedoch hal sich in neuerer Zeit sein Todes-
jahr unumstésslich auf 1516 festgestellt, auch mittelst eines mit
Jahreszahl bezeichneten Bildes ausgewiesen, dass er 1515 noch
gemalt habe. So braucht man ferner nicht mehr das Unglaub-
liche anzunehmen, als habe der Meister simmtliche Figuren des
Bildes nebst ihren Beiwerken und den ganzen Vorgrund mit al-
len seinen Pflanzen und Steinchen mit gewohntem Fleisse und
Vollendung, vor der Luft und dem landschaftlichen Hintergrunde,
ausgefihrt und ein solches unfertiges Werk, gleichsam im
Vorgefithl des Todes, mit Namen und Jahreszahl bezeichnet!
Freilich wird im Widerspruch mit Vasari behauptet, Tizian habe
die Bezeichnung hinzugefiigt, allein der Augenschein Iehrt das
Gegentheil, sie stimmt ganz mit B.’s gewohnter Weise tberein.
Wabrscheinlich ist der Zusammenhang folgender. Das auf feine
Leinwand gemalte Bild erscheint bei naherer Untersuchung sehr
angegriffen, und zwar in denjenigen Theilen, worin Bellino’s
Hand noch vorwaltet, wo hiufig der Faden blossgelegt ist, wie
bei Oelgemilden, welche mit geistigen oder alzenden Mitteln
unvorsichtig gereinigt wurden. Nun findet sich, dass die Ti-
zian’schen Retouchen, die selbst unverletzt sind, jene verwa-
schenen Stellen unmittelbar berihren und theils dariiber hinge-
hen, wie am Kopfe Silen’s, der an seinen Esel gelehnt zur Lin-
ken steht, am deutlichsten wahrzunehmen ist, also in eine Zeit
fallen, in welcher das Bild sich bereits in einem deteriorirten
Zustande befand, woraus hervorgeht, dass Letzterer nur eine
Herstellung desselben vorgenommen. Bei dieser Veranlassung
hat Tizian den landschaftlichen Hintergrund fast ganz von Neuem
gemalt, sei es, dass dieser mehr als die vorderen Griinde ge-
litten hatte, oder dass er dadurch eine gréssere Uebereinstim-
mung zu erreichen bezweckte; diese Restauralion kann jedoch
erst geraume Zeit nach 1514 geschehen sein, wie aus der mei-
sterlich kiihnen Behandlung des landschaftlichen Theils hervor-
geht, welche T.’s spalerer Zeit angehért, obwohl eben dadurch
mit dem friiheren durchaus nicht harmonirend. An die Figuren
hat derselbe jedoch keine Hand gelegt, als nur hier und da in
Gewindern, welche vorziiglich gelitten hatten.

Wenn also gesagt ist, Giov. Bellino habe das in Ferrara
angefangene Bild unvollendet gelassen, so beruht dieses auf
einem Missverstindnisse und ist nicht speziell auf jenes Bacha-
nale zu beziehen, sondern auf den gesammten von ihm unter-
nommenen Bildercyclus, den er allerdings nicht zu Ende ge-
fiihrt hat.
	позе еек.
	Holeschnitte bertiihmter Meister, eine Auswahl von
schinen, charakteristischen und seltenen Originalformschniiten
ete. etc., herausgegeben von Rudolph Weig el. Lieferung
IXu. X. Leipzig, Rudolph Weigel. 1853. Preis einer Liefe-
rung von 3 Holzschnitten 3 Thir.
	Die IXte, dem Herrn Baron Modest von Korff gewiamete
Lieferung des Weigel’schen Holzschnittwerks giebt Beispiele
aus der deutschen, hdllandischen und italienischen Sehule und
zwar gehdért das erste Balt, (in der ganzen Folge das A1ste)
von Urs Graf, mehr zur Kategorie der seltenen und charak-