lauf, den sie nahm. Diese Erfindung, welche seit dem Ли
4845 kein Geheimniss bleiben konnte, indem die Proben der-
selben zur Ansicht und Prifung in meinem Atelier aufgestellt
waren, dtirfte indess weder in ihrem inneren Zusammenhange,
noch in ihrer Behandlungsweise zur Genige bekannt geworden
sein, weshalb ich mich eben zur Mittheilung auf diesem Wege
entschloss.

Ehe ich nun zu dem System meiner Erfindung und ihrer
inneren Nothwendigkeit tibergehe, fasse ich kirzlich die in Rom,
Pompeji und Athen in Bezug auf antike Malerei gemachten Be-
obachtungen zusammen, um darzuthun, wie diese Erfindung sich
aus jenen Beobachtungen entwickelte.

1. Der Malgrund oder die Folie (Tectorium). Die haar-
scharfe Trennung der Farbengebung von dem Kalk auf den besse-
ren pompejanischen Wandbildern setzte voraus, dass auf die
Mauer ein Malgrund, eine Folie aufgebracht war, die das mehr
oder mindere Eindringen der Farbe in die tiefern oder flachern
Poren des Kalks verhinderte. Vitruy erwahnt aber ausdriick-
lich des Marmorstaubs als des Materials, womit das letzle Tec-
torium, also die Bildflache selbst, hergestellt wurde. Wenn
dieser Marmorstaub (also kehlensaurer Kalk) wiederum mittelst
Wasser auf dic Wandflache aufgetragen ware, so hatte darauf
sich nicht af fresco mit Wasserfarben malen lassen, denn dies
ware bereits eine weisse Farbung al fresco. Es méchte tbri-
gens bei manchen Bildern der Fall gewesen sein, dass man auf
dieser Tiinche mit Honig~ oder Hiweissfarben gemalt hat ). Die
meisten der mir zu Gesicht gekommenen pompejanischen Bil-
der halten aber theils einen matten, theils starken Glanz, sie
konnten mithin keine Erzeugnisse von Wasserfresken sein. Die
Proben davon waren fetthaltig. Hatte man nun mit Fettfarben
auf das trockene Tectorium gemalt, so wirde das fltissige Binde-
miltel der Farbe durch die Kalkwand aufgesogen worden, die Far-
benkérper selbst ohne hinlaingliches Bindemittel geblieben, mit-
hin leicht zerstérbar geworden sein, auch abgesehen von der
Schwierigkeit solcher Malart. Wenn man nun annimmt, es sei
das Tectorium vorher geniigend mit Oel-, Harz- oder Wachs-
substanzen getrankt worden, um das Verschlucken des Farben-
bindemittels zu verhindern, so méchte in der That auch diese
Methode der Anwendung sich in Pompeji vorfinden. Doch da die
Verbindung der Farbe selbst mit dem Tectorium hier nur die
der gewdhnlichen Oelmalerei oder des Oelansirichs wire, so
miisste dennoch an feuchten oder an den dem Einflusse der
heftigsten Sonnenstrahlen preisgegebenen Orten ein Abblattern
der Farben vorgekommen sein. Dies war aber bei der von
mir besonders beobachteten Art der Malerei nie der Fall. Es
реет sich vielmehr einzelne Pinselstriche, ja ganze Contou-
ren wie vertieft oder gravirt. Es war also nur noch ein Schluss
moglich, namlich der: dass diese Art der Malerei in einer fri-
schen, der Pinselfithrung nachgebenden, einen vertieften Con-
tour zulassenden, eine innige Verschmelzung der Farbe mit der
Folie mittelst des Pinsels méglich machenden, Folie oder in
einem Tectorium ausgefihrt wurde, das, mit Oel-, Harz- oder
Fettsubstanz und Kalkpulver (Marmorstaub) gebildet, frisch auf
dic Mauerflache gestrichen und darauf geebnet war. Dass dies
leicht und sicher ausfihrbar, ergaben die ersten Versuche.

Dieser Schluss begriindete das System meiner Erfindung;
	1) Nimmt man an, dass der Marmorstaub, dessen Vitruy als letztes
Tectorium der Wand erwahnt, in entmischter Form (gebrannt), also als Kalk
angewendet sei, so hatte hierauf natirlich eine Malerei al fresco stattfinden
kénnen, doch scheint diese Annahme willkiirlich. Wenn man diese An-
nahme aber macht, um so besser wiirde der entmischte kohlensaure Kalk
sich mit dligen, harzigen oder Fettsubstanzen zu einer kittartigen Folie ver-
bunden haben, hatte alsdann aber die Pigmente der al fresco Farben be-
dingt, die durch Aetzkalk nicht zerstoré werden.
	er bildete einen sicheren Grundstein, welcher durch spater ge-
machte Versuche und das Studium scines chemischen Verhal-
tens nie gewankt hat.

2. Es blieb nun noch tibrig zu erforschen, welche Fett-,
Oel- oder Harzsubslanz sich die Alten theils zur Folie (Tec-
torium), theils zum Bindemiltel der Farben bedient hatten. Bei-
des musste homogen sein, d. h. es musste eine innige Verbin~
dung des Tectoriums (also kohlensauren oder reinen Kalks) mit
der Farbe durch die gegenseitige Wirkung der Bindemittel be-
wirkt werden.

Hierbei kam mir die in Athen gemachte Entdeckung zu
stallen, dass jene gelbbraune, rauhe Oxydbildung von dligen,
harzigen Substanzen herriihren miisse, welche die Griechen
zur (vielleicht erst spileren) Bemalung der Tempel anwende-
ten; auch jeune dtinne lasirende Farbe an einzelnen Frag-
menten liess auf ein Durchscheinen der éligen Farhenbindemillel
schliessen.

Das Terpentinharz ist ein Erzeugniss des griechischen Bo-
dens, es wird noch heut in Griechenland 2u den verschieden-
arligsten Zwecken verwendet. Man benutzt es zur Conservi-
rung des Weins, zu einem trefflichen Wundbalsam, zum An-
strich u.s. w. Es ist von ausgezeichneter Gtite zu haben. Man
kann daher auch ohne weitere Beweisfiihrung ziemlich sicher
annehmen, dass auch die alten Griechen es hinlanglich gekannt
und benulzt haben. Wachs halte der honigreiche Hymettos
bei Athen im Ueberfluss und umsonst war Pallas Athene nicht
Beschiitzerin des Oclbanms gewesen.

Hier war also auf griechischem Boden Oel, Harz und
Wachs im Ueberfluss gewesen und fand daher mit grosser
Wahrscheinlichkeit Anwendung bei der Malerei der alten- Grie~
chen, eine Anwendung, die, so zu sagen, ihnen auf der Hand lag.

In Athen, wo ich die ersten Versuche ausfihrte, bewahrte
sich der in Pompeji gezogene Schluss von der Anwendung einer
nassen Folie in folgender Art. Marmorpulver mit rémischem
Oleo cotto, auf einem Reibsteine gerieben, liess sich von dicker
Consistenz vortrefflich auf Marmor, trocknen Kalkmértel auf-
tragen und ebnen und mit Oelfarben, welche mit Terpentin und
Wachs versetzt waren, bemalen. Dann selzte_ich zu dem er-
sten Auftrag der Folie noch Terpentin und Wachs u.s.w. Kurz
die ersten Versuche gliickten sogleich vollkommen und liessen
in der Behandlung nichts zu wiinschen tbrig. Eine dieser Pro-
ben hat sich erhalten, die tibrigen wurden zerstért, weil ich
sie wegen ihrer Schwere nicht hunderte von Meilen als Ballast
mitfihren wollte, und ich ja taglich neue anfertigen konnte.
Doch erst drei Jahre spater gelang cs mir, alle jene Schwie-
rigkeilen zu besiegen, dic dies sich immer mehr und mehr er-
weilernde Feld mit sich Drachte.
	Klima, Zeitbedurfnisse, Baustyl, Technik, Material und
wissenschaftliche Mitte] entfernen uns sowohl vom Alterthum,
als vom Stiden. Dass die Wandmalerei im Allgemeinen ипзе-
ren Verhaltnissen als angemessen crachtet wurde, beweist ihre
zunchmende Verbreitung; dennoch bietet der Norden der Aus-
libung derselben gréssere Schwierigkeiten dar, als der Siiden.
Der Frost, der starke Gehalt der Wasserdimpfe in der At-
mosphare und im Erdboden tiben auf die Bauwerke einen zer-
stérenderen Einfluss, als die Hitze des Stidens, besonders auf
Mauerwerk. Wenn unsere klimatischen Verhaltnisse also schon
nachtheilig auf die Bauwerke cinwirken, um wie vicl mehr
dtrfte der Verfall der mit ihnen verbundenen Malercien zu be-
fiirchten sein.

Eine dauerhafte Wandmalerei miisste also

4. den klimatischen Verhiltnissen begegnen und