auf der Miinchener Ausstellung von 16801 erschienen, seiner frihern Zeit angehéren (1836), oder sie sind, wie das Bildniss einer hohen Person, das in Berlin ausgestellt gewesen, unter ungiinstigen Umstanden, bei einer fliichtigen Durchreige entstan- den und gleichsam aus dem Stegreife gemacht; oder endlich, was noch schlimmer ist, es sind, trotz dem Namen des Kinst- lers, der auf der Leinwand steht, blosse Copien, die er selber ше beriihrt hat, wie die Héfe sich deren wohl zuzuschicken pflegen, und wie, unseres Wissens, auch eine solche von Lon- don aus nach Berlin gekommen ist. Unter diesen Umstanden ist es nicht zu. verwundern, dass die Urtheile tiber Fr. Winter- halter in deutschen Blittern sehr widersprechend Jauten, und dieses um so mehr, da auch in Frankreich die Kritik, gegen die er sich in seiner Unabhangiekeit von jeher gleichgiltig ver- halten, ihn -haufig mit schreiender Ungerechtigkeit und offenba- rem Uebelwollen behandelt hat. Ohne alles Zuthun von seiner Seite ist W., ein Fremder, nach der Ausstellung seines Dolce Jar niente, an den franzésischen Hof gezogen und von der zahl- reichen Familie des Kéniges L. Philippe fast ausschliesslich verwendet worden. Ohne Ranke, ohne dussere Einfltisse, ohne den mindesten Vorschub der Presse, um deren Gunst er nie gebuhlt, die er im Gegentheil gegen sich aufgebracht hatte, hat er sich in dieser Stellung befestigt, und seinen Ruf je mehr und mehr sich verbreiten gesehen. An den Hof von Belgien, dann an den von England berufen,. anderer vortheilhaften Auf- trage nicht zu gedenken, deren er schon verschiedene abge- lehnt hat, ist der Kunstler tberall mit der ehrenvollen Auszeich- nung behandelt worden, welche sein Talent, sein unabhangiger Charakter und seine anspruchslose Persénlichkeit ihm zusichern. — Winterhalter ist recht eigentlich zum Bildnissmaler und zwar der vornehmen Welt geboren. Mit Iebhaftem Schénheits- sinn begabt, weiss er jeder Gesichtsbildung die vortheilhafteste Seite, jeder Physiognomie den freundlichsten Ausdruck abzuge- winnen, wahrend sein erstaunliches Gedachtniss und seine rege Einbildungskraft ihm die giinstigste und zu gleicher Zeit die ungesuchteste Stellung vorfiihren, in welcher er, in Gesellschaft oder im gewGéhnlichen Leben, die darzustellende Person einmal gesehen, Eben so leicht und so rasch wie die Haltung und Bewegung, vergegenwarligt er sich den kleidendsten Anzug, die schonste Beleuchtung, den passendsten Hintergrund. Seiner behenden Auffassungsgabe, seiner scharfen Beobachtung und seinem richtigen Blick geniigen wenige Sitzungen, um sein Vorbild in sprechender Aehnlichkeit bestimmt und lebendig auf die Leinwand zu setzen, denn er lasst ihm nicht die Zeit, jenen leeren und gedankenlosen Ausdruck anzunehmen, der bei dem ermtidenden Sitzen die Ziige unfehlbar beschleicht und in die Lange dehni. Dabei kommt ihm immer mehr und mehr die erlangte Ucbung und seine unglaubliche Gewandheit zu Statten. Zudem lasst sich mit Sicherheit behaupten, dass im Geschmack der Anordnung, im Reiz der Farbung, in malerisch schéner Behandlung und breiter, sicherer Pinselfihrung kein lebender Portraitmaler es Winterhalltern zuvorthut. Rechnet man nun dazu noch das vollkommen Natiirliche, Ungezwungene und Ab- sichislose seiner Auffassung — eine Eigenschaft, die wir tber : Alles schatzen, und ohne die kein wahrer Kiinstler gedacht werden kann, — so wird man zugeben miissen, dass W. 5е1- nen Ruf in vollem Maasse verdient. Doch wollen wir anderer- seits auch die seinem Talente geselzten Schranken nicht ver- kennen, wie denn Einem nicht Alles gegeben ist, und gewisse Eigenschaften sich nothwendig ausschliessen. So sehr dem Wesen unseres Kiinstlers das Anmuthige und Zarte, das Lieb- liche und Elegante, das Freundliche und Liachelnde, endlich das Heitere und Ruhige zusagt, so dass er sich ganz vorziig- lich fir die Darstellung von Frauen und Kindern eignet, eben so wenig gelingt ihm das Starke, das Ernste und Mannliche, Charakter, Bewegung und entschiedener Ausdruck. Auch weiss W.. dieses so wohl, oder vielmehr, er handelt, einer inneren Nothwendigkeit zufolge, so sehr im Einklang mit seiner Bega- bung, dass er in keinem seiner Genrebilder jemals eine Lei- denschaft oder auch nur eine lebhafte Gemtithsbewegung dar- zustellen versucht hat. Die Gegenstande dteser Bilder, meistens dem italienischen Leben entnommen, sind durch die Kupfer- stiche so allgemein bekannt geworden, dass eine Beschreibung ganz tberfltissig wire. Zu dem berthmtesten dieser Bilder nun, dem ,Dekameron*, im Jahre 1837 ausgestellt, hat Wint. im vorigen Jahre ein Seitenstiick vollendet, das fair die Kénigin von England bestimmt und in London im Frihjahr 1852 aus- gestellt, von dort nach Paris zuriickgekommen ist, wo es eine der gréssten Zierden des diessjihrigen Salons bildet. Rodrigo, der letzte gothische Konig, der in Spanien herrschte, — so erzahlt die Sage des Romancero, die noch heute im Munde des Volkes lebt, — gewahrie eines Tages von seinem Schloss aus, das nicht weit von den Ufern des Tajo stand, Florinde, die Tochter des.Grafen Julian, die, mit ihren Gespielinnen, im Schatten einer Jasmin- und Myrtenlaube ausruhend, einen scherzhaften Wett- streit um die Schénheit. der Haare einging. Der blondgelockten Florinde wurde der Preis zuerkaunt; Rodrigo aber ward von der Schénheit des Madchens so entflammt, dass er Alles aufbot, um sie zu besitzen. Es gelang ihm endlich. Da rief ihr Vater, der Stalthalter von Tarifa, im blinden Rachegeftih] die Mauren zu Hilfe gegen den Entfihrer seiner Tochter und Rodrigo ging nach heldenmithigem Kampfe des Kénigreiches verlustig. So nahm die maurische Herrschaft in Spanien ihren Anfang. Von diesem verhangnissvollen Vorfall hat der Kiinstler begreiflicher Weise nicht einen der ernsten, blutigen Auftritte, sondern das freundliche Vorspiel des Drama’s, die reizende Versammlung der im Uebermuth der Jugend scherzenden Madchen entnommen. Den Mittelpunkt der Composition bildet Florinde, stehend, den Oberleib entblésst, die blonden Haare in langen Flechten her- unterwallend. Zu beiden Seiten lIagert sich, von hohen Biumen und blihenden Gestrauchen tberschatlet, die Fisschen zum Theil yon den hellen Fluten des Tajo bespiilt, in mannigfaltigen Stel- lungen, der Kranz der Gespielinnen. Die reichen und bunten Gewander lassen einen Theil ihrer Reize unverhiillt, doch ist die Auffassung, wie immer bei W., volikommen zichtig. Hinter der Gruppe, zwischen dem Gestriuche, gewahrt man den spa- henden Konig. Eine Beschreibung des Einzelnen wirde zu weit fahren. Wir begnigen uns daher, nach Allem, was vor~ ausgegangen, mil der Bemerkung, dass etwas Anmuthigeres in der Erfindung , als dieses Bild, etwas Geschmackvolleres in der Anordnung, Schéneres und Harmonischeres in der Farbung nicht leicht sich denken lisst und in unseren Tagen kaum zur Er- scheinung gekommen ist. Auch auf den landschaftlichen Theil des Bildes hat W. grosse Sorgfalt verwandt und die gliickliche Wahl der Linien zeugt von lebhaflem und feinem Sinn fiir das Edle der Naturformen, — Wohl wissen wir, dass dieses hier ausgesprochene, aufrichtige und gewissenhafte Urtheil den meisten gedruckten und auch manchen miindlichen Kritiken zuwiderlauft. Es liesse sich dariiber manches Wort verlieren, allein wir haben hier keine Geschichte der Presse zu schreiben und sind auch keineswegs Willens uns auf polemische Abschwei- fungen einzulassen. (Fortsetzung folet.) (Der heutigen Nummer liegt das Beiblatt No. 9 bei.) Verlag von Kudolph und Theodor Oswald Weigel in Leipzig. — Druck yon Gebr. Unger in Berlin.