=. das gewohnlich vorkommende Baumaterial nicht allein zur
Aufnahme eines Bildes benutzen, sondern auch vorbe-
reiten kénnen.

ad 1, Unsere klimatischen Verhiltnisse lassen sich aber
in ihren sch&dlichen Einflissen in Bezug auf Wandmalereien
zusammenfassen in Frost, Feuchtigkeit, Temperaturwechsel und
unmittelbare. Einwirkung des Sonnenlichts, und zu diesen Uebel-
standen gesellt sich noch

ad 2. die gréssere oder geringere Porositat, mithin Ca-
pillaritat, ja hygroscopische Eigenschaft unseres gewdhnlich
verwendeten Baumaterials.

Die ad 1 und 2 angefihrten Uebelstinde. sind es, welche
zusammenwirkend und sich unterstiitzend den nordischen Zahn
der Zeit bilden. Ihnen widersteht weder Marmor noch Sand-
Stein, héchstens Granit tber 300 bis 400 Jahre, wo dann ge-
/-Yingere oder gréssere Spuren von Verwillerung cintreten, Noch
unbestandiger ist der Kalkbewurf und tiber die Dauer der neuer-
dings beim Baumaterial - verwendeten Cemente lasst sich noch
nicht gentigend urtheilen. —

In Bezug auf den Kalkmdrtel stellt ‘sich aber in der Zusam-
menwirkung der Feuchligkeit mit diesem Baumaterial noch ein
dritter Uebelstand heraus, namlich die Salz- und Salpeterbil-
dungen der Mauern, welche durch die Verwendung eines un-
geeigneten Materials herbeigefiihrt werden. —

Nach genauer Untersuchung aller der zerstérenden Krafte,
welche theils unsere Atmosphare besitzt, theils auch in unse-
rem gewohnlichen Baumaterial enthalten sein kénnen, ergaben
sich als die erbittertsten Feinde die Feuchtigkeit der Mauern
und ungleichartige Porositat fast allen zum Bauen verwendeten
Materials; ihnen musste daher an der Wurzel begegnet werden.

Dies geschah aber wie von selbst durch Austrocknung der
zu bemalenden Flache, Trankung derselben mit éligen und har-
zigen Substanzen und sofortige Verschliessung der Poren mit-
telst der Folie, deren Bemalung alsdann weiter nichts im Wege
stand. Dieser Prozess ist eine Analogie der Verbindung des
Kalks mit dem Mauerstein.

Es ist bekannt, dass die Verbindung des Kalks mit dem
Mauerstein cine rein physikalische ist und dass man, um diese
Verbindung beim Auffiihren von Mauerwerk zu begiinstigen und
kraftiger zu machen, die Mauersteine stark befeuchtet. Wird
nun der nasse Stein mil dem gleichfalls nassen Kalk verbunden,
sO saugt der inwendig trockene Stein den Kalk ungleich kraf-
tiger an, als wenn man den Kalk auf den trockenen Stein auf-
irdgt. Dasselbe gilt vom Bewurf einer ganzen Mauer mittelst
des Kalks.

Ganz dasselbe fand ich in Bezug auf die Trinkung der
pordésen Kérper zur festeren Aufnahme der Folie. Wenn nun
aber zu dieser Trankung eine fliissige Substanz verwendet wirde,
die wiederum die Eigenschaft besdsse, die Folie auf der Flache,
wo sie die Mauer beriihrt, zu lésen, so miisste die Verbindung
mit der Mauer oder dem porésen Kérper um so inniger bewirkt
werden. Diese Flissigkeit fand sich im Terpentingeist.

Diese- erste Trinkung der Mauer oder des porésen Kér-
pers wurde nun nach Maassgabe der grésseren oder geringe-
ren Porositat enlweder einzig mit Terpentingeist oder bei star-
ker Porositaét mit Terpentingeist, Oc] und Wachs bewirkt. Ueber~
haupt bewahrten sich manche andere Zusammensetzungen, nur
bliebh der Terpentingeist das vorherrschende Agens.

Wurde nun auf den so getrankten Kérper die Folie, welche
aus geschlemmtem Kalk oder Kreide, Trockenédl, Wachs und
Terpentin bestand, als ziber Brei aufgetragen, so verband sich
dieselbe sogleich tiberaus kraftig mit dem nassen pordsen Kér-
per oder der Kalkwand; und hiermit waren den Einfliissen der
Feuchtigkeit und der Ungleichartigkeit der Porositét Schranken
	geselzt. Hs war ein neutrales Gebiet gebildet, welches eben
so innig mit den Poren der Kérper verbunden war, als die Folie
wiederum es einer auflésenden Farbe gestattete, sich mit ihr
innigst zu verschmelzen. —- Meine Versuche ergaben, dass
diese Folie sich auf alle Kérper auftragen liess, die nicht che~
misch zerstérende Eigenschaften entweder auf die Bindemittel
oder das Kalkpulver, die Kreide etc. ausiibten.

Die Eigenschaften dieser Folie waren demnach

1. sich kraftig mit dem verschiedenartigsten Maleriale zu ver~
binden ;
2. jede, wenn nicht zu atzende Feuchtigkeit aus der Mauer
oder dem Kérper von der Farbengebung fern zu halten;
3. die Ungleichartigkeit der Porositat aufzuheben, um
A, jedem Material eine und dieselbe giinstige Farbung fiir
Malerei zu geben.
Zahllose Versuche sind iiber die Zusammensetzung der geeig-
netsten, allen Zwecken entsprechenden Folie gemacht und durch
eine Reihe von Jahren erprobt worden. Dies ist die in ver-
schiedenen Modificationen anwendbare Verbindung, welche als
die beste von allen erkannt wurde. Sie besteht aus: gerei~
nigter und geschlemmter, sechs Stunden gebrannter Kreide  ),
Frocken6l (Lein6lfirniss), Wachs, Terpentingeist und verschie-
denen Harzzusitzen, Terpentinh., Mastix und Dammar. Ist diese
Folie gut getrocknet, so haben alle damit angestellte Versuche,
z. B. Liegen in der Sonne und im Wasser, starke kinstlich er-
zeugle Hitze, siedender Wasserdampf, selbst schwache Behand~
lung mit Sauren, Alcohol und Alcalien, auch Salmiakgeist, er-
wiesen, dass sie nicht damit anzugreifen ist.

Die mit dieser Folie erzeugte Bildflache cntsprach nicht
allein den Bedingungen, die ihr die Nothwendigkeit auferlegte,
sondern sie tibertraf noch die Eigenschaften eines guten Mal-
luchs darin, dass sie die Farben leichter annahm und tiberdics
nicht fadenscheinig war. Es malte sich auf dieser miassig
sehlipfrigen, willig jedem Pinselstrich folgenden Masse leicht
und angenehm. Der Pinsel vermochte nicht tiefer einzudringen
als néthig war, um die Kiltmasse zu lésen und mit der lésen~
den Farbe zu verbinden; nur musste zuletzt das Bindemittel der
Farbe diese lésende Eigenschaft besilzen. Siehe weiter unten.

* Auf der so bereiteten Folie hatte tbrigens, wenn man sie
gut ausgetrocknet, der Anwendung der gewdhnlichen Oelfarbe
nichts im Wege gestanden, doch beabsichtigte ich ganz beson-
ders eine Verbindung der Farbe mit der Kreidefolie selbst und
darum musste das Farbenbindemittel wiederum lésend auf die
Folie wirken. Der Farbentrager der gewohnlichen Oelfarbe fiir
Kunstmalerei ist reines gebleichtes Lein-, Nuss- oder Mohnidl.
	  Wenn die Bereitung der Farben auch mit der gehérigen Vor-
	sicht geschieht, so haben dieselben noch nach zahllosen, auch
von mir sich bestaligt gefundenen Erfahrungen folgende Nach-
theile:
1. Das Dichterwerden des Ocls beim Trockenprozess, also
dadurch entstehende Verdunkelung der Farbe;
2. Ungleichmassiges Auftrocknen der hellen und dunklen Far-
ben, wodurch leicht Disharmonie hervorgerufen wird;
3. Bildung der Oelsdure an der Luft, wenn man auch még-
lichst reines Oel dazu verwendet. Diese Saure wirkt
aber auf einige Farben desoxydirend, woraus Verande-
rungen der Farben enltstehen.
Das Oel ganz zu verbannen, schien mir unzweckmiassig,
	1) Statt der gereinigten, geschlemmten und dann 6 Stunden gebrannten
Kreide kann man auch reines, aus Marmor erzeugtes Kalkpulver mit Schlemm-
kreide, oder Kalkpulver mit Thon, oder Kalkpulver mit Zeigelmehl, oder Kalk-
pulver mit Eisensuhlacke anwenden. Es ist sehr bequem, im Gebrauch ein
Material zu verwenden, weshalb der halb gebrannten Kreide der Vorzug
	gebiihrt.
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