261 lichkeit weniger entschieden und nur theilweise ins Leben treten konnte. So trefflich Mabuse in den ihm zugeschricbenen Bildern seiner ersten Periode erscheint, so ungeniessbar ist’ er als Eklektiker, ein Umstand, der allerdings geeignet ist, einen Zweifel zu erwecken, ob jene angefihrten trefflichen Werke auch wirklich von ihm herriihren, da die stabilen Prinzipien derselben mit der Méglichkeit einer spateren Aenderung auf Kosten des Besseren im grossen Widerspruch stehen. — Wenn es wahr ist, dass die Nicderlinder in der Regel auf Eichen- holz, die Italiener auf Cedern- oder Palmholz u.s. w. malten, so kann darin doch nicht mehr als ein dusserer Fingerzeig er- kannt werden, der nicht selten auf andere Consequenzen fih- ren mag, die zur Bestimmung eines fraglichen Kunstwerkes behilflich sind. Aus dem vorliegenden Falle, dass das in Rede stehende Bild No. 156 auf Cedernholz gemalt ist, glaube ich zu dem Schlusse berechligt zu sein, dass der Kiinstler dieses Bild- chen in Italien, vielleicht in Venedig zu einer Zeit gemalt, wo der Einfluss der Meister dieses Landes hei ihm noch nicht Wur- zel gegriffen hatte. In dieser Meinung werde ich noch dadurch bestarkt, dass ich in diesem Bilde denjenigen Grad von stiller Sammlung vermisse, wovon die Werke dieses Meisters in Ant- werpen und Berlin Zeugniss geben. —.Auch ein anderes, in der Manier abweichendes Bildchen, No. 157, vorstellend die Verspottung Christi, mit unzweifelhafter Bezeichnung des Mci- sters Mabuse, tragt mehr den’Ausdruck einer villigen Gefihls- befriedigung, vorziiglich in Hinsicht der Modellirung der Kor- pertheile, wozu eine gesicigerte Ruhe so erforderlich ist. Der Mangel eines solchen Grades von Ruhe muss als Grund ange- sehen werden, dass das Bildchen No. 156 nicht zu der Kraft der Wirkung gelangt, die in den Antwerpener Bildern fast etwas zu weit getrieben erscheint. Die hiernach sich anderweitig herausstellenden Differenzen mégen die Veranlassung gewesen sein, dass man dasselbe friiher einem anderen Meister zuge- schrieben, namlich dem Antonello von Massina, dessen Pro- ductivitat in Bezichung auf umfassendere Compositionen sich nicht mit der des fraglichen Bildes messen kann. Der cben besprochenen Richtung nahe stehend, sowohl in Hinsicht der Geslaltung, als auch an Kraft der Modellirung, die hier, trotz ihrer noch grésseren Steigerung, im Einklang mit dem Ganzen steht, ist das wohl mit Recht dem Johann Scho- reel zugeschriebene Bild No. 115, vorstellend Christus am Kreuze, die Mutter Maria, Maria Magdalena und Johannes. In diesem Bilde macht sich eine bedeutende Selbstandigkeit gel- tend, welche der verschiedenen Einfliisse, die die alteren flan- drischen und selbst frankischen Schulen ausibten, in einer grossen Einfachheit Herr zu werden wussle. Ob es der Ein- wirkung der italienischen Meister zuzuschreiben ist, dass der Ton hier in der Farbung so ungewdhnlich tief angeschlagen und ‘sich in den Linien des Terrains ein so ungewdéhnliches Yersiindniss zu erkennen giebt, wage ich nicht zu entscheiden, da keine sonstigen Spuren in diesem Werke vorhanden sind, die dies bestaligen. Schoreel, urspriinglich ein Schiller des Mabuse, ging zu seiner weiteren Ausbildung spiter nach Rom. Bei den wenigen, ihm mit Zuverlissigkeit zugesehriebeneh Werken ist mir es nicht bekannt, in wie weit er sich hier den Einflissen hingab. Das obige Bild ist in seiner Gesammlwirkung von einer wahrhaft ergreifenden, ernsten und schauerlichen Stimmung. Der grossartigen Auffassung des tragischen Vorwurfs ist es an- gemessen, dass die einfachen Massen der bergigen Landschaft, wie in tiefer Trauer nur karg bewachsen und mit grosser Ockonomie der Mittel behandelt sind. Durch eine kunst- volle, tiefe Schattirung, die mit dem Vorzuge der niederlandi- schen saftigen Klarheit beinahe ans Sehwarze grenzt, ist in jedem Korpertheile eine lebensvolle Existenz erzielt, die ftir den Mangel an detaillirter Ausfiihrung reichlich entschadigt. Auch dieses Werk beurkundet einen Wendepunkt in der nie- derlindischen Malerei, da von der liebevollen, so anzichenden Ausfiihrlichkeit hier zu einer Freiheit des Vortrages tiberge- gangen ist, die nachmals in eine Routine ausartete, welche, mit geringer Ausnahme zu Ende des 16. Jahrhunderts, die nieder- lindischen Kunstwerke in hohem Grade unerquicklich machen, bis endlich der gewallige Rubens mit strenger Kunstwissenschaft eine neue Kunstepoche ins Leben rief, Von den flandrischen Meistern, die in Italien ihre Virtuo- silat nicht mit dem Verlust ihrer Originalitét erkauften, sind die Kiinstler Bernhard yon Orley und Michael Coxcie in der Sammlung zum Theil erheblich vertreten, der Erstere durch das Bild No. 149, Maria im Thron mit dem Christkinde, der Letzlere entschiedener durch die Kreuzabnahme No. 150, — wahrscheinlich ein Bildchen seiner ersten Periode, — und durch eine Madonna mit dem Christkinde, Joseph, Johannes und ein in der Luft schwebender Engel, der die Gruppe mit Blumen bestreut, No. 154, In diesem lelzten Bilde macht sich die Higen- thimlichkeit des Coxcie auf das insiructivste hemerklich. Wie bei vielen Werken dieses Meisters, beruht auch hier der Kunst- werth mehr in dem malerischen Verslindniss der Lebensbedin- gungen der dargestellten Erscheinung, das sich im Allgemeinen kundgiebt; die Auffassung des religiésen Vorwurfs selbst ver- mag nicht, jene warme Begeisterung zu erwecken, in der selbst die starren Formen der alteren Kunstperioden so sehr zum Her- zen sprechen. — Hier ware vielleicht das durch den Stich be- reits bekannte Bild No. 162, das heilige Abendmahl von Lom - bard Lombardus zweckmiassig anzureihen. Von Bildern, die unter italienischem Einfluss von nieder- landischen Meistern herrihren, erscheint-mir das unter No. 152 als eins der bedeutendsten tiberhaupt. Es stellt vor: Maria mit dem Kinde, Catharina und Barbara; die Erslere, unter einem Baldachin, dessen Draperie von zwei Engeln gehalten wird, die einen Anflug von der Manier des Francesco Francia haben. Bei aller Achnlichkeit, die es sowohl in der Art der Composi- lion, als auch in einzelnen Haupttheilen mit den Werken der Leonardo da Vinci’schen Schule hat, ist es doch nicht aus jenem Ekleklicismus hervorgegangen, durch welchen das direkte Verhallniss des Bildners zur Natur oft eine so empfindliche Sté- rung erleidet. Das ganze Bild macht daher den Kindruck, als seies die feine Wiederholung eines italienischen Werkes er- sten Ranges. Indess spricht dagegen die Art und Weise der Ausfihrung sowohl, als auch die Erfindung des Beiwerklichen, namentlich ‘aber ist es die Molivirung der Hande, welche die Eigenthimlichkeit eines italienischen Meisters vermissen lasst und zur Vermuthung beitrégt, dass man es hier mit einem nie- derlindischen zu thun habe, der sich in einem ungewohnlichen Grade die italienischen Formen eigen zu machen wusste, ohne dabei seine eigene Anschauung aufzugeben. Mit dem Colorit dieses interessanten Bildes hat es eine ahnliche Bewandlniss. Bei dem hier vorherrschenden, allgemeinen Idealismus giebt es sich gleichwohl als niederlandisch zu erkennen, obschon im Einzelnen die Merkmale fehlen, die solehe Annahme rechifer- tigen. Dieser Idealismus, sich jussernd in allgemeinen Tinten, die mehr die Modellirung als das Colorit selbst zum Zweck ha- ben, — das sich auf diese Weise gleichsam von selbst ver- steht, — lasst die vielleicht sonstigen Eigenthtimlichkeiten des Urhebers nicht zur naiheren Anschauung kommen. Auch die Wahl der Localfarben der Gewénder neigt in eben der Art nach der niederlandisehen Richiung hin, ohne den Meister be- stimmter zu bezeichnen. Niehts desto weniger sind es yor- nehmlich die beiden Meister Bernhard von Orley und Mi-