hait, indem unser Augenmerk bisher vorzugsweise dahin ge-
richtet war, dem Leser nicht nur ein anschauliches Bild von
der einzelnen Erscheinung zu entwerfen, sondern ihn auch im
Allgemeinen mit dem gegenwartigen Zustande der Kunst und
deren ganzem Entwickelungsgange in Frankreich bekannt zu
machen, — so wollen wir dieses Jahr, wo kaum zwei oder
drei neue Namen sich in den Vordergrund drangen, uns auf
die kurze Erwahnung des Vortrefflichsten beschrinken, und
zwar um so mehr, als wir schon 2 mal den Raum bedeutend
liberschritten haben, den in- cinem deutschen Kunstblatt die
Besprechung einer fremden Kunst billigerweise in Anspruch
nehmen kann; zumal die auf das Jahr 1855 bereits ausgeschrie—
bene allgemeine Kunstausstellung in Paris uns zweifelsohne
hinlangliche Veranlassung zu ausfihrlichen Berichten geben wird.
An die Stelle der Hierarchie der Gattungen, deren Fesseln
wir somit abgestreift, tritt denn die nalirlichere Ordnung des
Verdienstes, insofern wenigstens, als die besten und hervorra-
gendsten Werke der Ausstellung obenan zu stehen kommen;
— denn von der strengen Durchfithrung einer solchen Rang-
‘ordnung kann natiirlich nicht im Entferntesten die Rede sein.
Kenner und Laien, Kimstler und Publikum sind diesesmal
so ziemlich einig dariber, dass dem , Pariser Pferdemarkt* von
Mlle. Rosa Bonheur die Palme gehbihrt. Kaum ist wohl je
einer Frau ahnliche Ehre angethan worden, oder um uns rich-
tiger auszudriicken, kaum hat wohl je eine Frau, — ein Mad-
chen, so enischieden und fast ohne Widerrede, durch ihr blos-
ses Verdienst sich an die Spitze einer so bedeutenden und rei-
chen Vereinigung von Kunstwerken, wie der Pariser Salon ist,
gestellt. Allerdings kann man dieses Bild nicht im héheren Sinne
eine geistige Schdpfung nennen, indem Gedanke und Erfindung
dabei nur sehr geringen Antheil haben: es ist dem Gegenstande
nach ein Genrebild; denn die handelnden Personen sind zunachst
nur Pferde, dann deren Fithrer. Auch nicht einmal von edler
Art sind diese Rosse — keine schlanken Renner, keine voll-
bliitigen arabischen Hengste, keine staltlichen Mecklenburger,
es sind derbgegliederte, vollhaarige Normanner, Ackergiule und
Zugpferde. Was ihm aber seinen Werth giebt, ist die Frische
der Auffassung, das Leben der Bewegung, die entschlossene,
riistige Behandlung und die griindliche Durchfihrung — lauter
Eigenschaften, die nicht nur eine ungewéhnliche Begabung und
vielfache Studien, sondern gewissermassen einen méannlichen
Geist voraussetzen, wodurch die ganze Erscheinung um so wun-
derbarer wird. Zudem ist die Farbung von der gréssten Kraft
und Klarheit, und die Gesammtwirkung, in der silbergrauen
Tonleiter durchgeftihrt, von der vollkommensten Harmonie. Und
was all’ diesen Vorziigen der Kinstlerin den Stempel aufdriickt,
ist die Selbstaindigkeit ihres Talentes, das in allen Stécken und
von jeher kein Anschlicssen an irgend ein Vorbild erkennen las-
sen, sondern sich rein auf die Nalur stilzt. Nur etwa ein lei-
ser Anklang an Géricault ), liesse sich in dem Pferdemarkt
bemerken, und dieses schon desshalb, weil G. in der Regel
dieselben Pferderacgen darstellle. Géricault, dieser unerrejchbare
Meister der Gatlung, ist wohl auch der cinzige, mit dessen klas-
sischen Werken R. Bonheur einen Vergleich zu befiirchien hatte,
da sie dessen Slylgeftihl, dessen Strenge und Adel der Auffas-
sung so wenig ansprechen kann, als es ihr gegeben ist, in das tiefe
Verstandniss der Form des Pferdes, die grindliche Kenntniss sei-
nes Gliederbaues, das diesen Meister auszeichnete, einzudringen.
Was nun die Composition des fraglichen Bildes Беги, so
fallen gunachst in die Augen zwei Schimmel, yon der Seile ge-
sehen, die dessen Mitte einnehmen; neben diesen baiumt sich
ein Rappe mit seinem Reiter gegen eine weisse Stute, die ihm
	1) Géricault, geboren in Rouen 1790, starb 1821.
	entgegenwiehert, Nachst diesem ein Fuchs, der im raschen Trab
seinen Fihrer mit sich fortreisst. Diese Uebereinstimmung in
dem Schwung der Bewegung von Pferd und Fihrer ist mit gros-
sem Gliicke ausgedriickt, wie tiberhaupt auch das ganze Beha-
ben der Pferde, Kopfwendung, Haltung, Ausdruck der Augen
u. s. w., Alles der Nalur abgelauscht ist. Hinter diesen folgen
mehrere andere Pferde, meist beritten und sammtlich vorwarts~
schreitend, denn das Ganze ist als ein Zug vorgestellt, der von
links nach rechts sich bewegt. Man ziahlt iber 20 Giule und
eben so viele Manner. Rechts in der Ecke des Bildes wird
erst der cigentliche Markt abgehalten: Dort gewahrt man im
Miltelgrunde ein dichtes Gedraénge von Pferden, von Rosskam-
men und von Landleuten. Dariiber erhebt sich eine leichte An-
hohe, von der blassen Morgensonne beschienen, mit diimnbe~-
laubten Biumen bewachsen, deren helles Griin mit dem Blass-
grau des Himmels vortrefflich zusammenstimmt. Unter diesen
Baumen sind Gruppen von Zuschauern gelagert, meist in blauen
Staubhemden; vornan erkennt man, die unvermeidliche Boglei-
tung jeder Art von Schauspiels oder 6ffenilichen Auflritis, eine
Reihe von Pariser Strassenjungen. Unter diesen Reihen, auf
derselben Anhéhe, hat vielleicht die unverdrossene Kinstlerin,
als sie ihre Studien machte, selbst, und zwar verkleidet, ge-
sessen; denn da der Zutritt zum Pferdemarkt den Frauen un-
tersagt ist, so war sie gendthigt, ihr Geschlecht zu verlaugnen,
um sich mitten unter den thr befreundeten Thieren herumzu-
treiben und ihre Beobachlungen anzustellen. Hornvieh aber und
Schafe hat R. B., im Vortitbergehen gesagt, zu ihren Hausge-
nossen gemacht, indem ihre Werkstatte einen Stall, mit ihren
Modellen versehen, einschliesst. —- Das Maass des hesproche-
nen Gemialdes ist nicht weniger als 15 Fuss Breite auf 8 Fuss
Hohe, so dass die Pferde des Vordergrundes etwa halb lebens-
gross sein mégen. So wahr aber ist der Anblick des Ganzen,
die Auffassung so energisch, dass der natirliche Eindruck, und
namentlich in der Erinnerung, der der lebensgrossen Verhill-
nisse ist, und der Geist nur mit Hilfe der Reflexion sich dieses
Kindrucks erwehrt. Das Bild ist tibrigens in vielen Theilen
noch unyollendet, und kann durch die Arbeit von mehreren
Wochen, ja wohl Monaten, nicht anders als bedeutend gewinnen.

Alle Vorziige, die diese Kinstlerin seit Jahren zu einem
Liebling des Publikums gemacht haben, vereinigt in sich ein
kleines Bildchen von der freundlichsten Wirkung, von kraftiger
Farbung und reizendem Helldunkel, das sie ausser dem Pferde~
markt eingesandt hat. Auf einem lelmigen, vom Regen durch-
weichten, breiten Landweg, von Baumen tiberschalttet, darunter
ein Apfelbaum seine blittenreichen Zweige mischt, zicht, vom
Hirlen begleitet, eine Heerde von weissen und schwarzbraunen
Schafen und einigen Kiihen. Die Mittagssonne wirft kurze Schat-
ten auf den Weg und dessen unmerklich erhéhten Rand. —
Graf Morny ist Eigenthtimer des Bildchens.

Wir kommen jetzt auf einen vaterlindischen Kiinstler zu
sprechen, dessen Ruf aus Frankreich, wo seine Wirksamkeit zu-
erst cin angemessenes Feld gefunden und er in kurzer Zeit au
Ehre und Ansehen gelangt ist, zwar liangst schon tiber den
Rhein sich verbreitet hat, dessen Werke aber, zunachst ihrer
Natur und Bestimmung nach, dann in Folge einer gewissen Ab-
neigung des Kiinstlers gegen 6ffentliche Schaustellung, so scl-
len, namentlich auf deutschen Kunstausstellungen erschienen
sind, dass wer nicht anderweitig von Franz Winterhalter’s
Leistungen eins oder das andere zu Gesicht bekommen hat, sich
von dem eigentlichen Wesen und Gehalte seines Talentes schwer-
lich степ angemessenen Begriff machen wird. Einen solchen
konnen, unglicklicher Weise, auch die in Deulschland bekannt
gewordenen Bilder W.’s nicht geben, indem sie enlweder, wie
das iibrigens sehr gelungene Bildniss des Grafen Jennison, das