kurz vorher gestorbenem Sohne beschleunigte die Bekanntschalt und Zuneigung, die sich bald ausbildete und dahin fihrte, dass Richtern durch Arnold ein mehrjahriges Studium in Rom mog- lich gemacht werden konnte. 1823 wanderte er hin und lebte im Freundesverein mit Kunst- und Strebensgenossen, besonders mit J. Schnorr, ein an Eindritcken und ristigem Schaffen rei- ches Leben. In den zahlreichen Bildern, die er schuf und welche alle die Alpennatur der Schweiz oder die glicklichen italischen Gegenden wiedergaben, schlug R. cine eigenthimliche Richtung an, Denn weil ihn in der ganzen Natur nichts so sehr anzog, wie der Gipfel derselben, der Mensch, so sind seine Landschalten nie ohne diese Belebung, und zwar stets im innigsten Zusammenhange mit dem Boden und der umge~ benden Natur. Nach der natirlichen Seite hin erblickt man also in seinen Werken deu Menschen gleichsam als Gewachs unter den ibrigen, nach der geistigen Richtung hin aber ist er Ausdruck der Volkssitte und Volksbildung. Aber niemals sind die Menschen ihm blosse Staffage, als welche sie gewdhnlich nur Typen in der Hand des Malers zu sein pflegen, Typen, mehr um seine subjective Stimmung auszudriicken, als den ob- jectiven Charakter der Landschaft zu schildern, sondern sie stehen -stets in dem unmittelbarsten, natirlichsten Verhéaltniss zu dem Schauplaize, auf dem sie ersclieinen. Im Jahre 1836 hatle der rémische Aufenthalt ein Ende. Richter aber hatte so lief von der ilalischen Lebensluft in sich eingetrunken, dass er der Sehnsucht, dahin zuriickzukehren, kaum Herr werden konnte. Er war schon wieder auf dem Wege dahin, als die Freunde ihn-in Stich liessen, worauf er ebenfalls fiir diesmal auf das Wiedersehn der ewigen Stadt ver- zichtete. Er ward nun in Meissen an der mit der Porzellan- fabrik verbundenen Zeichnenschule angestellt und nach Aufhe- bung derselben (1836) an die Akademie nach Dresden berufen; seit dem Jahre 1841 ist er Professor und Vorstand der Werk- statt fir Landschaftsmaler. Sein erstes Aultreten als Zeichner war in dem bekannten »malerischen und romantischen Deutschland“, welches Otto Wi- gand in Leipzig herausgab. Er, lieferte die Zeichnungen zum Meissner Hochlande, Franken, dem Harz und dem Riesenge~ birge. Bei dieser Gelegenheit ward er mit Georg Wigand be- kannt und befreundet, und dieser unternehmende und einsichtige Mann erkannte sehr wohl, welch’ ein Gebiet Richter anzubauen, ja neu zu schaffen geeignet sei. Dieses Gebiet hat er denn auch siegreich in Besitz genommen und ist der popularste Volks- dichter in Bildern geworden. Hat er sich schon dadurch ein glinzendes Verdienst erworben, 80 that er es eben so sehr durch die Strenge, mit der er darauf halt, dass der Holzschnitt ‘anerhalb seiner Grenzen bleibe und nicht mit verwandten Tech- niken kokeltire, sich nicht zum Kupterstich heranzuqualen ver- suche, eine Praxis, welcher R. durchaus abhold ist, vielmehr in seiner Weise zu zeichnen schon diejenige Art annimmi, welche im Stande ist, den Vorziigen des Holzschnilts Gelegen- heit zu ihrer Entfaltung zu geben. Nach dieser kleinen Episode tiber den Mann, der uns zu- nichst beschaftigen wird, schlagen wir das Heft auf, welches wir ,,beschauen“ und woran wir uns ,,erbauen “ sollen. Ludwig Uhlands schénes Sonntagslied hat ihm zundchst An- lass zu einer landlichen Idylle gegeben. Ein Hirtenknabe kniet und betet, neben ihm der Hund, rings umher die Heerde, eine Lerche ihm zu Hauplen, in der Ferne auf dem Higel cine Kirche nnd nebenhin weite Aussicht in die Berge und uber den Fluss entlang. Dieses einfache Bildchen ist schon ein Beispiel, wie R. jedes Ding in der Natur so ganz Zu seinem Rechte kommen lisst. Die fernsten Bergesziige im Hintergrunde, die Krauter und Blumen des Vorgrundes, beides scheint voll Duft; die Wol- Beschauliches und Erbauliches, ein Famitien- Bilderbuch von Ludwig Richter. erscheinen. Die erste Lieferung zeigten wir in No. 1 des vo- rigen Jahrgangs an. Die zweite (aus 8 Blattern bestchend) liegt vor uns. Eh’ wir sie naher betrachten, wollen wir uns erinnern, welcher Art und von welchem Gewicht Richter’s Thatigkeit iiberhaupt in der heutigen Kunst ist. Richler ist ein Volksdichter mit dem Zeichnenstift. Er ist dey Hebel auf seinem Gebiete. Was der allemannische Dichter uns in Worten schildert, Richter giebt es in Formen und Farben. Wie glicklich sind wir, dass uns die Quellen des tief in unserm Volke wurzelnden, poetischen Gehalts nicht allzu spar- lich fliessen, dass wir ihnen vielmehr in den verschiedenen Kunstarten begegnen. So ist neben dem echten , Schaizkast- lein*, das wir von Hebel in Gedichten allemannischer Mundart besitzen, eben jetzt fir die niedersachsische ein jenem voll- kommen ebenbiirliger Dichter aufgestanden, Claus Groth, der in seinem Buche ,Quickborn® die lautersten und tiefsten Klange aus dem norddeutschen Volksleben anschligt und dadurch ein ganz neues Schatzhaus éffnet. Welche Pflege dem Volksge- sange zu Theil wird, ist zu bekannt, als dass wir es weiler auszufiihren hatten und fiir die Malerei und Zeichnenkunst ist aeben manchem wackern Kiinstler, der wie unser Meyerheim aus dem Born des Volkslebens schépft, Ludwig Richter eimer der ersten Reprasentanten, der zugleich vermittelst der sehr azweckdienlichen Anwendung des Holzschnittes auch in das Volk einzudringen und sich in demselben auszubreiten vermag. Richter gehért zu denjenigen gliicklichen Naturen, denen durch bestimmte Anlage und Neigung ihre Mission im Leben in sicheren Umrissen vorgezeichnet ist, die diesen sichern Schatz im Herzen hegen und kein anderes Glick kennen, als seine natiirliche und ungestérte Entwickelung. — So sich selbst und ihrem innersten Zuge geniigend, vollbringen sie, unbe- kiimmert um ein anderes Ziel, als das, was sich von selbst hieraus ergiebt, den schénen Prozess, Natur und Leben auf sich wirken zu lassen und das Empfundene und Angeschaute mit dem Geprage ihres individuellen Geistes und Gemiithes wie- der ausstrahlen zu lassen. Diese glticklichen Festtagskinder sind niemals dazu geschaffen, unmiltelbar und absichtsvoll wohl- berechnete, weit ausgreifende Plane zu entwerfen und mit eiser- ner Willensconsequenz durchzusetzen; vielmehr findet sich off bestaligt, dass ein giitiges Schicksal den Lebens- und Bildungs- weg ordnend und andeulend hinzutritt; denn Alles, was~sie an Willenskraft, an Beharrlichkeit und Fleiss haben, entspringt nur aus dem Eifer, ihrem innersten Berufe genug zu thun, und kehrt dahin zuriick. Jedes Andere regelt sich ihnen von sel- ber. Sie sind wie Ehrengaste auf der Erde. Schon bald nach der Geburt Richters (am 28.. Sept. 1803) trat neben der Elternliebe auch die Freundschaft zu ihm heran, indem der wenig altere, spalere Landschaftsmaler Oehme, der als Knabe in demselben Hause wohnte, und den R. in spiteren Jahren in Rom erst als Freund kennen und schitzen lernen sollte,.ihn mit liebevoller Zartlichkeit warlele und pflegte. In seinem 17ten Jahre, wo die Reiselust und der Tricb, die Welt zu sehen, zu erwachen pflegt, nahm ihn der First Narischkin, Oberkammerherr des Kaisers von Russland, als Zeichner mit auf einer Reise nach Frankreich, Als nach diesem Entwicke- lungskursus spater die Sehnsucht nach Italien am héchsten ge- sliegen war, tritt eines Tages wegen eines Geschiftsbesuches der Buchhandler Arnold in die Werkstatt des Vaters, wo der junge Richter eben arbeitele. Seine Aehnlichkeit mit Arnolds