ken haben eine so charakterislische Form, dass uns ihre Farbe zugleich mit einfallt, ja die kleine Lerche selbst ist so gege- ben, dass uns ihr wirbelnder Fliigelschlag angedeutet zu sein scheint. Nur ihr Sonntagsmorgenlied und das Lauten der Glocke aus der Ferne hért man im Geiste; die Schafe sind ganz thie- rische Vegetation, das Htindchen ganz Wachsamkeit und Pflicht- eifer, ganz Wachterphysiognomie und Stellung. Unnachahmlich ist auf dem folgenden Blatte, welches den Bibelspruch Matth. 40 illustrirt: , Was ihr gethan habt, den ge- ringsten meiner Briider etc.“, das Kinderpaar, ein vornehmes kleines Madchen, das dem Kinde einer armen, kranken Frau die milgebrachte Kleidung anhilft, jenes voll altkliglichem Eifer, dieses voll komischer Verwunderung und Unbeholfenheit; es ist ganz cinzig, wie R. in den paar Zigen einen ganzen Kinder- charakter so auszubreilen verstcht, dass man in seinen verbor- gensten Winkel hineinsicht und im Wiederschein schon den kiinfligen Mann oder die kiinflige Frau erblickt. Kinder sind seine Hauptstarke. Man sche selbst auf dem heute beiliegenden Blatte aus dem » Beschaulichen*: wem waren nicht schon diese beiden Kinder begegnel, und wer nahme nicht Theil an der Freude der Eltern liber solchen Schalz? . Dann die Scene ,vom Christmarkte in Dresden*. Hinter einem kleinen Tischchen mit Schlotifegern, wie sie die Weih- nachtsindusirie von getrockneten Pflaumen herzustellen pflegt, $1265 ein kleines Geschwisterpaar, der Bruder in der Pudelmiitze, den Kragen herauf und die Handchen in einer geflickten Muffe; das Schwesterchen schmiegt sich an ihn und so warten sie 1а- pfer, bis das Schicksal ihre witzige Anzeige , Ausverkauf we- gen Geschaftsaufgabe*, welche an einer Tafel in transparenter Schrift zu lesen ist, wahr machen méchte. Fiir 5 Neugroschen wiirde man bier eine glinzende Schicksalsrolle spielen, aber nicht fiir alles Geld der Erden wiirde man solche Kinder kaufen kénnen, Und weiter auf einem anderen Blatte, das die Unterschrift Zum Essen! zum Essen!“ tragt, und nichts enthalt, als eine Kinderschaar, aus der dic Mutter mit der dampfenden Klooss- schiissel hervorragt, sie mit jenem Zauberruf elektrisirt und mit ihr in die Essstube zieht, — welch eine feine Charakteri- stik, welche Aufgaben sind hier gelést. Man denke sich ein kleines Madchen, dessen angeborner, wirthschaftlicher Takt in Haltung, Miene und Bewegung ganz aufgeht in dem Bemihen, keinen Tropfen aus der schwanken Briihschissel therzugiessen, einen Buben, der das grosse Brot schleppt und mit offenem Maule an der Schiissel der Mutter haéngt, rein materiell nur ein- genommen fir die Quantitat, einen dritten, der mit einem Ueber- schuss von Humor und mit Bewusstsein zu geniessen versteht; er tragt im Triumph einen auf die Gabel gespiessten Klooss und hat Zeit, sich an dem lachenden Anblick zu erfreuen, in dessen Hintergrund ihm der gewisse Genuss lacht. Der dlteste und letzte im Zuge endlich spielt den Trompeter und blast jene Zauber- worte durch die an den Mund geselzte geschlossene Hand. Wenn man sich nun itiberzeugt, dass R. dergleichen nicht in einigermaassen verstandlicher Intention, sondern vielmehr so leibhaftig vor Augen fihrt, dass jeder Finger, jedes Haar zur Charakteristik beitragt, wer méchte ihm Bewunderung und Zu- neigung versagen? Der Humor ist eine Saile, dic Richter gar gut anzuschla- gen weiss, sei es, dass er den komischen Ernst, der Kindern so drollig steht, schildert, sei es, dass er die ernsthafte Wich- tigkeit belachelt, mit der die Philister die unbedeutendsten Dinge betreiben. Der Reichthum im Ausdruck und in Veranlassungen, den R. bei solchen Gelegenheiten an den Tag legt, ist ganz unglaublich. Endlich ist es das tief Gemiithliche, das Sinnige der idyllisch einfachen Verhallnissé, welches als ein gltickliches Feld fir ihn betrachtet werden muss und fiir welches ihm wie- der eine ganze Flora von reizvollen Madchen und jungen Mit- tergestalten zu Gebote steht. Auch davon giebt das beiliegende Blatt Zeugniss. Von Kinderfiguren beschrieben wir eben mehrere gelungene und ein capitales Philisterexemplar findet sich auf dem 7. Blatle im vorliegenden Hefte, dem ,Spaziergange am Sonntage*. Man ist draussen auf dem Dorfe, das auf der Hohe liegt, unter dem breiten Baume, der den Hiigel beschaltet, angekommen. Man hat sich zum Theil gelagert, unterwegs Blumen gepfliickt, Kranze gewunden. Nun kommt das Hauptplaisir fir den Papa. Dort lehnt er mit dem Ricken an den Baumstamm und sucht mit schmunzelndem, durch das Zukneifen des einen Auges verzo- genem Gesichle durch das Perspectiv héchst wahrscheinlich — das Wohnhaus in der Stadt. Das Futteral der Augenwaffe hat er zwischen die Knie geklemmt, die unter dem bequemen Ober- rock in zarler Rundung vorquellende Weste deutet auf gute Na- turalverpflegung; sein unvermeidlicher, wahrscheinlich rother Regenschirm wird von seinem Knabchen, das noch nicht so gross ist, wie das Instrument, gehallen. Unterdessen hat cin junger Begleiter Gelegenheit, der Tochter den Hof zu machen. Gehen wir zu einer anderen Schépfung Richter’s tiber: In dem Géthe-Album von Ludwig Richter. Erste Lieferung mit 8 Bldttern. 1, Haidenrislein, 2. Mailied, 3. im Som- mer, 4. Schdfers Klagelied, 5, Ritter Curts Brautfahrt. 6. der Rattenfinger, 7. der getreue Echart, 8. Hermann und Dorothea 1, Preis: 12 Ser. ist es auf eine Sammlung von 200 Blaltern abgesehen, welche in 25 Lieferungen erscheinen soll. Von vorziiglichem Reize in dieser ersten Lieferung ist die romantische Situation des Lie~ bespaares in dem Gedichte ,Im Sommer“, voll elegischer Stimmung das Bild zu dem ,Klageliede des Schafers*, von mar- chenhaftem Zauber ,,Riller Curt’s Brautfahri“‘, voll kdstlichen Humors ,,der Ratlenfinger“, der auch zugleich wieder cin aus~ gezeichnetes Exemplar von einem Dorfphilister enthalt. Vicr einzig naive Kinder zieren wicder das Bild vom ,,gctreuen Eckart“, und in urgemiithlicher Wauslichkeit $125 das alte Ehe- paar aus’ dem bekannten Epos unter dem Thorwege des Hau- ses, Voll Anmuth endlich ist das Bildchen zu dem , Mailiede “, welches wir im Abdrucke mitzutheilen das Vergnigen haben. Gothe sing: Zwischen Weizen und Korn, Fand mein Holdchen An dem Felsen beim Fluss, Zwischen Hecken und Dorn, Nicht daheim; Wo sie reichte den Kuss, Zwischen Baumen und Gras, Muss das Goldchen Jenen ersten im Gras, Wo geht’s Liebchen ? Draussen sein. Seh ich etwas! Sag’ mir das! Grint und blihet —Ist sie das? Schén der Mai, Liebchen ziehet Froh und frei. Der Schnitt ist von Gaber, der Uberhaupt, wie uns scheint, Richtern am weitesten zu folgen vermag. Ausser ihin haben die beiden Obermann, Geringswald, Riewel u. A. an dem Hefte gearbeitet. Géthe -pflegt in Allem eher, als in seinen Gedichten und Liedern gelesen zu werden und gerade in diesen ist er so un- nachahmlich und so ewig neu. Gerade diese werden aber auch, aller Wahrscheinlichkeit nach, am zahlreichsten in dem Album vertreten sein, welches demselben hoch anzurechnen wire. Deutsches Baltladenbuch mit Holzschnitten nach Zetwh- nungen von Adolph Ehrhardt, Theobald von Oer, 90 *