Hermann Pliddemann, Ludwig Richter und Karl Schurig in Dresden. I—IV, Lief. Pr. a Lief. 10 Ser. Wieder eine hochst gluckliche Idee. Wir Deutschen haben nicht blos eben einen herrlichen Reichthum von alten Volks- sagen und Gesaéngen, sondern haben dieses Gebiet bis in die neueste Zeit hinein, seit Birger und der Gollinger Dichter- bund, durch englische Muster angeregt, die Ballade wiederer~ weckte, mit Fleiss und Glick angebaut, so dass Lieder, wie die Heinesche Lorley, die hundert Mal besungene, schon eben so populair geworden sind, als die uralte Geschichte von den zwei Kénigskindern, ,,die cinander so lieb hatten“, und die wir ne- benstehend nach einer Zeichnung von Ad. Ehrhard vorzulegen in den Stand gesetzt sind. Wir haben uns sonst tber die Sammlung als solche ап diesem Orte nicht weiler auszusprechen und halten daher un- sere Bemerkungen iiber einige Bearbeitungen alter, ,,2zersunge- ner“ Fragmente billig zurtick; nur das sei zu sagen erlaubl, dass diejenigen Balladen, deren Verfasser man kennt, auch von ihrem Namen halten begleitet werden sollen. Vielleicht sieht man sich veranlasst, dies bei den noch riickstaindigen Liefe- rungen zu thun, welche aller Wahrscheinlichkeit nach sich mehr und mehr aus den Werken neuerer Dichter zusammenstellen werden; denn wir haben noch 6 Lieferungen zu erwarten. Was nun die Zeichnungen anbetrifft, so sind sie fast ohne Ausnahme ansprechend und charakteristisch erfunden und im Schnitt solide und tichtig ausgeftihrt. Zu den vorziiglichsten und gelungensten rechnen wir ,,das Schloss in Oesterreich“, die Liebesprobe“, eine minnige, licbreizende Composition, », Schneiders Héllenfahrt“, voll drastischer Komik, augenschein- lich von L. Richter’s Meisterhand, ,,Erlkénigs ‘Téchler“, von leidenschaftlichem Ausdruck, ,,der Kaiser und der Abt“, nicht ohne glicklichen Humor, ,,das Lied vom braven Manne“, ,,die Weiber von Weinsberg“, ,,Kaiser Max auf der Martinswand “, von Ehrhard, wie das Monogramm zu besagen scheint, ,,Phi- lippine Welserin“, ,,Erikénig“, neu in der Auffassung, ,,der getreue Eckart“, nur nicht naiv genug in den beiden Kinder- figuren, ,,vom vertriebenen und zuriickkehrenden Grafen“, ,,der Taucher*, von Pliddemann, mit einer sehr lebens- und aus- drucksvollen Gruppe, und manche Andere. Zu iheatralisch im Ausdruck finden wir ,, Eduard“ und den » Konig in Thule“ componirl; andere, wie der ,,Ring des Po- lykrates und die ,,Kraniche des Ibicus“, sind conventionell und dirftig; noch andere sind nicht frei von Affectation, wie ,,G6- thes Fischer“, der, so oft er auch schon bildlich dargestellt ist, dasselbe Ungltick zu haben scheint. Die Holzschnilte sind fast sémintlich in der rihmlich be~ kannten Anslalt von Hugo Birckner in Dresden ausgefiihrt und verdienen, wie schon bemerkt, alles Lob. Vierhundert deutsche Ménner in Bildnissen und Le- bensheschreibungen. Herausgegeben von Ludwig Bech- stein... Erste Lieferung. Maximilian I. Joseph I. Lau- don. York. Gailer von Kaisersherg. Hermann. Mozart. Nettelbeck. Ргез: 0 орт. tische gerichteter Geist liebt es, die Geschichte seines Volkes aus den Lebensbeschreibungen seiner grossen Manner kennen zu lernen, die ja doch die eigentlichen Weber am Webstuhl derselben sind und uns das ganze Getreibe naher schauen las- sen, indem sie uns einen Blick in die Werkstalt génnen. Die ganze Anlage des Unternehmens ist darauf eingerichtet, moglichst populair zu werden und eine weit ausgedehnte Ver- breitung zu erfahren. Eine Lieferung fasst 8 lose Blatter zu- sammen. Jeder Mann hat sein Blatt; obenan steht sein Portrait mit der Unterschrift, wer er ist und wann er gelebt hat. Dann folgt darunter seine Lebensbeschreibung. Eine bestimmte Ord- nung in der Reihenfolge wird nicht beobachtet. Diese wird sich Jeder nachher selber machen kénnen, wozu drei Verzeich- nisse, ein alphabelisches, ein chronologisches und ein nach Stan- den geordnetes, welche bei der letzten Lieferung versprochen sind, behilflich sein werden. Die Holzschnitte sind in schlichter Derbheit ausgefiihrt. Sie geben ein Beispiel von jener heilsamen Rickkehr zur alten, fri~- heren Technik, aber mit der Anwendung neuerer Errungen- schaften, wie sie durch die entwickelte Zeichnenkunst bedingt und ins Leben gerufen werden. Nur auf diese Weise ist Riick- kehr zum Alten erspriesslich und anerkennungswirdig. Blinde Rickkehr dahin ist Unvernunft und Verlaugnung des ersten, nolhwendigsten Princips, durch welches das Bewunderle zum Bewunderungswiirdigen ward, des Princips der Fortentwickelung. Wir wissen, dass gerade L. Richter die Holzschnitte Diirer’s bewundert und mit Fleiss studirt; und der Gewinn davon? — nicht die Grammatik Direrscher Formen, aber ihre Sprache versteht er, mit uns zu reden. Unter Einfachheit und Schlicht- heit der alten Meister ihre Unbeholfenheit verstehen, ist ein beklagenswerther Irrihum und zeigt Mangel an Geist. Das ware gerade so, als wenn unsere heutigen Dichter auf einmal anfan- gen wollten, mitlelhochdeulsch zu schreiben. Den Geist der Sprache der Nibelungen mdgen sie uns bringen, die dussere Form derselben aber liegt uns fern und ist drmer als unsere heutige. Besonders gut gefallt uns gleich zu Anfang das markig gebaute Heldengesicht des rilterlichen Kaisers Maximilian, bei dem unsereins gleich der Theuerdank und der Weisskunig ) mil all’ ihren Herrlichkeiten einfallen, andere unserer Leser ge- wiss an Griin’s letzten Ritler crinnert werden. Aber auch das klare, feste Antlitz des Grafen York von Wartenburg ist vor- trefflich herausgekommen. Ferner das magere, spitzwinklige Gesicht des alten Gailer von Kaisersberg, der biedere, sichere Ausdruck in dem Kopfe des alten Nettelbeck, das geistvolle Antlitz des wackeren Philologen Hermann, der zwar von einer franzdsischen Mutter abstammt, wie wir aus dem Text erfahren, aber doch ein sehr griindlicher, deutscher Gelehrter und in allen Uebungen des Leibes gewandi und tichtig dazu war. Diese Portraits haben auch in der Zeichnung durchaus etwas Indivi- viduelles, Charakteristisches und sind weit entfernt von den all- gemeinen Typen, denen man wohl auf dem Bildermarkte be- gegnet und deren Aehnlichkeit mit dem Urbilde durch Haarfrisur und Rock erschépft zu sein pflegt. Was den Text betrifft, so beobachtet er in gedrangter Kirze eine lobenswerthe Vollstindigkeit, die kein wichtiges Datum un- erwalint lasst und sich auch, was wir fir besonders wichlig erachten, bemiiht, die Summen der jedesmaligen Existenz zu ziehen und ihre Bedeutung in dem Ganzen zu schildern. Die Darstellung ist einfach und naliirlich. Zu wiinschen ware, dass gclegentlich bei Dingen, wie das Reichskammergericht u. dol., 1) Ein Blatt daraus theilten wir Jahrg. Il. No. 14 aus den oben ange- fiihrten Holzschnitten beribmter Meister yon R. Weigel! mit, In der ganzen Erziehung — der jiingeren Welt sowohl, als bei der Selbstzucht — ist nichts von so grosser Wichtigkeil, nichts wirksamer und zugleich anzichender, als das Beispiel. Daher tiben auch Lebensbeschreibungen einen so grossen Zau- ber aus und sind oft von so grossem Einflusse. Die Verkla- rung, in welcher man so ein Lebenshild vor Augen bekommt, welche nothwendig selbst da mit unterléuft, wo Schwachen zu schildern sind, ist ganz geeignet, ideale Naturen anzufeuern und zu begeistern. Aber gerade auch ein mehr auf das Prak-