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	Studium zu widmen. Beim weileren Eingehen in die Sache er-
schien es mir indess als unersetzlicher Verlust, einerseits, dass
man fiir die Erhaltung jener herrlichen Fresken des Vatikans,
der Sixtinischen Kapelle u. a. durch sorgfillige Conservirung
nicht besser gesorgt, andererscits, dass man sich Scitens der
Kunstler keiner der Zeit mehr trotzenden Malweise bedient halle.
Der ginzliche Verfall dieser herrlichen Werke ist vorauszuse-
hen und zu befiirchten. Viele Parlicen jener Meisterwerke aus
der Raphaelischen Zeit waren zu jener Zeit 1840—41 schon
bis zur Unkenntlichkeit untergegangen. Es war mir nun sehr
auffallend, dass in denselben Raumen, den Stanzen des Vali~
kans, die aus derselben Zeit von densclben Meistern herrtih-
renden Oelbilder verhaltnissmassig ausserordentlich gut erhalten
waren. Dieser auffallende Unterschied in der Erhaltung zweier
verschiedenen Malweisen musste der Oelmalerei einen bedeu-
tenden Vorzug einréumen und die im Mittelalter ausgeiibte Tech-
nik des al fresco einigermaassen in Misskredit bringen. Die
musivische Copie der Transfiguration Raphael’s in St. Peter giebt
aber einen Beweis, dass auch dic Oelbilder aus jener Zeit nicht
ihre urspringliche Farbenhelligkeit und Reinheit behalten haben.
Wahrend namlich im Original-Oelbilde die dunkle Parlie des
Bildes, die Jiinger-Gruppe, in einen schwarzbraunen Ton gehiillt
erscheint, leuchtet die gleichzeitige musivische Copie des St. Peter
in allem Schmelz reiner, tagesheller Farbengebung, und es ist
unméglich anzunehmen, dass der Copist sich so weit von der
Farbengebung des Originals entfernen durfle, wenn wir auch
annehmen, dass die Glaspaste die Tiefe des Tons der Oelfarbe
nicht ganz erreicht. Dieser Unterschied konnte daher nur durch
die Verdunkelung (Nachdunkeln) der Oelfarbentechnik des Ori-
ginals stattfinden und ist dies auch durchaus festgestellt.

Jene Glaspasten, jene musivischen Farben, waren also das
einzige Material, welches dem Andrange von fast 300 Jahren
zu widerstehen vermocht hatte. Die Mosaiken schienen daher
das dauerndste Material fir Wandmalerei des Mittelalters ge-
wesen zu sein. Es kénnen indess die musivischen Arbeiten
kaum zur Malerei gerechnet werden; diese Arbeiten entbehren
ganzlich der Mittel des freien Schaffens. Es sind zu ihrer An-
fertigung Originale in Oel oder Wasserfarben nothig. Das Ein-
setzen der Glaspasten is) mihsam und beschwerlich, zartere
Farbenténungen sind unerreichbar. Nur aus grésserer Entfernung
betrachtet machen sie den Eindruck eines Bildes. Obgleich in
diesen Arbeiten in Rom en miniature noch heut, besonders fiir
Blumenmalerei, Ausgezeichnetes geleistet wird, so wird die
Anwendung der Mosaiken als Malerei wohl schwerlich wieder
in Aufnahme gebracht werden kénnen. Sie erfordern ohnedies
	einen bedeulenden Kostenaufwand.
Aus jener Zeit, der Betrachtung rémischer Kunstschatze
	gewidmet, datiren sich meine ersten Ideen uber Aullindung eines
dauerhaften Farbenmaterials fir Wandmalerei. Die ausseror-
dentliche Dauer der Glaspasten nahmen mich anfanglich so fiir
sich ein, dass ich nur auf diesem Wege ein neues Feld zu fin-
den hoffte. Die Glas- und Porzellanmalerei sehien mir die
Miltel zu besitzen, auf feuerfestem Material auch gréssere Wand-
malercien ausfiihren zu kénnen. Es lag dieser Weg indess
ganz, aus dem Bereich meiner Mittel. Immer indess noch in
einer verglasten Malerei die Garantie der Dauerhafligkeit su-
chend, fiel ich denn auf die Idee, das Wasserglas (kieselsaures
Kali durch Kochen in Wasser geldst) als Bindemittel fiir dic
Farben anzuwenden; aber auch diese Versuche mussten pia de-
sideria bleiben; denn cs erschien mir ganz unangemessen, statt
Herz und Gemith an den Eindriicken einer siidlichen Natur
oder den Meisterwerken alter Kunst zu erstarken, sich in Rom
in das enge Gehiuse eines Erfindungsdranges einzuschliessen.
Ieh verschob daher alle weiteren Versuche und Bemiihungen
	Kunstbildung, liegt dort nicht so fern, als in цизсгеш каЦеп №от-
den. Die Schatze der Kunst, welche wir uns hier mit Grubenlicht
aus dem triiben Schacht der Bucher und Kunstsammlungen zur

Erkenntniss heraufbeférdern, liegen dort an dem warmen, milden
Himmel des Siidens zu Tage. Die Befangenheit erhebt sich an
	den Monumenten der alten Kunst, welche die Grossthaten der  
	michtigsten Nation des Alterthums bekunden. Die Werke der
verklarten, italischen Meister des Mittelalters sind noch an der-
selben Stelle, wo sie gemalt wurden. Die Fresken des Palazzo
Farnese scheinen Werke der neuesten Zeit zu sein und selbst
mit weniger illusorischen Gaben, als tiberhaupt alle Kiinstler
besilzen, glaubt man ein Zeitgenosse jener Meister zu scin und
mit ihnen zu leben. So erhob sich denn auch mein Kunstge~
fiihl an jenen bertihmten Werken der Kunst, welche Rom in
so ausgedehntem Grade besitzt. Besonders waren es aber jene
Freskomalereien der Palaste, Kléster und Kirchen Roms, welche
einen ibermachtigen Eindruck auf mein ganz parteiloses Kinst-
lergemiith machten. Keine noch so reiche Galerie lterer oder
neucrer Meisler hatte jemals einen solchen Eindruck auf mich
gemacht. Diese Eindriicke waren es auch, welche mein Inter-
esse an der Wandmalerci nicht allein anregten, sondern bis
heut ungeschwicht wach erhielten. Sie liessen mir die Maler-
kunst in ihrer Austibung als Wandmalerei erst in der ganzen
Glorie aller Kunstleistung erscheinen.

In der That, es ist ein grosser Vorzug der monumentalen
Malerei, mit den verbiindeten Kraften der Architektur auf eine
bestimmte grosse Idee hinzuwirken, wahrend oft die Wirkung
der in Galerieen aufgestellten Meisterwerke erst-nach grésserem
Vertrauisein mit den Umgebungen derselhen, welche oft ganz
stérend einwirken, empfunden, freilich aber auch oft vernichtet
wird durch schlechte Beleuchtung oder durch Gegenwirkung
fremdarliger Kunstrichtungen.

Die monumentale Malerei scheint iberhaupt geschaffen zu
sein, bei den nicht ausreichenden Kraften Einzelner den Be-
strebungen mehrerer Individualitaten ein gemeinsames Band dar-
zubicten, Ein so von den besseren Meistern: der Zeit geschaf-
fenes Ganze behauptet eine Auctoritaét, welche specifisch auf das
Kunsturtheil der Mit- und Nachwelt einzuwirken fahig ist, in-
dem die Bestrebungen Mehrerer das Urtheil Einzelner tiber~
stimmen.

Es werden daher die Wandmalereien mit Recht als die
- Hauptresultate jeder Kunstperiode betrachtet und erscheinen fast
bei allen Nationen als dic Kulminationspunkte der Kunstblithe.

Die Blithe der Kunst aber im Allgemeinen war stets von
der geschichtlichen Bedeutung, von der Blithe der Nationen
unzertrennbar. Sie ist daher als der letzte, reinste Ausfluss der
Nationalbildung zu betrachten.

Heutzutage ist der Boden, auf welchem die Kunst gedeihen
und wachsen kann, wenigstens ziemlich gesaéubert von Unkraut;
dem Kiinstler stehen mehr wie je die Quellen einer allgemei-
nen Weltbildung offen, und die Miltel, Kunstschépfungen her-
vorzurufen, méchten sich mit dem durch gestcigerten Verkehr
wachsenden Reichthum und Luxus eher vermehren, als vermin-
dern. Mégen die Kistler ihrerseits nach besten Kraften die
ihnen gewordene Aufgabe zu erfiillen trachten, die Kunst nicht
um ihret-, sondern der Menschheit willen zu @Ъеп. Tragen
wir daher ein Jeder ein Sandkorn dazu bei; denn in der That
des Einzelnen licgt dic Kraft des Ganzen.

Nach dieser Abschweifung, welche der giitige Leser mir
verzeihen mége, kehre ich nunmehr zur kurzen Geschichte mei-
ner Erfindung zuriick.

Ich habe schon erwihnt, dass es besonders die reichen
Kunstschatze Roms waren, welche dies hohe Interesse fiir Wand-
malerei in mir anregten und mich antrieben, ihnen ein ernstes